DFL-Chef erstmals zu Besuch auf dem Tivoli – Klare Worte zu den Stadionkosten
Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Fußball Liga (DFL) ist keiner, der sich jede Woche in einem anderen Stadion blicken lässt, dafür ist der Terminkalender viel zu prall gefüllt. Am Mittwochabend gab Christian Seifert beim Business Talk von Aachener Nachrichten und Alemannia dann doch sein Tivoli-Debüt – und zeigte sich schlagfertig, sympathisch und souverän. Seifert wartete mit hoch interessanten Zahlen auf, die eine Aussage dick unterstreichen: Die Stadionkosten der Alemannia sind zu hoch.
Seifert, als brillanter Rhetoriker bekannt, fand in AN-Chefredakteur Bernd Mathieu, der gemeinsam mit Alemannia-Pressesprecher Thorsten Pracht das Gespräch moderierte, einen Widerpart, der den DFL-Chef ständig aus der Reserve locken wollte. Seifert („Das hat was von Netzer und Delling bei ihnen“) beschrieb seinen persönlichen Weg vom Studenten in Essen (Kommunikationswissenschaften, Soziologie) zum Medien-Manager (MTV, KarstadtQuelle New Media AG) an die Spitze der Bundesliga. Er bekleide „eine der spannendsten Positionen, die es im deutschen Sport- und Entertainment-Geschäft gibt“ bekennt der Vater zweier Töchter. „Wir können uns komplett auf den Profifußball konzentrieren und müssen relativ wenig Kompromisse machen“, nennt Seifert den großen Vorteil der Liga im Vergleich zu einem klassischen Sportverband. Zentraler Bestandteil der Arbeit ist natürlich die Vergabe der Medienrechte an der Bundesliga.
Der Vorsitzende der DFL-Geschäftsführung zeigte anschaulich die gewaltigen Unterschiede im europäischen Vergleich auf: „Wir haben in Deutschland 2,5 Millionen Pay-TV-Kunden, in England sind es 10 Millionen.“ So sei auch die Differenz in den TV-Erlösen (410 Millionen vs. 1,7 Milliarden Euro jährlich) zu erklären. Seifert warb für mehr Chancengleichheit im Sport, sei es durch nationale oder europäische Regelungen: „Da brauchen wir Richtlinien.“ Er lobte die Investitionen der Bundesligisten in die Nachwuchsleistungszentren – aktuell 83 Millionen Euro pro Saison: „Ohne eine funktionierende Bundesliga gäbe es die Nachwuchsleistungszentren nicht. Dort werden 5.000 Spieler ausgebildet, die sind der Fundus jeder Männer-Nationalmannschaft des DFB ab der U15. Ich denke, wir können uns das Selbstvertrauen leisten, darauf hinzuweisen, dass wir der Motor des Ganzen sind.“ Auch die Zweite Liga spiele in der Ausbildung vieler Spieler eine wichtige Rolle: „In der Zweiten Bundesliga sind derzeit über 70 Prozent der Spieler spielberechtigt für deutsche Nationalmannschaften, viele von ihnen sind noch sehr jung. Die Zweite Liga kann man deshalb mit Fug und Recht als Ausbildungsliga für die Erste Bundesliga und die Nationalmannschaften bezeichnen.“
Natürlich waren die Zuhörer gespannt darauf was Seifert, der sich begeistert vom neuen Tivoli zeigte, zu den Problemen der Alemannia mit der Stadionfinanzierung zu sagen hatte. Der Gast aus Frankfurt belegte anschaulich, warum die Schwarz-Gelben die geplante Umfinanzierung dringend in die Tat umsetzen müssen: „Der Durchschnittsumsatz eines Klubs in der Zweiten Liga lag in der Saison 2009/10 bei 17 Millionen Euro. Der Aufwand für die Stadionnutzung lag bei 10 Prozent davon, also 1,7 Millionen Euro. Alemannia Aachen machte in der Saison 2009/10 27 Millionen Euro Umsatz. Wenn man sich die Kennziffern anschaut, ist das eine exzellente Vermarktungsleistung, die hier vollbracht wird. Der Stadionaufwand liegt bei 5,5 Millionen Euro. Das heißt, man liegt beim Umsatz 60 Prozent über dem Durchschnitt, aber beim Stadionaufwand 210 Prozent über dem Durchschnitt. Hier ist also in jedem Fall eine Unwucht vorhanden.“
