Der Aufsichtsratsvorsitzende will die jährliche Belastung für den Tivoli halbieren: „Wir wollen nicht jedes Jahr dieselben Probleme wälzen.“
Herr Heyen, was sagt der Aufsichtsratsvorsitzende zum Aufschwung bei der Alemannia?
Wie alle Fans bin ich auch begeistert von der Art und Weise wie unsere Mannschaft derzeit auftritt. Es macht einfach Spaß, diesen Jungs zuzugucken. Sportdirektor, Trainerteam, Mannschaft – das alles macht einen sehr homogenen Eindruck.
Auch abseits des Rasens gibt es Neuigkeiten. Die komplette Verwaltung und Stück für Stück alle Aktiven werden im Stadion untergebracht. Reicht dort überhaupt der Platz?
Den Gedanken hatte ich zuerst auch. Als Frithjof Kraemer mir zum ersten Mal von seiner Idee berichtete, hat er mich zu einem Rundgang mitgenommen. Ganz ehrlich: Ich war überrascht, welche Möglichkeiten der Tivoli noch bietet.
Was haben Sie denn entdeckt?
Es gibt fertig ausgestatte Aufenthaltsräume mit kompletter Küche, die nur am Spieltag von der Polizei genutzt werden. Oder die Umkleiden: Hostessen und Ordner verfügen über Räume, über die sich unsere Jugendmannschaften sehr freuen werden. Es ist alles vorhanden. Und jetzt werden wir es auch nutzen.
Dennoch müssen an der einen oder anderen Stelle Kompromisse gemacht werden.
Sicher, wir rücken alle ein Stück näher zusammen, aber es war auch das erklärte Ziel, irgendwann wieder alle Mitarbeiter unter einem Dach zu haben. Erik Meijer und sein Team ziehen im Januar in den bisherigen Medienarbeitsraum, dafür werden die Journalisten an Spieltagen künftig alle im Pressekonferenzraum versorgt. Das ist in den meisten anderen Stadien auch so. Auch im Käfer Klub entstehen Büros, so dass wir für die Kinderbetreuung am Spieltag eine andere Lösung finden müssen. Aber wir verbessern uns auch: Jene Abteilungen, die in direktem Kontakt mit unseren Fans arbeiten, werden auf der Rückseite des Alemannia-Shops untergebracht. So entsteht an der Krefelder Straße ein zentraler Servicepunkt – egal ob jemand ein Ticket kaufen will oder eine Frage zur Mitgliedschaft hat.
Und ganz nebenbei spart der Klub Miete und Betriebskosten in sechsstelliger Höhe?
Das ist schön, aber nur der positive Nebeneffekt. Durch das Auslaufen des Nutzungsvertrages für den alten Tivoli war klar, dass wir für die Lizenzspielerabteilung ab Anfang 2011 eine Lösung finden müssten. Die Frage war nur: Insellösung oder der große Wurf, um die Situation für alle zu verbessern? Wir haben uns für das zweite entschieden.
Was bedeutet das für das angefangene Leistungszentrum? Dort ruht die Bautätigkeit.
Unsere ursprünglichen Planungen und die vertraglichen Abmachungen liefen darauf hinaus, schon längst dort eingezogen zu sein. Das ist nicht der Fall und derzeit auch nicht absehbar, was nicht unser Versäumnis ist. Bevor wir auf den Tag X warten, mussten wir jetzt eine temporäre Lösung schaffen, die uns sehr vorteilhaft erscheint. Alles andere warten wir mal in Ruhe ab.
Am vergangenen Freitag waren sie zu Gast im Rathaus bei Oberbürgermeister Marcel Philipp. Wie war das Gespräch?
Äußerst angenehm. Aber wie sollte es 36 Stunden nach unserem Pokalerfolg gegen Mainz auch sein? Ich habe das Gefühl, dass sich das Klima in den letzten Monaten deutlich gebessert hat. Die Stadt sieht, wie seriös wir mit unserer Situation umgehen, und die Alemannia verspürt große Dankbarkeit für die Unterstützung von städtischer Seite.
Sie sagen, der Klub geht seriös mit der Situation um. Was heißt das?
Das bedeutet, dass wir alles tun, um sportlichen und wirtschaftlichen Erfolg zu haben, ohne Risiken einzugehen. Wir haben im Sommer eine Bürgschaft erhalten und den Etat reduziert. Trotzdem begeistert die Mannschaft und wir sprechen heute bereits wieder über Investitionen in die Trainings-Infrastruktur, die sich im siebenstelligen Bereich bewegen. Wir stehen kurz davor, diese zu realisieren. Das schafft man nur, wenn man seriös arbeitet. Wir haben im ersten Halbjahr 2010 einen Überschuss von knapp 75.000 Euro erwirtschaftet.
