Interview mit Helge Hohl
Die Alemannia hat in der vergangenen Woche ihren neuen Sportdirektor vorgestellt. Der 30-jährige Helge Hohl übernimmt das Amt ab sofort. Nach Trainerstationen beim SV Bergisch Gladbach 09, Hertha Walheim und dem Euskirchener TSC arbeitet er nun an der Seite von Geschäftsführer Sascha Eller und Cheftrainer Fuat Kilic.
Helge, wie bist du in der Alemannia-Familie nach einer Woche am Tivoli aufgenommen worden?
Sehr herzlich. Ich hatte im Vorfeld viele Gespräche mit dem Aufsichtsrat, Geschäftsführer Sascha Eller und Trainer Fuat Kilic. Fuat und ich kannten uns zuvor nur aus den direkten Duellen mit Bergisch Gladbach und Alemannia Aachen. Am Dienstag vergangene Woche habe ich mich der Mannschaft vorgestellt. Ich lerne jetzt nach und nach alle, auch auf der Geschäftsstelle, besser kennen. Darauf freue ich mich.
Im Dezember hast du dein Amt als Trainer des Mittelrheinligisten SV Bergisch Gladbach 09 niedergelegt und jetzt eine neue Aufgabe bei der Alemannia angenommen. Was macht für dich den Reiz aus?
Die Alemannia ist in ihren Strukturen und den Begebenheiten nicht mit Bergisch Gladbach vergleichbar. Es ist ein großer Verein mit viel Tradition und nach wie vor großer Strahlkraft. Ich durfte als Trainer hier in den letzten Jahren häufiger vorbeischauen und konnte diesen Verein auch so miterleben. Auch während meiner vierjährigen Tätigkeit bei Hertha Walheim war ich in der Region unterwegs und habe die Alemannia natürlich besonders stark wahrgenommen. Dieser Verein hat mit seinen Fans und dem Umfeld trotz der zuletzt schwierigen Jahre nach wie vor großes Potenzial. Das wieder zu entfachen, ist an der Aufgabe reizvoll.
Du warst jahrelang als Trainer tätig, warum wechselst du jetzt den Job hin zum Sportdirektor?
Ich war in den letzten 14 Jahren als Trainer tätig. Dieser Job ist schnelllebig, es geht immer Schlag auf Schlag. Natürlich hat man als Trainer auch die mittel- und langfristige Situation vor Augen, aber geprägt wird die tägliche Arbeit immer vom bevorstehenden Spiel. Für das Strategische bleibt da im Tagesgeschäft wenig Zeit. Ich freue mich, dass dieser Aspekt jetzt im Vordergrund steht und ich den Fußball aus einem anderen Blickwinkel sehen kann. Ich denke, dass mir die Erfahrungswerte als Trainer und auch als Sportdirektor in Personalunion bei Bergisch Gladbach helfen werden.
Damit bildest du gemeinsam mit Fuat Kilic und Sascha Eller eine neue Führungsspitze bei der Alemannia, was erhoffst du dir von diesem Trio?
Wir wollen hier etwas entwickeln. Sascha Eller und ich haben jetzt andere Aufgaben, aber auch bei diesen hilft uns der Trainer-Blick, den wir aus unserer vorherigen Tätigkeit haben. Das hilft, den Trainer besser zu verstehen, weil man viele Dinge als Trainer selbst erlebt hat. Ich sehe das als große Chance. Wir haben damit aber auch mehr Möglichkeiten, weil wir zum Beispiel alle auf unterschiedliche Quellen zurückgreifen. Jeder von uns kennt unterschiedliche Spieler und hat verschiedene Kontakte. Das wollen wir gemeinsam nutzen und an einem Strang ziehen.
Was ist dir in deiner Arbeit als Sportdirektor in den nächsten Wochen und Monaten wichtig?
Die erste Phase wird ein tiefergehendes Kennenlernen sein. Klar, kenne ich den Verein aus meiner Zeit als Trainer in der Regionalliga. Aber es geht darum, das Funktionsteam, die Geschäftsstelle, das Team hinter dem Team besser kennenzulernen. Und dann ist natürlich das oberste Ziel der Klassenerhalt. Das ist das Allerwichtigste. Diesem Ziel muss man vieles unterordnen. Darüber hinaus gilt es aber auch, weiter an der Perspektive zu arbeiten - in dem Dreier-Team mit Fuat und Sascha. Es bedarf natürlich immer viel Austausch, das muss man Step-by-Step angehen.
Der neue Vorstand von Alemannia Aachen hat unter anderem bei seiner Wahl im Oktober das Ziel ausgegeben, mehr auf junge Talente aus der Euregio zu setzen. Wie setzt du das in die Praxis um?