Seifert setzte zwei weitere Kennzahlen in Relation. „Generell steckt der Durchschnittsklub im deutschen Fußball 40 Prozent seines Umsatzes in den Lizenzspielerkader. Bei der Alemannia sind es nur 25 Prozent.“ Dennoch sei die Entscheidung zum Bau eines neuen Stadions goldrichtig gewesen. „Diese Investition war sicherlich überfällig, denn mittelfristig kommen sie an die Grenzen der Vermarktbarkeit. Wenn wir uns die Einnahmekategorien anschauen, sei es Werbung, Sponsoring, Einnahmen aus VIP-Logen, sind die signifikant gestiegen. Insofern hat die Alemannia alles richtig gemacht. Ich glaube aber, dass der Refinanzierungsplan ein bisschen ambitioniert war“, stellt Seifert fest. Als „außerordentlich ungewöhnlich“ bezeichnet er die 5,5 Millionen jährliche Kosten für das Stadion in der Zweiten Liga. Durchschnittliche Ausgaben für den Kader, überdurchschnittliche für das Stadion – dieses Verhältnis umzudrehen, so lautet der Auftrag an die Alemannia knapp zusammengefasst. „Neutral von außen betrachtet ist es ein Akt der wirtschaftlichen Vernunft, sich das Verhältnis der beiden Zahlen anzuschauen, was ich für die sportliche Leistungsfähigkeit ausgebe und wie viel für das Stadion. Ob dieses Verhältnis nicht justiert werden muss, sei mal dahin gestellt“, sagt Seifert.
Aber der DFL-Geschäftsführer sieht durchaus Potenzial dafür, dass die von der Alemannia bereits angeschobenen Veränderungen von Erfolg gekrönt sein werden. „Aus 5,5 Millionen kann man sicher keine Million machen. Aber wenn sie es auf 3,5 oder 4 Millionen reduzieren, um die sportliche Leistungsfähigkeit auszubauen, dann sichern sie auch den Rückfluss dieser Investition. Ich sage es noch einmal: Momentan darf bei dem Kostengerüst sportlich nichts schief gehen. Aber es gibt gerade auch ein paar Klubs in der Ersten Bundesliga, die nicht davon ausgegangen sind, dass sportlich etwas schief geht“, so Seifert. Durch die jüngsten Erfolge im DFB-Pokal ist die finanzielle Situation bei den Schwarz-Gelben entspannt wie seit langem nicht. Wie entspannt, das sieht man vor allem, wenn man die Situation in Aachen mit der bei anderen Zweitlisten vergleicht: „Das durchschnittliche Eigenkapital der Zweitlisten liegt momentan bei minus 2 Millionen Euro, das der Alemannia bei plus 1,6 Millionen.“ Für Seifert genau der richtige Moment, um das Thema Finanzierung anzupacken: „Man sollte solche Diskussionen immer führen, wenn man nicht den operativen Druck hat. Wenn man irgendwann auf Platz 14 oder 15 steht und denkt die Diskussion dann zu Ende, wird es schmerzhaft. Dann greifen Angst und Panik um sich. Deswegen sollte man die Diskussion führen, wenn man die Zeit dazu hat. Ich denke, dass hier alle Bestandteile erfüllt sind, um eine Win-Win-Situation zu schaffen.“ Auch wenn der Befreiungsschlag beim Thema Stadionkosten noch bevor steht, sie die DFL „froh, dass es einen Verein wie die Alemannia, bei dem Tradition und gute Führung zusammentreffen, in der Zweiten Bundesliga gibt. Man kann diesen Klub sicher als Marke bezeichnen“, schloss Seifert mit einem Kompliment, dass die Verantwortlichen der Alemannia wie auch die anwesenden Gäste gerne zur Kenntnis nahmen.
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