Fr, 15. September 2006

Ein Mann mit einem Konzept

Jupp Heynckes will bei Borussia Mönchengladbach mit festen Strukturen in sportlicher Hinsicht etwas aufbauen. Jugend, Erfahrung und Qualität

Borussia ist natürlich ein Traditionsklub. Hier bin ich als Spieler und später als Trainer groß geworden. Ich habe über all die Jahre zu den Verantwortlichen immer einen guten Kontakt gepflegt und als mir das Konzept für die Zukunft des Vereins nahe gebracht wurde, erschien mir diese Aufgabe als sehr reizvoll. Und es hat sich bisher alles bestätigt, es macht mir sehr viel Spaß, hier zu arbeiten.

Was hat sich in dieser langen Zeit am Niederrhein verändert? Der Verein hat ja eine beachtliche Wandlung vollzogen.

Sicherlich! Hier herrschen fantastische Arbeitsbedingungen, die sportliche Infrastruktur ist herausragend und mit dem neuen Stadion hat Borussia natürlich auch ganz andere Möglichkeiten.

Und wie haben Sie sich selbst verändert? Beobachter behaupten, Sie seien entspannter geworden.

Solche Aussagen sind übertrieben. Ich denke, jeder Mensch entwickelt sich beruflich und menschlich im Laufe seines Lebens weiter. Da bin ich natürlich keine Ausnahme.

In den vergangenen Jahren kamen und gingen in Gladbach die Trainer, zahlreiche Spieler wurden verpflichtet. Mit welchen Mitteln wollen Sie der Borussia die dringend notwendige Kontinuität verpassen?

Mit einer ganz klaren konzeptionellen Arbeitsweise. Wir wollen wieder mit festen Strukturen in sportlicher Hinsicht etwas aufbauen. Dabei möchte ich meine Fußballphilosophie einbringen und im Trainerteam so optimal wie möglich zusammenarbeiten und die Fußballer weiterentwickeln.

Wer bei der Borussia arbeitet, muss auch mit den Erwartungen im Umfeld des Klubs klarkommen. Fällt das einem erfahrenen Trainer wie Ihnen leichter, wenn man Real Madrid und Bayern München kennt?

Das hat mit Real Madrid oder dem FC Bayern nichts zu tun. Ich kenne Borussia in und auswendig, ich kenne die Zuschauer, die Fans und ich habe es bisher immer verstanden, mich auf die jeweilige Situation im Klub einzustellen.

Mit Compper, Kahê, Polanski, Rafael, Jansen oder Sverkos haben sie viele junge Spieler in Ihrem Kader. Wie viel Jugend verträgt eine Bundesligamannschaft aus Ihrer Sicht?

Man braucht eine Symbiose zwischen älteren, erfahrenen und jungen Spielern. Wichtig ist, dass man eine gut funktionierende Mannschaft hat, die von allem etwas beinhaltet: Jugend, Erfahrung und natürlich auch Qualität.

Ihr Kapitän und Leitwolf Kasey Keller steht zwischen den Pfosten. Wünschen Sie sich einen ähnlichen Charakter nicht auch auf dem Feld?

Man muss Folgendes immer berücksichtigen: Kasey ist 36! Er bringt eine immense Erfahrung mit. Ein Feldspieler erwirbt sich mit seiner Erfahrung diesen Status und ich habe einige Spieler in meinem Kader, die seinen Platz in der Hierarchie irgendwann einnehmen werden.

Sie haben mit dem FC Bayern zweimal die Deutsche Meisterschaft und mit Real Madrid die Champions League gewonnen. Bilbao und Teneriffa führten Sie ins internationale Geschäft, die Borussia in den Achtzigern ebenfalls. Was war im Rückblick auf Ihre lange Karriere der größte Erfolg? Welche Trainerstation war die Schönste?

Der größte Erfolg als Trainer ist sicherlich der Gewinn der Champions League, aber die erste Deutsche Meisterschaft mit Bayern München damals war mir genauso wichtig. Ehrlich gesagt kann ich keine Klubs herausstreichen. Es hat mir überall großen Spaß gemacht zu arbeiten. In Mönchengladbach habe ich die Chance bekommen, als Trainer ins Fußballgeschäft einzusteigen und es gab außergewöhnliche Situationen, wie beispielsweise in Bilbao mit der baskischen Mentalität. Auch das war sehr reizvoll.

Die Borussia schleppt seit ewiger Zeit eine Auswärtsschwäche mit sich herum, die aus unserer Sicht natürlich noch ein Spiel andauern darf. Wo sehen Sie die Gründe dafür und welche Möglichkeiten hat ein Trainer in einem solchen Fall?

Was in der Vergangenheit war, kann ich nicht beurteilen, da ich nicht für die Mannschaft verantwortlich war. Rückblickend kann ich nur sagen, dass meine Mannschaften immer sehr auswärtsstark waren und ich hoffe, dass ich auch hier meine Art Fußball zu spielen umsetzen kann.

Sie treffen heute mit Michael Frontzeck auf einen alten Bekannten, der Jahre lang unter Ihnen gespielt hat. Ausgerechnet gegen Borussia Mönchengladbach absolviert er sein erstes Spiel als Cheftrainer. Eine besondere Situation?

Ich freue mich für Michael Frontzeck, dass er die Aufgabe bei der Alemannia übernehmen darf. Er hat als Co-Trainer unter erfahrenen Leuten wie Hans Meyer und Ewald Lienen sehr gute Arbeit gemacht. Für ihn ist es ein logischer Schritt, dass er nun eine Mannschaft als Cheftrainer übernimmt und ich wünsche ihm für diese Aufgabe viel Erfolg.

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