Fr, 18. September 2015

Das „i“ steht für „Couch“

Die Kolumne von Sascha Theisen zum Spiel gegen Rödinghausen

Steve Jobs ist ja jetzt schon ein bisschen länger tot. Hinterlassen hat der Apple-Guru seiner Nachwelt eine ganze Menge – zum Beispiel einen nahezu unversöhnlichen Groll zwischen Vater und Sohn. Denn mal ehrlich: Bin ich wirklich der einzige, den das blanke Entsetzen packt, wenn nach getaner Arbeit und harten acht Stunden Maloche, der erste Anblick bei der Rückkehr ins traute Heim immer der Gleiche ist: Der Sohnemann, der Thronfolger, der ganze Stolz liegt der Länge nach auf der Couch und daddelt, mit Kopfhörern a la Jerome Boateng auf den Ohren, mit dem iPad, das eigentlich seinem Vater gehört. Das „i“ steht für „Couch“! Und die wiederum steht für den Müßiggang der jungen Generation. Sämtliche Regeln helfen da nicht, denn auch nach peinlich lauten Zurechtweisungen oder strengen Sanktionen, ist das Bild am nächsten Tag immer das gleiche. Der müde Papa hat längst resigniert – ähnlich wie es einst sein alter Herr tat, als auf dem C64 ein Spiel namens „Pooyan“ lief und die „Halbe-Million-Punktegrenze“ bei noch ausstehenden vier Leben just zum Zeitpunkt des Abendessens erreicht wurde und deshalb ein mittleres Erdbeben von Familienkrach im Hause Theisen nach sich zog.

An den Anblick des sich labenden Sohnes musste ich zuletzt im RheinEnergie-Stadion denken, als Alemannia gegen die Apple-Generation des 1. FC Köln antrat. Der Sohnemann selbst saß da neben mir, gelangweilt und offenbar ab Minute 10 zweifelnd, ob es richtig war, angesichts dieses Schlamassels namens Fußball, das sich da unten auf dem gut gepflegten Rasen Müngersdorfs abspielte, auf das geliebte Sofa verzichtet zu haben. Er selbst hatte das in der „Steve-Jobs-freien-Zeit“ am Tag zuvor deutlich besser gemacht, zwei Tore für seinen Heimatverein geschossen und seinem Trainer, der eben auch sein Papa ist, mal wieder alle Argumente genommen, gegen den konfliktgeladenen Müßiggang vom Rest des Tages vorzugehen. Recht hat halt, wer gewinnt!

Vom Gewinnen war Alemannia letzte Woche jedenfalls so weit entfernt, wie Steve Jobs von einem iPhone6, zumal ihr Torwart und ihr rechter Verteidiger offenbar entschieden hatten, sich eine kleine Auszeit zu nehmen. Vielleicht hatten sie am Vortag ja zu lange auf der Couch gelegen, um noch ein bisschen zu daddeln. Wer weiß das schon? Jedenfalls führte das hier ins Desaster, wenn man zwei Niederlagen in Folge als solches bezeichnen darf.

Wie dem auch sei. Als wir nachmittags nach Hause kamen, war klar, wohin der Weg der beiden arg enttäuschten Theisens führen würde. Einmal direkt auf die Couch – nach derart kräftezehrenden 90 Minuten in einem einseitig gefüllten Bundesliga-Stadion wird man sich ja wohl mal ausruhen dürfen. Der Vater war eh zu ermattet, um sich erneut dagegen aufzulehnen. Dessen Weg führte zur Selbstfindung in den geliebten weil so tröstenden Fußballkeller. Ein Mann muss alleine sein, wenn er alleine sein muss. Was für andere kurz vor dem Abschlusstraining zu gelten scheint, gilt für mich vor allem nach unnötigen Niederlagen, die die Aussicht auf einen längeren Regionalliga-Verbleib deutlich erhöhen.

Zum Glück fängt einen in solchen Momenten die Familie auf. Denn so ist es, wenn der i-Sohn tatsächlich aus eigener Kraft den Hintern aus dem Sofa flext, um den Weg in den von innen deprimierten Fußballkeller zu suchen. Ein kurzer Blick zwischen Vater und Sohn zeigte, dass da offenbar doch noch etwas Telepathisches übrig scheint. Denn in stiller Übereinkunft wurde FIFA 2010 aus dem Regal gezogen, um das Gesehene noch einmal frei nach Horst Hrubesch Paroli laufen zu lassen. Heute auf dem Bildschirm: 1. FC Köln vs. Alemannia Aachen und zwar in voller Besetzung. Endergebnis: 2:1 für Aachen, zwei Tore Auer – kein Ernst, kein Löhe, kein Zweifel. Wie befreiend dieses Daddeln doch sein kann! Und am allerbesten: Seit diesem Erfolgserlebnis an einem frühen Sonntag Abend kommt auch der alte Herr wieder viel entspannter nach getaner ins traute Heim zurück und lässt beim Blick auf die voll besetzte Couch den alten Steve Jobs – Gott hab ihn selig – einen guten Mann sein.

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