Do, 27. Oktober 2016

"Suzuki ist der neue Takahashi"

Die Kolumne von Sascha Theisen zum Spiel gegen Borussia Dortmund II

Als ich dieser Tage zufällig las, dass die Zweite von Alemannia ein Auswärtsspiel in der Voreifel mit 2:4 verloren hatte, staunte ich nicht schlecht. Nicht nur deshalb, weil der Gegner auch „Alemannia“ im Namen trug, sondern weil ich selbst einmal dort spielte und das – so ehrlich muss man sein – ist sicher keines der ganz großen Ruhmesblätter der Alemannia aus Straß, die mittlerweile offenbar in der Landesliga angekommen ist.

Immerhin erinnerte mich das Ganze an die Zeit damals, in der außer mir nicht alles schlecht war in Straß und ich vorsorglich immer die Sporttasche im Kofferraum hatte. Ich dachte an den Moment, als ich mit zwei Typen namens Gregor Bergs und Thomas Stick am Sonntag der Strasser Sportwoche an der Theke stand – ein lustiger Nachmittag war das damals, einer der Gründe dafür, in so verlassenen Gegenden wie der Voreifel Fußball zu spielen. Allerdings nahm er damals für mich eine abrupte Wendung, als ich nämlich plötzlich eine Hand auf meiner rechten Schulter spürte, die mich etwas zu grob in ihre Richtung zog. Es war unser damaliger Coach, den wir nur deshalb so nannten, weil er es in einer Kabinenansprache mehr oder minder vehement eingefordert hatte. Ich sehe ihn noch heute vor mir, mit seinen entschlossenen Gesichtszügen, komplett in Ballonseide eingehüllt und wie er mir beherzt die Biertulpe aus der Hand nahm. „Wir haben zu wenig Mann. Du spielst jetzt linker Verteidiger!“ Dann zog er mich am Kragen von der Theke weg, direkt in die Umkleidekabine und danach aufs Spielfeld.

Es war Sportwoche in Straß und der Coach war für einen Tag zum Trainer der Kreisauswahl ernannt worden. Auf dem Platz vor dem Vereinsheim spielte an diesem Tag der FC Niederau aus der Oberliga gegen die Kreisauswahl Hürtgenwald, die aber eben über zu wenige Spieler verfügte. Das war bitter, weil sie deshalb einen halb betrunkenen linken Verteidiger wie mich einsetzen musste. Das Schlimme daran: An diesem Tag säumten ca. 350 Zuschauer den Platz in Straß zu dem sich sonst niemand verirrte. Der Grund für diesen Auflauf war japanisch und spielte im normalen Leben in der J-League: Yoshi Takahashi, wie sich später herausstellte, Rechtsaußen und mein Gegenspieler.

Es war eines dieser Spiele, deren Geschichte schnell erzählt ist, wenigstens meine Geschichte: Wir hatten Anstoß, unser Stürmer tippte den Ball an, der Rechtsaußen drehte sich um und spielte den Ball, wohl um ihn erst einmal zu sichern, nach links hinten, direkt zu mir. Von da an lief alles in eine komplett falsche Richtung. Mehr noch: Es wurden die langsamsten 20 Minuten meines Lebens.

In dieser ersten Spielszene kam Takahashi in ICE-Geschwindigkeit auf mich zu und war aus der eigenen Hälfte startend schneller bei mir, als ich mir den Ball vom nicht vorhandenen linken auf den nur mäßig starken rechten Fuß legen konnte. Als sei er Kilometer weit weg hörte ich noch heute von draußen den Coach, der panisch auf mich ein brüllte „Theisen, abspielen!“ Als ich merkte, dass ich den Ball nicht mehr rechtzeitig würde passen können, wartete ich auf Takahashi und versuchte in meiner Not einen unmöglichen Beinschuss. Aber als ich den Kopf hob um seine Beine auszugucken, war Takahashi schon da. Und nur einen kurzen Moment später war er schon wieder weg, mit dem Ball am Fuß auf dem Weg zum 1:0 – der Auftakt zu meinem ganz persönlichen Fußball-Desaster. Takahashi schoss in den ersten 20 Minuten des Spiels drei Tore selbst und bereitete noch zwei vor. Der Coach wechselte mich nach 20 Minuten aus, woraufhin ich mich schneller duschte als ich vorher auf dem Platz geschaltet hatte und wieder an die Theke im Vereinsheim ging, wo man mich mit großen Lachsalven empfing.

Keine Frage: In Straß dürfte heute kein Denkmal von mir stehen. Dafür habe ich einfach zu wenige Bäume ausgerissen. Und trotzdem musste ich herzhaft lachen, als ich nun den Spielbericht zur Niederlage der Zweiten von Moses Sichone las. Denn: Trotz des Strasser Sieges schien ein Aachener Alemanne einen bleibenden Eindruck in Straß hinterlassen zu haben – erneut ein Mann aus Japan. Ryo Suzuki, der mir schon im Spiel der ersten Mannschaft gegen Ahlen positiv aufgefallen war, hatte die beiden Auswärtstreffer der Aachener geschossen. Kurz dachte ich an seinen armen Gegenspieler und fragte mich, ob er wohl vorher mit Gregor Bergs und Thomas Stick an der Theke gestanden hatte. Aber dann verwarf ich den Gedanken auch gleich wieder. Wahrscheinlich macht man so etwas in der Landesliga nicht mehr. Und dann dachte ich an Yoshi Takahashi, an Gregor Bergs, an den Coach und daran, dass es mal wieder Zeit wird die Sportwoche in Straß zu besuchen. Nur die Sporttasche, die lasse ich dann besser gleich im Kofferraum.

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