Do, 10. Dezember 2020

Abschied als Vereinspräsident

Interview mit Dr. Martin Fröhlich

Dr. Martin Fröhlich ist seit dem 6. September 2017 Vereinspräsident von Alemannia Aachen. Vorher war er seit März 2017 im Notpräsidium des TSV. Nun hat der Jurist seinen Rückzug aus dem Amt mit den nächsten Wahlen bei der Jahreshauptversammlung im kommenden Jahr angekündigt. Wir sprechen mit ihm über seine Beweggründe, seine Zeit als Präsident und seinen Wunsch, wie er das Amt an seinen Nachfolger übergeben möchte. 

Herr Dr. Fröhlich, Sie treten nicht mehr bei der nächsten Wahl zum Präsidium an, warum haben Sie sich gegen eine weitere Kandidatur entschieden?

Die Entscheidung ist länger gereift, weil das Amt einen enormen ehrenamtlichen Zeitaufwand fordert, der neben Beruf und Familie für mich nur schwer zu bewältigen ist. Ich habe festgestellt, dass ich das nicht noch einmal vier Jahre machen kann. Ich bin meiner Frau Svenja sehr dankbar, dass sie das große Engagement mitgetragen hat. Das war eine schöne, aber auch anstrengende Zeit. Seit dem Antritt hat sich meine berufliche und familiäre Situation weiterentwickelt. Ich würde eine weitere Amtszeit nicht nochmal vier Jahre mit dem gleichen Engagement und Zeitaufwand ausüben können. Daher ist für mich jetzt der richtige Zeitpunkt, frühzeitig für Klarheit zu sorgen, damit sich ein neues Gremium finden kann. 

Welche Rolle spielt Ihr Nachwuchs bei Ihrer Entscheidung?

Der spielt eine ganz entscheidende Rolle. (lacht) Unser Sohn Jakob ist vom Tag der  Geburt an Alemannia-Mitglied und hat begeistert drei, vier Spiele der Schwarz-Gelben mitverfolgt. Neben meinem Beruf möchte ich mehr Zeit mit meiner Familie verbringen. Damit ist ein so zeitintensives Ehrenamt nur sehr schwer vereinbar.

Sie sprechen von einem zeitintensiven Job bei der Alemannia. Wie blicken Sie auf die vergangenen gut drei Jahre zurück?

Da ist eine ganze Menge passiert, was vermutlich für ein Buch reichen würde. Wir haben als Vorstand den Verein übernommen, als der Spielbetrieb noch im laufendes Insolvenzverfahren unter Dr. Christoph Niering stand. Ich war zunächst noch in einem Not-Präsidium, bis wir dann im Herbst 2017 von den Mitgliedern gewählt wurden. Wir hatten das Ziel, den Spielbetrieb aus der Insolvenz zu führen. Das ist uns in einem sogenannten “Asset-Deal” geglückt, in dem man die einzelnen Wirtschaftsgüter auf eine neue Gesellschaft überträgt. Ich mache solche Unternehmenstransaktionen in meinem juristischen Beruf regelmäßig. Im Fußball hat es das meines Wissens in dieser Form noch nicht gegeben. Im Anschluss daran haben wir den Spielbetrieb stabilisiert und uns vor allem wirtschaftlich weiterentwickelt. Mit unserem Sportdirektor Thomas Hengen sind wir den nächsten Schritt gegangen. Dann kam die Corona-Krise, das dominierende Thema in diesem Jahr. Es war lange völlig unklar, wie es weitergeht, ob wir das als Viertligist wirtschaftlich überleben können. Wir haben monatelang für eine staatliche Förderung durch die Landesregierung geworben. In dieses Projekt habe ich zusätzlich persönlich viel Zeit investiert, was von außen nicht gesehen werden kann. Diese Förderung für den Sport ist konzeptionell bewilligt. Mit der zusätzlich großen Unterstützung der Fans und Sponsoren schaffen wir es,  diese Saison zu bewältigen. Insofern ist jetzt kurz vor Weihnachten mit der wirtschaftlichen Perspektive ein  Zeitpunkt erreicht, bei dem ich guten Gewissens sagen kann, wir haben eine enorme Herausforderung gemeistert.

Bis ein neues Führungsteam gefunden ist, sind es noch ein paar Monate, was nehmen Sie sich noch vor?

Es ist noch eine ganze Menge zu tun. Es sieht zwar gut aus, dass wir mit der Hilfe die Saison zu Ende spielen und diese Krise meistern können. Mein Wunsch ist jedoch, dass wir auch darüber hinaus gut aufgestellt sind. Sicherlich müssen wir uns als Fußballverein weiter professionalisieren und dahingehend Ideen und Konzepte entwickeln. Hier werde ich zusammen mit meinem Team einen weiteren Schwerpunkt der Arbeit sehen. Am Ende haben die Gremien Konzepte zu beraten und, wenn wir so weit kommen, die Mitgliederversammlung muss darüber entscheiden. 

Wie viel Freude hat Ihnen das Amt als Vereinspräsident bei all der Arbeit bereitet?

Mir hat das Ehrenamt in den vergangenen Jahren sehr viel Freude gemacht. Das waren tolle Erfahrungen. Ich wollte damals Verantwortung für meinen Herzensclub übernehmen und eine Perspektive für unsere Alemannia  aus der Insolvenz mitgestalten. Das ist uns gelungen. Natürlich gab es sehr schwierige Situationen, das gehört dazu. Aber natürlich freue ich mich darauf, wenn ich dann ein Spiel der Alemannia als einfacher Zuschauer genießen kann und nicht immer gleich bedenken muss, welche Konsequenzen  Zuschauerzahlen und Spielergebnis für uns haben.

Damit fällt wahrscheinlich auch viel Druck ab, oder?

Ja, ganz klar. Wir haben ja das ein oder andere Mal zwar nicht den Abgrund angesteuert, aber doch die gefährliche Klippen umschifft. Das Insolvenzverfahren und der bisherige Verlauf der Corona-Krise haben viel Kraft gekostet. Es waren viele Entscheidungen zu treffen , mit denen wir es uns nicht immer einfach gemacht haben.  Ich glaube, dass wir als Führungsteam einige schwierige Situationen gemeistert haben.

Dann wünschen wir Ihnen zum Abschied nochmal einen vollen Tivoli mit Fans…

...das wäre tatsächlich ein sehr schönes Abschiedsgeschenk. Ich habe als kleiner Junge auf den Schultern meines Vaters die Tivoliatmosphäre eingesogen, danach die unvergessliche Zeit mit Werner Fuchs und den Aufstieg der Alemannia in die 1. Bundesliga erlebt. Wer das erfahren hat, bleibt ein Leben lang begeisterter Alemanne.

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