Sa, 4. August 2018

Arschbombe der Hoffnung

Die Kolumne von Sascha Theisen

Urlaube sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Verbrachte man einst noch ganze Tage dieser wertvollsten Zeit-Oase des Jahres damit, in große und kleine, meist südländische Zeitungsläden zu stiefeln, um dort mit Händen und Füßen zu erklären, dass man auf der Suche nach dem KICKER sei, sieht die Welt heute ganz anders aus. Denn während man sich einst nach erfolglosen Versuchen aus purer Verzweiflung dann eben das einheimische Fußballfachblatt in der eigentlich nicht zu identifizierenden Landessprache kaufte, trägt man die überregionale und die lokale Fußball-Nachricht mittlerweile souverän in der Hosentasche. Klar: Ab und an telefoniert man damit, aber wer braucht derart telekommunikativen Quatsch schon wirklich? Wie auch immer – alles ist mit der Zeit etwas weniger mühsam geworden, was irgendwie ja auch zum Alter passt und ja auch durchaus Vorteile hat. Denn alles, was man zum Beispiel über Alemannia wissen muss, soll oder kann, gibt es eben auf dem Display des Vertrauens: die Leistungsdaten des neuen Verteidigers aus Koblenz, die etwas rar gewordenen Transfergerüchte und gerne auch im bewegten Bild das Interview mit dem Trainer vor der Abreise zum Saisonauftakt beim Liga-Favoriten. Bei aller südländischen Kiosk-Nostalgie, die eben am Ende doch nur zur „Gazzetta dello Sport“ geführt hat, ist das alles doch gar nicht mal so schlecht.

Erst letzte Woche dachte ich das wieder, als Alemannia zum Auftaktspiel der Regionalliga West ins hässliche Köln-Höhenberg reisen musste, während ich an einem veritablen italienischen Pool abwechselnd dem Live Ticker auf meinem Smartphone folgen sowie der ostdeutschen Cindy auf den Hintern starren konnte. Kurze verzweifelte Arschbombe zur Halbzeit, haarscharf an Cindy vorbei, als gerade das 0:2 gefallen war und eine weitere „Arschbombe der Hoffnung“ als der Anschlusstreffer fiel. Wenn Du Deinen Söhnen erklärst, dass Arschbomben Alemannia Glück bringen – auch und gerade im Urlaub – dann scheppert es in der schwarz-gelben Lagune und die Zuversicht auf den Ausgleichstreffer steigt mit jeder Fontäne. Das Leben muss halt nicht immer eine Blutgrätsche sein, ein bisschen spritziger Pool-Style ist an einem ersten Spieltag auch mal ganz nett. Alemannia im Urlaub kann rocken, auch wenn es keine Dauerlösung sein kann. Denn an diesem ersten Spieltag war „La Dolce Vita“ schnell im Eimer, spätestens als das ernüchternde Endergebnis schließlich feststand. Keine Arschbombe half: beim Schlusspfiff stand es 1:2 in Höhenberg, ausgerechnet im Schatten des Flughafens, was irgendwie auch ein Zeichen dafür war, dass es Zeit für den Rückflug würde. Immerhin: Die Beschreibungen aus dem minutiösen Ticker machten Mut, dass es dieses Jahr am Ende vielleicht doch was zu feiern geben könnte.

Am letzten Tag meines Urlaubs geht es nun vom Pool direkt in die Sitzschale. Und das ist nicht mehr als angemessen. Denn die Wahrheit liegt eben immer noch auf dem Platz. Ein lauer Sommerabend in Aachen, erstes Heimspiel der Saison, gleißendes Flutlicht, ein Schluck vom neuen und hoffentlich kalten Vereinsbier und kein ostdeutsches Hinterteil, dass einen irgendwie ablenken könnte. Fußball, wie er wirklich sein sollte. Denn auch wenn Urlaube nicht mehr ganz das sind, was sie einmal waren, gibt es auch heute noch Dinge auf die man sich verlassen kann. Das erste Heimspiel einer Saison gehört dazu. Du schaust Dir das neue, gewöhnungsbedürftige Trikot im Schatten des heimatlichen Flutlichtes noch einmal etwas genauer an und findest plötzlich gar nicht mehr so schlimm. Du beobachtest den neuen Rechtsverteidiger und überlegst, wohin er die rechte Seite des Tivoli in dieser Saison umpflügen könnte. Und: Du beginnst Dir all die Namen der Neuzugänge einzuprägen, die Du eben aus keinem KICKER geschweige denn der „Gazzetta dello Sport“ kennst. Kurz: Du beginnst Alemannia wieder einmal ganz von vorne – mit all der Skepsis, mit all der Kühnheit und all dem vermeintlichen Sachverstand, den Du jedes Jahr um die Zeit so zusammenraufen kannst. Aber eben auch mit all der Hoffnung, die so typisch ist für diesen Moment des ersten Heimspiels. Denn wer weiß schon, wohin all das in dieser Saison führen kann? Gut, dass der Urlaub vorbei ist. Denn wer braucht schon Arschbomben, um zu gewinnen?

 

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