Fr, 26. August 2011

Stecktabellen lügen nicht


„Die Tabelle lügt nicht!“ – dieser Satz ist eine der ältesten Weisheiten des Fußballs. Nahezu auf alles anwendbar – im Fußball selbst wie auch im Parallel-Leben. Worte, die in einer Liga spielen mit ähnlich wertvollen Schätzchen der Mottenkiste wie „Man kann immer nur mit den Mädchen tanzen, die auf der Kirmes sind!“ oder „Haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß!“. Sätze mit Ausrufungszeichen halt. Die Tabelle spielte in meinem Leben schon immer eine große Rolle. Wenn ich an Tabellen denke, dann denke ich vor allem an die Stecktabelle, die gleich neben dem Maradona-Aufkleber von Puma über meinem Bett hing als ich noch ein Kind war. Die Tabelle lag dem Saisonheft des KICKER bei und tut das bis heute. Jeder, der sich auch nur halbwegs ernsthaft mit Fußball auseinandersetzt, sollte das gute Stück schon mal bedient haben. Die Welt war denkbar einfach damals: In der Bundesliga waren es immer der FC Bayern oder der HSV, die ich in Position Eins oder Zwei steckte. Schalke 04 steckte meist ganz hinten fest und der 1. FC Köln irgendwo in der Mitte. In der 2. Liga machte ich mir dagegen immer einen feierlichen Spaß daraus, den ersten Platz bis zum Schluss der Steck-Zeremonie frei zu lassen, um ihn dann mit dem Wappen von Alemannia zu füllen – egal, wo die Jungs tatsächlich gerade steckten. Die Tabelle lügt eben nicht. Aber der Spaß war längst nicht alles, was die Tabelle mir mit auf den Weg gab. Denn nebenbei lernte ich Städtenamen und Vereinswappen kennen, von denen ich sonst niemals auch nur eine Ahnung gehabt hätte. Warum auch sonst hätte ich mich für Metropolen wie Wattenscheid, Worms oder Bayreuth interessiere sollen? Noch heute bin ich übrigens überzeugt, dass ich mein komplettes geografisches Wissen – national wie international – dem Fußball verdanke. Ich würde mich nicht die Bohne dafür interessieren wo La Coruna, Dnjepropetrowsk oder Hafnarfjödur liegen würden, wenn diese Vereine nicht irgendwann mal im Europapokal gegen deutsche Mannschaften gespielt hätten. Wie auch immer – bei uns zu Hause gibt es mittlerweile natürlich auch eine Stecktabelle. Sie hängt im Zimmer meiner Jungs – nachdem sie in den Jahren davor nacheinander turbulente Studenten-WG´s, von hübschen Frauen eingerichtete Küchen und Klo- Innentüren, auf denen ich Zeit meines Lebens verkehrte, schmückte. Und ich mag diese Stecktabelle nach wie vor. Jeden Montagabend sind die Männer im Hause Theisen fest verabredet, um die neue Tabelle zu stecken. Und zwar die der Ersten, Zweiten und Dritten Liga. Das läuft immer nach dem gleichen Schema ab: Ich lese aus dem KICKER Mannschaft und Platzierung vor, die Jungs schnappen sich das dazugehörige Wappen und stecken es in die richtige Position. Das hat unschätzbare pädagogische Vorteile, denn sie lernen so das Lesen über Bilder. Jedenfalls rede ich mir das immer ein. Sage ich „Siebter Platz: VfL Wolfsburg“ geht der Griff zielsicher
zum richtigen Wappen mit dem grünen „W“, das gleich danach fest in der „7“ steckt. In der Zweiten Liga sieht das ähnlich aus: das Wappen des MSV Duisburg? Klar – das mit dem Zebra. Greuther Fürth? Das Kleeblatt natürlich. Und Dynamo Dresden? Sagt doch der Name schon, ist ein „D“ darauf. Natürlich wird auch die Dritte Liga fachmännisch gesteckt. Schließlich kann es nie schaden, wenn man als
Fünf- und gut Zweijähriger schon mal was von Wacker Burghausen oder Preußen Münster gehört hat. Und noch was hat sich nicht verändert in all den Jahren und das ist gerade in diesen schweren Alemannia-Tagen umso wichtiger. In der Zweiten Liga lassen wir immer zwei Plätze frei, bevor das Licht ausgeht und Matratzenhorchdienst angesagt ist. Der erste und der letzte Platz werden erst zum Schluss gesteckt. Wissend schauen wir drei uns dann an. Und die Jungs warten geduldig auf das Kommando ihres alten Herrn, der lange Luft holend und in leicht pastoralem Stil skandiert: „Eeerster Plaaatz“ und schon kommt die Antwort wie aus der Pistole geschossen: „ALEMANNIA AACHEN!“. Und schon hat der FC St. Pauli die rote Laterne am Sack und das wunderschöne

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