Alexander Klitzpera war einer meiner unerreichten Tivoli-Heros. Warum? Keine Ahnung. Schließlich war der Klitze nicht besonders schnell, technisch versiert oder etwa ein grandioser Stratege. Mein Kumpel Lars – Patenonkel meines Sohnes und jahrelanger Leidensgenosse bei Alemannia – hat es mal ganz gut auf den Punkt gebracht: „Du hast ein gutes Gespür für die wahren Helden!“. Wie auch immer – auf alle Fälle war Alexander Klitzpera jemand, der uns einen dieser immer wiederkehrenden Momente schenkte, die es nur beim Fußball gibt.
Lars, Thomas und ich sind gemeinsam in Düren aufgewachsen, haben den gleichen Mädchen hinterher geguckt, die gleichen Kneipen besucht und irgendwann einmal sogar im gleichen Verein mehr erschreckend schlecht, als sonderlich gut Fußball gespielt. Irgendwann machte das Leben mit uns das, was es mit allen von uns irgendwann eben macht. Aus wilden und gefährlichen Typen werden langweilige Sesselfurzer mit müden Gelenken. Ab und zu mal werden sie zwar noch raus gelassen, dann aber selten gemeinsam – da das Leben ihnen unbarmherzig mitspielt und sie mitnimmt in geregelte Bahnen. Da ist es doch schön, dass es Alemannia gibt. Alle 14 Tage gibt es einen Grund sich zu sehen – etwas, das auch Ehefrauen irgendwann einmal resignierend akzeptieren. Bierchen und Stadionwurst am Stadionaufgang, ein bisschen Fachsimpeln zur aktuellen Tabellenkonstellation, ein schlechtes Witzchen hier, ein gutes da. Wunderbarer Fußball!
„Jetzt macht der Klitze die Nuss!“ – wenn Alemannia eine Ecke bekommt, gehört dieser Satz auch heute noch zur wilden Dreier-Kombo wie der Senf auf die Wurst. Die Rollen sind klar verteilt – der Satz kommt von mir, die Mienen der beiden anderen formen sich zu einem coolen Grinsen, begleitet von der wissenden Antwort, die die Frage wiedergibt: „Jetzt macht der Klitze die Nuss!“. Selten hat der Klitze die Nuss auch wirklich gemacht – einmal gegen den großen FC Bayern und noch ein paar Mal gegen irgendwelche Zweitligisten, wie wir selber einer sind. Aber darum ging es sowieso nie wirklich. Wie anders soll man auch erklären, dass dieser Satz mit ausdauernder Regelmäßigkeit auch heute noch fällt, wenn Alemania eine Ecke bekommt und obwohl Alexander Klitzpera schon lange nicht mehr für Alemannia spielt. Ein Mal kam er noch mit dem FSV Frankfurt zurück zum alten Tivoli und selten habe ich mir einen Abstauber nach einem Eckball der gegnerischen Mannschaft so gewünscht wie in diesem Spiel. Natürlich passierte das nicht – der gute alte Satz fiel aber trotzdem. Und wieder hatten wir damit unser eigenes Ritual gepfl egt: Kurze Ankündigung, wissendes Grinsen, tiefer Schluck, knappe Antwort. Wie schön kann Fußball sein?
In dieser Saison ist alles ein bisschen anders. Denn weder Lars noch Thomas haben ihre Dauerkarte verlängert. Das Leben hat sie offenbar doch etwas fester im Griff als wir alle es wahr haben wollen. Erstmals seit Jahrzehnten fahre ich ohne zwei meiner besten Freunde zum Tivoli. Und auch, wenn ich es sehr genieße stattdessen mit meinem kleinen Sohn zum Spiel zu fahren, ist doch trotzdem etwas verloren gegangen in diesem Jahr, ist doch etwas weg, was fest zum Leben dazu gehörte. Der Fußball und die Alemannia – sie geben uns nicht mehr die Klammer für unsere Freundschaft. Wir sehen uns nur noch selten seitdem, was schade aber unvermeidbar ist. Denn die gleichen Kneipen besuchen wir schon lange nicht mehr, nach Mädchen brauchen wir auch schon lange nicht mehr zu gucken und Fußball haben wir eh noch nie gekonnt. Was bleibt sind die Ecken für Alemannia – denn, wenn die gepfiffen werden, beuge ich mich leicht grinsend zu meinem Kleinen rüber und sage ihm wissend „Jetzt macht der Klitze die Nuss!“. Der allerdings guckt dann eher genervt auf seinen alten Herrn, der schon wieder diesen schlechten Witz zum Besten gibt, über den er sich selbst am meisten freut. Und genau so ist es. Denn: Ich hatte schon immer das Gespür für die wahren Helden!
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