Fr, 5. Oktober 2018

Walking in my shoes

Kolumne von Sascha Theisen

Als ich selbst noch Fußball spielte, weil sich mein Knie noch in der prezerstörten Phase befand, waren meine besonderen Momente rar gesät. Aber immerhin: Sie waren da – selten zwar, aber immerhin. Unvergessen und aus heutiger Sicht eigentlich unerklärbar war eine Serie von sage und schreibe drei Spielen, in denen ich ununterbrochen traf. Ich weiß nicht mehr, wie die Gegner hießen oder ob die Tore entscheidend waren, aber ich weiß noch genau, wie die Tore fielen: Abstauber – Weitschuss – Abstauber. Starke Serie! Und sie wurde so belohnt, wie das üblich war, wenn man auf dem Dorf spielte – mit lautem Applaus in der Dorfkneipe, als ich diese am Abend des dritten Spiels betrat. Es war Ruhm für eine kurze Zeit, denn mit dem vierten Spiel verfiel ich wieder in den torlosen Trott und die Dorfkneipe schwieg wieder, wenn ich in ihr trank.

Die Liste der Goalgetter bei Alemannia ist lang. Als Kind sah ich einen Mann namens Helmut Rombach, der an der Seite eines gewissen Jürgen Klinsmann den fünften Rang der Torschützenliste in der zweiten Liga belegte und nach einigen Vereinswechseln nie wieder so traf wie einst am Tivoli.  Andere Mittelstürmer wie der eher kleine Peter Sendscheid oder der deutlich größere aber eher fragil wirkende Markus Feinbier trafen auch häufig, blieben am Ende aber nicht lang genug, um mein seinerzeit noch junges Herz zu erobern. Das gelang dem großen Mario Krohm wie schon mehrfach an dieser Stelle ausgeführt im Sturm. Markus Daun mochte ich ebenfalls sehr, auch wenn er uns zu früh verließ und zu spät zurückkehrte. Taifour Diane, ein Chinese namens Xie Hui oder Jupp Ivanovic waren die nächsten Torjäger in schwarz und gelb, die in schöner Regelmäßigkeit trafen. Sie waren allerdings ein Fliegenschiss gegen diesen Holländer aus Maastricht, der eine Delle in eine Eisenbahnschiene köpfen konnte, auf nassem Rasen die Fünf-Meter-Grätsche auspackte und über eine derart überragende niederländische Theatralik verfügte, das es eine wahre Freude war, ihm zuzuschauen. Eigentlich hätte ich Benny Auer noch mehr schätzen müssen, weil er bewies, dass man auch ohne Geschwindigkeit Torrekorde brechen kann, aber vielleicht war er damit zu nah an meinem Spiel.

Mit all diesen Namen im Kopf warte ich nun schon ein bisschen länger auf diesen einen Torjäger – den Mann, der Netze rauschen und Torhüter zittern lässt. Mit Junior Torunarigha schien der Mann kurzzeitig gefunden, bis er ausgerechnet nach Polen transferiert wurde, um dort in gerade einmal 167 Spielminuten das Treffen einzustellen. Scheiß Kohle, Scheiß Transfer!

So wusste ich vor ein paar Wochen nicht so richtig, was ich davon zu halten hatte, als Alemannia einen neuen Stürmer vorstellte, von dem ich natürlich noch nie gehört hatte, weil er aus der zweiten österreichischen Liga kam. Das offizielle Pressefoto anlässlich seiner Vorstellung geriet zur durchwachsenen Präsentation eines neuen Mittelstürmers, der mit einer roten Baseball-Kappe, die er auch noch falsch herum und etwas bemüht auf seinen Kopf platziert hatte, sein neues Trikot präsentierte. Sollte ausgerechnet dieser Mann, in die Fußstapfen all der großen und kleinen Namen treten? Irgendwie hörte ich aus der Ferne Mario Krohm den alten Depeche Mode Song „Walking in my shoes“ singen: „Try walking in my shoes. You´ll stumble in my footsteps!“

Ein einziger Moment änderte schließlich einiges an meiner Einschätzung und es war gar nicht mal so sehr ein Tor, sondern viel mehr eine gigantische Ballannahme im Spiel gegen Rot-Weiß Essen, die mich überzeugte. Dimitry Imbongo Boele (Wer sucht sich seinen Namen schon aus?) stand mit dem Rücken zu seinem Gegenspieler, hielt sich diesen mit beiden Armen vom Leib, nahm das Leder gleichzeitig an, um es klug weiterzuleiten und sich dann in den freien Raum zu verabschieden – eine Aktion, die hängenblieb. Dass er den Ball ausgerechnet auch noch dahin serviert bekam und entschieden ihn ins Tor bugsierte, war die Kirsche auf der Torte, die ich aber gar nicht mehr gebraucht hätte (auch wenn sie süß schmeckte). Denn irgendwie reichte schon die Ballannahme, die etwas in mir auslöste – ein bisschen Hoffnung in Zeiten, in den die Wirklichkeit „Liga Vier“ heißt.

Kurz dachte ich an Erik, wie er meterweit über den Platz grätscht, an Mario Krohm wie er zwei Verteidiger wegwuchtet, an Benny Auer wie er vor seinem Gegenspieler am Ball ist, obwohl das physikalisch doch gar nicht möglich scheint. Sollte Alemannia vielleicht tatsächlich wieder mal einen Mittelstürmer gefunden zu haben? Trifft er heute, wäre es sein drittes Spiel hintereinander. Starke Serie! Aber was passiert danach? Applaudiert die Kneipe danach oder schweigt sie wieder? Come on, Imbongo!

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