Di, 16. Mai 2017

Die Blindenreporter vom Tivoli

Ein einzigartiges Projekt in der Regionalliga

"Viele mullen, wenige machen was" - die beiden Freunde gehören zu denen, die gerne anpacken und helfen. Arne und Lukas sind Blindenreporter und Vorstandsmitglieder der Fan-IG. Wir haben die beiden leidenschaftlichen Fans zum Interview getroffen.

Wie war das erste Mal für Euch, wie seid Ihr zu Blindenreportern geworden?

Arne: Ich war schon vor mehr als 10 Jahren als Betreuer von Rollstuhlfahrern am alten Tivoli, oft bei jedem Heimspiel. Das war für mich damals schon ein Ehrenamt. Über ein Zeitungsinterview bin ich auf die Stelle des Blindenreporters aufmerksam geworden. Dann habe ich mich gemeldet und das gemacht. Die Behindertenbeauftragte Petra Köhnen hatte mich vermittelt, seitdem hilft sie uns. Mein erstes Spiel war dann in der Regionalliga West Saison 2014 gegen den SV Rödinghausen. Es war Wahnsinn.

Lukas: Eigentlich hat mich Arne nur mal mitgenommen, weil ich das Thema Blindenreportage interessant fand und mir das alles einmal angucken wollte. Am letzten Spieltag, gegen die Sportfreunde Siegen, ist Arne dann ausgefallen und bat mich für ihn einzuspringen und scheinbar habe ich meine Sache nicht so schlecht gemacht.

Wie einzigartig ist das Blindenradio?

Arne: Das ist verpflichtend in den ersten beiden Profiligen. Das ist zwar nichts was neu ist, aber für Aachen schon was Besonderes. Einmal im Jahr gibt es ein deutschlandweites Treffen mit allen Blindenreportern. Dort sind wir der einzige Regionalligist.

Für wie viele Hörer macht Ihr das mittlerweile?

Arne: Bei Spitzenspielen hatten wir mal sieben Hörer, zurzeit sind es oft drei. Die kennen wir auch persönlich. Das ist uns auch wichtig. So tragen wir bei fast allen Spielen die Empfängergeräte unserer Reportagen aus und treffen sie dann. Es ist schön von ihnen zu hören, dass die Qualität eines Stadionbesuches durch uns gestiegen ist.

Wie groß ist Eure Fanliebe?

Lukas: Die Alemannia war einfach schon immer ein Teil meines Lebens, ein bisschen wie ein weiteres Familienmitglied, über das man sich mal aufregt, dessen Entscheidungen man manchmal nicht gut heißt, dass man aber liebt, als wäre es ein Naturgesetz. 

Arne: Wir sind leidenschaftliche Fans. Mein erstes Spiel war in der Saison 2003/2004 gegen Eintracht Trier, das haben wir mit 2:0 gewonnen. Als Jugendlicher habe ich nicht in Aachen gewohnt, da hat mich mein Opa in den Ferien dann immer öfter mitgenommen. Seitdem stand ich mit meinem Opa im N Block.

Wie bereitet ihr euch vor?

Lukas: Meine Hauptinformationsquelle ist das Tivoli Echo. Natürlich informiere ich mich auch noch über das Internet, zum Beispiel über ehemalige Alemannen in den Reihen des Gegners. Während der Moderation bleibt aber nie viel Zeit für solche Informationen. 

Arne: Zusätzlich schauen wir uns Statistiken zur Alemannia und zum Gegner an. Das Auswendiglernen von Namen haben wir dran gegeben, die gegnerischen Spieler kennt kaum einer. Das ist wahrscheinlich auch der Unterschied zur Bundesliga. Die Herausforderung ist, dem Hörer immer zu sagen, was wo wann passiert. So sagen wir immer genau, wo zum Beispiel der Ball ist oder warum es gerade mal ruhig am Tivoli ist oder auf einmal ganz laut.

Was war das emotionalste Spiel für Euch?

Arne: Das waren zwei Spiele. Einmal blieb das Rekordspiel gegen Rot-Weiss Essen in Erinnerung. Das war von der Stimmung her einmalig. Und dann gab es noch das Spiel gegen Viktoria Köln in der Saison 2014/15, das wir knapp mit 0:1 verloren haben. Das war der schreckliche April, der Genickbruch für die Meisterschaft. Da habe ich gekocht und war gleichzeitig betrübt.

Lukas: Bei mir war es das Pokalspiel gegen Fortuna Köln, wie die Mannschaft da bis zur letzten Sekunde gekämpft hat, war aller Ehren wert. Besonders sind aber auch immer die Spiele, bei denen unsere Technik streikt. Dann stellen wir uns zwischen unsere Zuhörer auf der Rolli-Tribüne, und moderieren von da aus. Da ist man halt besonders nah dran, auch wenn es meinen Stimmbändern nicht gefällt.

Wie schwer fällt Euch in diesen Tagen motiviert über die Spiele zu berichten?

Arne: Wir machen das weiter mit Freude. Wir trennen das voneinander. Aber es muss ja nicht immer Freude sein, die wir vermitteln. Wenn es ein Grottenkick ist, dann sagen wir das auch. Das Schlimmste ist, wenn ein Hörer nach Hause fährt und denkt er hat ein geiles Spiel gesehen, obwohl es ein schlechtes war. Man hört in unseren Reportagen schon, dass wir Alemannia-Fans sind. Allerdings müssen die Übertragungen schon neutraler sein, wenn auch Gäste-Zuhörer da sind – das war in der Regionalliga allerdings noch nicht der Fall.

Was ist für Euch das perfekte Alemannia-Spiel?

Lukas: Flutlicht, Nieselregen, 3:2 gewinnen und kein Trikot bleibt sauber. 

Arne: Das ist, wenn wir mehr Tore schießen als kassieren. Ich finde es schon besonders, wenn die Stimmung im Stadion auf alle übergeht. Das muss aber gar nicht zwingend ein Sieg sein. Das reicht schon, wenn die Jungs auf dem Rasen kämpfen. Und auch das direkte Feedback mit der Anerkennung unserer Hörer genügt oft schon.

Ihr seid seit ein paar Wochen Beisitzer im Vorstand der Fan-IG. Wie kam es dazu?

Arne: Ich habe auf der Facebook-Seite einen Aufruf gesehen. Das war für mich das Prinzip: Mullen oder Machen. Viele mullen, wenige machen was. Es gibt auf der Tribüne gefühlt 1000 Vorschläge, aber nur wenige machen was. Dann habe ich Lukas angerufen und er war direkt dabei. Bei einer Wahl haben wir uns dann vorgestellt und so sind wir zu Beisitzern geworden. Wir wollten einfach mal frischen Wind reinbringen.

Was konntet ihr bisher erreichen und was sind Eure Ziele?

Lukas: Ich finde, dass die Zusammenarbeit bzw. die Gespräche sowohl mit Fans als auch Insolvenzverwaltern und Vorstand, gut funktionieren. Man merkt einfach, dass alle an einem Strang ziehen wollen. Ich will, dass die IG auch ein Sprachrohr wird, über das die Fans ihre kleinen und großen Ideen einbringen können. Es ist schließlich unser aller Verein und deswegen sollten wir ihn auch alle gemeinsam gestalten.

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