Welche Ansatzpunkte sehen Sie noch?
Herr Kraemer hat einen Katalog vorgelegt, mit dem wir unsere Kosten reduzieren wollen. Im letzten Jahr sind drei Vollzeitkräfte im Ticketing ausgeschieden, in diesem Bereich haben wir heute nur noch einen fest Angestellten. Bei der Stadion GmbH reduzieren wir das Personal planmäßig ebenfalls. Wo es sich lohnt, werden wir aber auch expandieren: Seit Inbetriebnahme des Stadions haben wir im Bereich „Tivoli Business & Events“ einen Umsatz von 1,4 Millionen Euro gemacht. Das geht nur mir gutem Personal, das die Veranstaltungen plant und durchführt. Dort erhalten wir unheimlich positives Feedback.
Geht es nur ums Personal?
Natürlich nicht. Die Leute auf der Geschäftsstelle arbeiten nach meiner Beobachtung oft schon am Limit, da gibt es klare Grenzen nach unten. Wir brauchen ein schlagkräftiges Team auf der Geschäftsstelle, um die komplexen Aufgaben bei einem modernen Fußballklub zu bewältigen. Und im Gesamtgefüge sind es sicher nicht die Personalkosten, die uns beschäftigen. Die Lage der Alemannia lässt sich relativ knapp zusammenfassen: Wir müssen unheimlich viel erwirtschaften, um einigermaßen sicher über die Runden zu kommen. Die Planzahlen sind sehr hoch, und damit auch der Druck. Durch die 3. Runde im DFB-Pokal können wir es jetzt verschmerzen, wenn statt der geplanten rund 20.000 nur 19.000 Zuschauer im Schnitt kommen würden. Aber das klappt nicht jedes Jahr. Für diese Saison wird es aufgehen, aber wir müssen uns generell viel mehr Luft zum Atmen verschaffen.
Wie soll das gelingen?
Bekanntlich ist das Stadion auf 18 Jahre finanziert, bei einer geplanten Nutzungsdauer von 33 Jahren. Das haben wir uns nicht so ausgesucht, sondern es wird durch die Laufzeit der Landesbürgschaft, die den Kredit absichert, so vorgegeben. Unser klares Ziel ist es, die jährlichen Stadionkosten zu senken – und zwar deutlich. In den letzten Wochen haben wir zig Gespräche mit Menschen aus der Finanzwelt geführt. Alle haben darüber gestaunt, wie stark die Alemannia aufgestellt ist. Die Umsätze stimmen, und wir haben kein einziges Vermarktungsrecht verkauft, was uns alle Möglichkeiten eröffnet. Aber die Experten fallen auch immer vom Stuhl, wenn sie hören, wie hoch die Belastung für das Stadion bei uns als Zweitligist ist. Wohl gemerkt nicht, weil wir schlechte Kaufleute wären, sondern weil die Rahmenbedingungen an anderen Standorten nicht mit unseren zu vergleichen sind.
Wie ist das weitere Vorgehen?
Nach all diesen Gesprächen wissen wir, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir werden sehen, ob es Sinn macht, strategische Partner ins Boot zu holen, die uns bei der Umfinanzierung helfen. Die ersten Schritte haben wir gemacht. Wir haben alles von links nach rechts und von rechts nach links gedreht – mit einem klaren Resultat: Wenn wir nicht jedes Jahr dieselben Probleme wälzen wollen, müssen wir die Kapitalkosten für das Stadion mindestens halbieren.
Das hört sich nach einem gewaltigen Ziel an!
Es ist ein gewaltiges Ziel, aber es ist machbar. Genau das ist doch die Aufgabe des Aufsichtsrates: die strategische Ausrichtung der Alemannia. Ich sehe meinen Auftrag nicht darin, über die Bratwurstpreise zu diskutieren oder wer warum eine Ehrenkarte bekommt. Sehen Sie, unsere jungen Spieler wecken langsam Begehrlichkeiten. Erik Meijer sagt stets: Dann müssen sie halt Geld einbringen und wir holen dafür einen anderen aus der eigenen Jugend hoch. Ich finde das bemerkenswert und stehe zu 100 Prozent hinter seiner Philosophie. Trotzdem müssen wir daran arbeiten, dass wir als Klub irgendwann sagen können: Erik, wenn du willst, dann behalten wir den Spieler hier und holen zusätzlich einen guten Spieler aus der eigenen Jugend dazu. Wenn wir das schaffen, können wir vielleicht auch wieder von der Ersten Bundesliga sprechen.
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