Natürlich ist der Wunsch immer, dass wir viele junge, talentierte Spieler in der Profimannschaft haben. Allerdings gibt es auch schon Spieler wie Vleron Statovci und Aldin Dervisevic, die es von der Jugend ins Regionalliga-Team geschafft haben. Generell braucht dieser Prozess Zeit. Wir wollen möglichst bald auch wieder in andere Tabellenregionen kommen und das wird man nur mit jungen Spielern nicht schaffen. Da gilt es einen guten Mittelweg zu finden. Als Beispiel: Warum muss es ein Spieler für die Alemannia sein, der irgendwo in Deutschland spielt, wenn wir auch Jungs aus der Region, die ein ähnliches fußballerisches Niveau mitbringen, an die Alemannia binden können? Das ist der Weg, den wir gehen wollen.
In deiner Vergangenheit warst du unter anderem bei Hertha Walheim und dem Euskirchener TSC Trainer. Was hast du in dieser Zeit gelernt?
Ich habe in allen Bereichen dazugelernt. Nach meiner Trainertätigkeit weiß ich, dass eine Mannschaft einen gewissen Charakter und Spirit braucht. Gewisse Typen sind in einem Team wichtig. Es muss vieles bei einer Kaderzusammenstellung greifen, das ist das A und O. Oft ist es so, dass eine Mannschaft, die einfach zueinander passt, besser spielt, als eine, die zwar individuell bessere Spieler hat, aber nicht als Team funktioniert. Das ist ein wichtiger Erfahrungswert, den gilt es in die Arbeit einzubringen. Und ich denke, dass die personellen Veränderungen im jetzigen Team, die Sascha und Fuat vorangetrieben haben, auch in den ersten Spielen schon Früchte getragen und das weiter tun werden. Die Mannschaft entwickelt sich zu einer Einheit, eine neue Mentalität entsteht. Die zwei Auftaktsiege, das Unentschieden in Wiedenbrück und der Sieg gegen Homberg waren extrem wichtig und zeigen auch wieder, dass Erfolg einfach wichtig ist. Damit entwickelt es sich schnell zum Positiven.
Du hast den Weg als Trainer früh eingeschlagen, während andere selbst noch auf dem Platz stehen, warum?
Ich hatte natürlich wie jeder junge Spieler den Traum, Fußballprofi zu werden. Damals war ich ähnlich ehrgeizi wie ich es heute bin. Ich habe viele Stunden investiert und hatte vielleicht nicht das nötige Talent, um in höhere Ligen zu kommen. Beim Bonner SC war ich mal in der B-Jugend-Bundesliga. Als dann aber die A-Jugend nicht so hoch spielte, bin ich wieder zu meinem Heimatverein nach Euskirchen gegangen. Ich habe dann eingesehen, dass für ganz oben nicht reicht. Damals hat man mir gesagt, dass ich immer ein Spieler war, der eine gewisse Verantwortung übernommen hat. Also kam die Frage, ob ich nicht Lust hätte, als Co-Trainer mal einzusteigen. Das hat mir viel Spaß gemacht und der Erfolg kam auch. Daher bin ich schnell in die Trainerlaufbahn gewechselt. Jetzt freue ich mich auf einen neuen Job, aus einer anderen Perspektive.
Aber im Fuß juckt es nicht mehr, mal im Training mitzukicken?
In Bergisch Gladbach habe ich hier und da mal ausgeholfen, als wir mal wenig Spieler zur Verfügung hatten, aber die Jungs haben mich ziemlich alt aussehen lassen. Da lasse ich jetzt lieber die Finger von.
Welche Erinnerungen hast du als Trainer an den Tivoli? Dein letztes Spiel war eine 3:2-Niederlage im Oktober 2020…
…Ich habe im Profi-Bereich leider schlechte Erinnerungen an die Alemannia. Wir haben ergebnistechnisch nie gut ausgesehen. Aber die Spiele waren immer was Besonderes. Ich war immer von der Kulisse fasziniert. Man kommt auf den Tivoli und spürt dieses gewisse Flair. Darauf hat man sich das ganze Jahr gefreut. Da gibt es auch eine Anekdote von meinem Ex-Verein. Als wir nach meiner ersten Halbserie den Klassenerhalt in der Mittelrheinliga gepackt hatten, habe ich den Jungs für den Sommer einen Trainingsplan mit einem Foto vom Tivoli mitgegeben. Ich habe meinen Spielern gesagt, dass es meine Motivation ist, dort irgendwann spielen zu dürfen. Und tatsächlich haben wir das in dem grandiosen Aufstiegsjahr, in dem wir in der Rückrunde noch acht Punkte aufgeholt haben, geschafft. Wir haben uns dann immer vorgenommen, den Tivoli zu erobern. Das hat nicht geklappt, aber dementsprechend freue ich mich natürlich jetzt, auf der anderen Seite zu stehen.
Und das Bild vom Tivoli brauchst du auch nicht mehr…
…Ja, der Weg vom Büro aus ins Stadion ist nicht mehr weit (lacht).
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