Kolumne von Sascha Theisen
Da leck mich fett mit „o“ – 110 Jahre! Bist ganz schön alt geworden, Alemannia. Also, als ich das letzte Mal 110 geworden bin, spielte die Musik auch nicht mehr so, wie sie sollte. Bei dir ist das irgendwie anders. Nicht nur, dass ich immer noch spitz wie Nachbars Lumpi werde, wenn ich dich besuche – nein, hast auf deine alten Tage doch tatsächlich noch mal per Flugrolle den Satz in den Jungbrunnen getan. Jüngste Mannschaft der Liga, jüngster Trainer der Liga und gleich auch noch eines der jüngsten Stadien der Liga. Bin gespannt, wie du das hinkriegst mit den ganzen Bubis, die jedes Wochenende dein neues altes Wappen auf der Brust tragen. Aber das ist, frei nach Jens Jeremies, Schnee von morgen. Wenn man Geburtstag feiert, soll man sich die Zeit nehmen und kurz Bilanz ziehen. Nichts lieber als das.
Die ersten siebzig Jahre hast du ja ganz gut ohne mich hin bekommen. Gut, dass es im Tivoli die Aue Pröll-Ausstellung gibt, die das alles so gut aufbereitet. Viel von dem, was wir zwei zusammen erlebt haben, passt allerdings nicht wirklich in ein Museum. Etwa der Anruf bei Frank Schmidts Frau Ende der Neunziger, morgens um fünf nach irgendeiner Party, als wir ihr unbedingt stecken mussten, dass ihr Mann einfach früher angreifen muss. Oder die stundenlange Schnipsel-Produktion in den Achtzigern am Wohnzimmertisch meiner Eltern, um ja mit genügend Konfetti zum WüWa gehen zu können. Viel haben wir zusammen gelacht, aber auch geweint. Etwa damals, als mir jemand am Busbahnhof eine Sonderausgabe der Aachener Zeitung in die Hand drückte, die vom Tod Werner Fuchs´ berichtete. Minutenlang saß ich auf irgendeiner Bank und habe geheult wie ein kleines Kind. Schon eine Woche später hast du dann schon wieder meine ganze Euphorie für dich eingefordert, als du in Erkenschwick die Regionalliga-Scheiße ein für alle mal in die ewigen Jagdgründe geschickt hast. Das war nicht ganz einfach damals, aber fließende Übergänge hast du sowieso nie so richtig auf dem Zettel gehabt. Etwa bei der Kohle, denn du bist ja chronisch klamm. Was haben wir damals für eine Party in meiner Kölner WG gefeiert, unter dem Motto „Dein letztes Hemd für Alemannia“. Während Willi, Klitze und Erwin mit der Sammelbüchse durch die Stadt schlenderten, habe ich meine Kumpels – und so viele Alemannen sind da nicht dabei – auf der Benefiz-Party zum Spenden aufgefordert und immerhin knapp 150 Knaller zusammengebracht. Du hast es überlebt, wie so vieles und so viele.
Gemeinsam haben wir viele Siege gefeiert und noch mehr Niederlagen ertragen. Über die reden wir heute aber nicht – auch wenn ich es dir noch heute ein bisschen übel nehme, dass du ausgerechnet bei Carls erstem Auswärtsspiel in Koblenz gespielt hast, wie die „Alte Herren“ von Westwacht. Unvergessen bleiben eh die großen Momente, wie das Unentschieden in meiner Wahlheimat, als die Müngersdorfer Baustelle spontan zum „Emanuel-Krontiris-Stadion“ umbenannt wurde. Oder damals als der Krohm die Nuss gegen Elversberg gemacht hat, oder der Erik gegen Bayern, oder der Kau das Ding gegen Bremen versenkte – ne, wat schön. Am liebsten würde ich gar nicht mehr aufhören, aber du gibst mir ja nur die eine Seite hier.
Jedenfalls: Auch wenn viele dich manchmal anders haben wollten, am Ende bist du doch immer die gleiche geblieben. Zuletzt gegen Mainz habe ich das erst wieder gedacht als einer von dieser lächerlichen Sportstudio-Boygroup vor unserer Kurve den Ball zum Eckball hinlegen wollte und die gesamte Ecke, in der ich sitze, den guten alten „Aaaaaahhrghh“-Erschrecker aus der Tivoli-Mottenkiste holte.
Und das mit dem Jungbrunnen – das machst du schon ganz richtig. Hauptsache, du vergisst nicht, was die letzten 110 Jahre alles passiert ist. Dann ist das, was vielleicht noch kommt, ein bisschen verlockender. Wir werden es erleben – bis dahin aber erst einmal: Auf die nächsten 110 und Glückwunsch! Lass es ordentlich krachen! Ich würde sagen: Wir machen es noch ein bisschen zusammen, altes Mädchen!
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