Ein Finale im Mai

Niemand trägt mehr Schlüsselbänder – warum auch? Es gibt keinen Grund dafür. Nicht mehr. Denn natürlich war es mal zumindest ein bisschen cool, ein langes Band lässig aus der Hosentasche hängen zu lassen. Eigentlich gab es nicht viel damit auszudrücken. Man dachte halt, es sähe cool aus – gerade an einem Finaltag im Mai.

Heute ist das anders. Schlüsselbänder gibt es nur noch in mittelprächtigen Messehallen als schlechte Werbegeschenke. Als solche landen sie eigentlich direkt nach diesen Messen in irgendwelchen Mülleimern. Meines ist noch im Einsatz. Es trägt immer noch ziemlich stolz all die Schlüssel, die ich so mit mir herumtrage – angefangen beim Schlüssel zum Sportplatz über den für meinen Drahtesel bis hin zum Haustürschlüssel. Mein Schlüsselband habe ich im Berliner Olympiastadion gekauft, damals im Mai in der Hauptstadt.

Direkt vor der Kurve stand der Fanartikel-Bus mit einem „AC“ auf dem Nummernschild und verkaufte schwarz-gelben Kram und es war klar, dass wir irgendwas kaufen mussten. Weil wir von Kopf bis Fuß eh schon den Alemannia-Swag aufgedreht hatten, wurde es am Ende dieses Band. Ich trage es bis heute jeden Tag und es bleibt eine Erinnerung an wunderbar bessere Zeiten – eine Erinnerung an einen Tag, an dem wir bei bestem Wetter in diesem weitläufigen Endspiel-Stadion standen und selbst nach drei Tagen Party nicht den Ansatz eines Katers spürten. Zu groß war dieser Tag im Mai. Finale – wer spürt da schon einen Kater?

Es war schon damals klar, dass es eine einmalige Nummer war, die wir erleben durften. Ein solches Spiel würden wir nie mehr bekommen. 80.000 im Stadion – 25.000 in schwarz und gelb, die ihr Team schon bei der akribischen Inspektion des grünen Geläufs mit Inbrunst und voller Vorfreude begrüßten. Ich hatte mich kurz vorher in Anja Mittag verliebt, die nach dem Pokalsieg ihrer Turbine im Vorspiel etwas arg euphorisch, aber dennoch irgendwie auch ziemlich sexy diese überdimensionale Alemannia-Flagge von der Laufbahn aufhob und sie vor unseren Augen hin und her schwenkte. Was für eine Frau! Später verlor ich sie aus den Augen bis ich sie irgendwann einmal googelte und Schluss machte, wie sie es umgekehrt wohl auch machen würde. An diesem Tag erlebten wir allerdings eine kurze Romanze von der sie niemals erfuhr, was besser so war, weil ich an dem Tag eh keine Zeit für sie gehabt hätte. Noch heute frage ich mich oft, ob der Tag und vor allem die Nacht danach anders verlaufen wäre, wenn wir dieses Spiel gewonnen hätten. Wahrscheinlich nicht. Ist am Ende aber auch egal. Es war perfekt, wie es war und man soll nicht nachkarten.

Jedenfalls geht mir dieses unvergessliche Spiel in diesen Tagen mal wieder oft durch den Kopf. DFB Pokal, Ko-Modus, Alles-oder-Nichts, die Aussicht auf Berlin im Mai. Wie im letzten Jahr sind wir nur ein einziges Spiel davon entfernt. Nur ein Spiel entfernt von Flutlichtabenden zu Hause gegen Eintracht Frankfurt, die wir im Elfmeterschießen für uns entscheiden. Nur ein Spiel entfernt von Kopfballaufsetzern gegen dieses Bayern München. Nur ein Spiel entfernt von knappen Siegen in Erfurt und epischen Kantersiegen gegen abkömmliche Brauseklubs. Nur ein Spiel entfernt.

Mit dem Spiel heute geht eine Heim-Saison zu Ende, die zugegeben Höhen und Tiefen hatte, die Hoffnung machte und sie hin und wieder auch mal wieder zerstörte. Es geht eine Spielzeit zu Ende, die uns zwar nicht in die höhere Liga brachte, aber eine die auch nicht verloren war. Denn es ist eine Saison, in der Alemannia eine Mannschaft ins Rennen schickte, die es in den SFB Pokal schaffen kann. Immerhin. Und wenn es gelingt, ist das mehr als man eigentlich erwarten durfte. In drei Wochen in Bonn steht ein Tag für Schlüsselbänder auf dem Programm – Schlüsselbänder, die eigentlich niemand mehr trägt. Eigentlich..