Kolumne von Sascha Theisen zum HIemspiel gegen Wuppertal
Du schüttelst mit dem Kopf und erwischst Dich selbst dabei, wie Du in Dich hinein flüsterst, dass es so was am Ende eben nur bei Alemannia gibt. Okay – der Reflex ist verständlich. Nach 75 Minuten steht es gegen die Reserve von Fortuna Düsseldorf 3:0, nach 89 Minuten 3:1 und Du bist Dir sicher: Es gibt nicht viele Mannschaften, die so etwas noch vergeigen. Alemannia schon. Das wird Dir spätestens dann klar, wenn dieser verfluchte Ball in der 91. Minute im Netz liegt. Allenfalls eine Randnotiz, dass er auch noch von einem eigenen Spieler dorthin befördert wurde.
Warum immer mein Verein? Warum passiert ausgerechnet immer Alemannia so ein Scheiß? Was im ersten Moment wie eine berechtigte Frage klingt, hat am Ende im Grund genommen nur eine Antwort verdient: „Ach komm, das kann schon mal passieren!“ Denn ein feister Trip durch die Historie der berühmtesten letzten Alemannia-Minuten erzählt zum Glück eine andere Geschichte.
Wer könnte zum Beispiel jemals diesen 10. Februar 2003 vergessen, als Alemannia in den Ruinen des Müngersdorfer Stadions in Köln spielte. Es waren 66 Minuten gespielt als es ebenfalls 3:0 stand, nur dieses Mal gegen uns. Wer das Spiel seinerzeit im Stadion oder vor den Fernsehgeräten verfolgte, konnte einen Punktgewinn höchstens mit ganz viel gutem Willen und dem Fernglas erkennen. Und um ehrlich zu sein dürfte auch die Einwechslung des gerade verpflichteten 19-jährigen Emmanuel Krontiris keine wirklich großen Hoffnungen geweckt haben. Was sollte der schon ausrichten können, wenn schon Typen wie Dirk Lottner und Matthias Scherz gegen Alemannia trafen?
Keine Ahnung, ob der mir unbekannte Alemanne in der Reihe hinter mir immer noch zum Tivoli geht – in jedem Fall war unser gemeinsamer Jubel nach c niemals für möglich gehaltenen Hattrick preisverdächtig. Rechts und links von uns gingen kopfschüttelnde Kölner Anhänger die Stadiontreppen entlang aus ihrem halb abgebauten Stadion, während wir wie wild über drei Sitzreihen eskalierten. Mit einem abgefälschten Schuss hatte eben jener Krontiris den Ausgleich perfekt gemacht und das längst verlorene Spiel auf 3:3 gestellt. Noch heute bin ich überzeugt, dass er bei nur einer Minute mehr Spielzeit auch noch das vierte Ding gemacht hätte.
Krontiris hin, Krohm her! Wer damals an jenem denkwürdigem 25. April 1999 dabei war, wird diesen heißen Nachmittag wohl auch nicht mehr vergessen. Damals, als der SC Verl am altehrwürdigen Tivoli neun Minuten vor Schluss zum 1:0 traf, schien der Aufstieg in die zweite Liga nach Jahren der Regionalliga-Tristesse ein weiteres Mal in weite Ferne entrückt. Alemannia spielte schlecht und Verl nur ein bisschen besser. Und trotzdem drehten Frank Schmidt und eben Mario Krohm dieses längst verlorene Spiel. Nur acht Minuten nach dem Rückstand gelang dem „Mittelstürmer unter den Mittelstürmern“ nach einem nie wieder so schnell vorgetragenen Konter im Aachener Fußball über Stephan Lämmermann tatsächlich noch der Siegtreffer für Alemannia. Eigentlich unfassbar, dass er zwei Minuten später sogar einen noch höheren Sieg liegen ließ als er das leere Tor nicht traf. Berühmte letzte Minuten eben.
Klar – es war auch beim Blick in den Rückspiegel nicht alles gut. Denn es war die gleiche Alemannia, die einst im DFB-Pokal gegen 1860 München zum zweiten Mal von einem Besuch in Berlin träumte, weil sie acht Minuten vor dem Schlusspfiff 2:0 führte. Am Ende stellte ein Mann namens Johnson auf 3:2 für die Gäste und durfte zur Belohnung im Viertelfinale gegen eine Mannschaft namens Bayern München spielen. Kann halt mal passieren und ist am Ende auch nichts gegen jene sechs Minuten im April 2013 gegen Hansa Rostock, als aus einem komfortablen 3:1 in der 76. Minute ein 3:4 Rückstand in der 82. Minute wurde.
Was all diese mehr oder minder schmerzenden Erinnerungen bringen sollen? Ach nichts. Höchstens ein bisschen Selbsttherapie in all dem Mist und die Erkenntnis, dass es am Ende nicht viele Mannschaften gibt für die man den Kopf schütteln würde. Für Alemannia schon.
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