Die Kolumne von Sascha Theisen zum Heimspiel gegen Bonn
In diesen Wochen finden in sämtlichen Kirchen, die nicht schnell genug abgebaut werden können, langweilige Kommunionsfeiern statt. Rüstige Pfarrer geben dabei alles, was sie haben, um kleine Jungs und Mädchen vom lieben Gott zu überzeugen. Auch dieses Jahr saß ich wieder in einer dieser Kirchen, weil ein entfernter kleiner Verwandter in deren katholischen Club eintrat. Leider waren Lieder, Predigt und Zeremonie deutlich langweiliger als Lieder, Predigt und Zeremonie am Tivoli – also verkürzte ich meine Zeit damit, mich auf meiner Holzbank im stummen Selbstgespräch zu fragen, ob der liebe Gott eigentlich auch manchmal an Alemannia Aachen denkt. Denn eigentlich müsste er Alemannia mögen. Denn hier vereint sich alles an einem Ort, was er an seinen Schäfchen richtig und falsch gemacht hat: mächtiger Glaube, beständiges Misslingen, tiefe Enttäuschung. All das im Anschluss gefolgt von mächtigem Glaube, beständigem Misslingen und tiefer Enttäuschung. Der Kreislauf des Lebens halt, den er in seinen ersten sieben Tagen damals ja eigentlich für die Beziehung zwischen Mann und Frau geschaffen hatte, den die Männer sich aber geschnappt hatten, als er am achten Tag das runde Leder schuf.
Aber zurück in die Kirche und zu der Frage, ob er sich ab und an mit Alemannia beschäftigt – wenigstens ein bisschen. Hat er überhaupt Zeit dafür? Oder rauben ihm all die Naturkatastrophen, Kriege und Präsidenten all seine Energie und so ein leidiges Thema wie die Regionalliga West fällt dann halt schon mal hinten rüber? Eigentlich unvorstellbar und trotzdem wird ab und an in der Szene genau das gemunkelt.
Wie auch immer er es mit Viertliga-Fußball hält, in der letzten Woche sah es jedenfalls zeitweise ganz so aus, als hätte er gerade mal weggeguckt. In diesem Fall war das allerdings nachvollziehbar. Schließlich hatte er alles bestens vorbereitet und seine Gedanken dürften ungefähr so ausgesehen haben: „Ich schicke den Aachenern mal den 1. FC Köln als Gegner – am besten gleich die zweite Mannschaft. Dann fahren die sicher gleich mit 1.000 Leuten da hin und das sollte dann auch ohne meine Hilfe reichen.“ Gesagt, getan, gescheitert.
Tja – wenn man sich nicht um alles selbst kümmert, ist halt meistens Scheiße. Der letzte Samstag dürfte ihn mal wieder daran erinnert haben. Tja: „Lieber Gott“ willst Du halt auch nicht sein. Ist ja nicht so, als ginge es da oben um Alemannia alleine. Ein bisschen Huddersfield da, ein bisschen HSV da. Die Themen gehen ihm jedenfalls nicht aus.
Jedenfalls dachte ich so auf meiner Holzbank, als all die Kinder mit ihren Kerzen durch das Kirchenschiff schritten: „Wahrscheinlich hat er keine Zeit für uns.“ Und als ich das mit einem lauten Seufzer verinnerlichte, drehte sich die Reihe vor mir um, ganz so als wüssten sie dort alle, was mir gerade so durch den Kopf ging. Keine Ahnung wie viele andere Väter da standen und gerade den Samstag davor verwünschten und die Chance nutzten, Stoßgebete für den nächsten Samstag gen Himmel zu schicken. Den Mienen nach zu urteilen waren es einige.
Wie auch immer – den Aufstieg hat der liebe Gott da oben für uns in dieser Saison ganz offenbar nicht auf dem Programm. Was soll er auch machen gegen das ganze Geld in Köln und Krefeld? Er ist zwar reich an guten Worten und kann Leuten wie Maxi Beister das ein oder andere Mal sicher mal einen eingewachsenen Fußnagel schicken. Aber immer wäre das halt irgendwie auch nicht wirklich „Auserwählten-like“. Und so treffen solche Leute dann halt auch mal ins Tor, ob er will oder nicht.
Was bleibt also in all dem Glauben? Klare Sache: der TSC Euskirchen zum Beispiel. Es sind zwar noch zwei Wochen hin bis zum Pokal-Halbfinale und vorher werden noch satte sechs Punkte vergeben, aber: In dieser eigentlich sehr überzeugenden Saison kann immer noch der erste Schritt nach Berlin im Mai 2019 getan werden. Und genau da sah ich mich plötzlich, als dieser Lichtstrahl in diese Kirche im beschaulichen Frechen einfiel. Ganz plötzlich schwebte der mit himmlischen Diamanten besetzte DFB-Pokal in Richtung Altar. Und nur ich und noch irgendein anderer älterer Herr in der zweiten Reihe sahen ihn. Beide griffen wir danach, erreichten ihn aber nicht. Wir streckten die Finger aus, Tränen der Freude liefen unsere Wangen entlang und plötzlich berührten wir ihn für einen kurzen Moment. Hosianna! Engelschöre sangen und eine tiefe, feste Stimme erklang: „Bald ist es so weit, Freunde! Haltet durch, denn ich habe Euch im Blick!“ Nur wir zwei hörten ihn, während alle anderen sich weiter und ahnungslos mit der Kommunion langweilten.
Als meine Frau mir plötzlich wütend mit dem Ellenbogen in die Seite stieß, um mich zurück in die Gegenwart zu holen, flüsterte ich glücklich in ihre Richtung: „Er hat Zeit für uns! Alles wird gut!“
Die Kolumne von Sascha Theisen lesen Sie auch in der aktuellen Ausgabe des Tivoli Echo. Das offizielle Stadionmagazin von Alemannia Aachen ist am Spieltag kostenlos im Stadionumlauf erhältlich.
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