Mo, 19. Dezember 2016

Das etwas andere Fußball-Wochenende

AWO Fanprojekt verbindet Gedenkstättenbesuch mit Hopping-Tour

Das Wochenende ist für aktive Fans und Ultras das Größte, weil dann Spieltag ist und sie ihren Verein unterstützen können. Eigentlich. Denn diesmal ist spielfreies Wochenende. Alemannia Aachen tritt erst am darauffolgenden Dienstagabend zu ihrem nächsten Liga-Match an. Ein guter Grund, sich mal wieder ein neues Stadion und den Support anderer Fanszenen anzuschauen. Auf dem Programm steht ein Drittliga-Spiel in Zwickau. Doch diese sogenannte Hopping-Tour (Anmerkung: „Groundhopping“ meint das schnelle Hüpfen von Stadion zu Stadion, engl. ground = Spielfeld, to hop = springen, hüpfen) ist anders.

Zehn Alemannia-Fans, genauer gesagt Mitglieder zweier Ultragruppen, bestehend aus neun Jungen und einem Mädchen im Alter von 14 bis 19 Jahren, machen sich Samstag früh mit dem AWO Fanprojekt Aachen auf den Weg gen Osten. Vor der fan-spezifischen Weiterbildung steht allerdings der Besuch KZ-Gedenkstätte Mittelbau-Dora auf dem Programm. Die Gedenkstätte, die als Außenstelle des KZ Buchenwald von 1943 bis 1945 existierte und als Arbeitslager zur Bomben- und Raketenproduktion diente, liegt in Thüringen am Rande des Südharzes. Es ist sehr kalt auf dem Feld, auf dem wir Einzelheiten über diesen Ort erfahren. Das Lagergefängnis als Gefängnis im Gefängnis hier, der Appellplatz dort. Der Galgen als öffentliche Hinrichtungsstätte sowie der Platz zur geheimen Exekution. Die Feuerwache, die zynischer Weise eine Auflage der Versicherung war. Im Stollen, den wir als nächstes besichtigen, herrschen zu jeder Jahreszeit  konstante 8 °C. An den Seiten liegen Geröll und viele verrostete Metallteile. Hier wurden die von den Nationalsozialisten entrechteten Menschen u.a. dazu gezwungen, die Flugbombe V1 zu montieren. Anfangs mussten sie auch in den Querstollen auf engstem Raum schlafen. Etwa 60.000 Häftlinge durchliefen das Konzentrationslager. Von ihnen starben ein Drittel durch Ermordung und wegen der menschenunwürdigen Arbeits- und Lebensbedingungen. „Wenn man nicht wüsste, was hier war, dann sieht es aus wie an einem normalen Ort“, meint Leon. Und so können wir nur erahnen, was damals passierte.

Am nächsten Tag geht es von der Jugendherberge Nordhausen weiter ins zwei Stunden entfernte Zwickau. Erste Station ist das Westsachsenstadion. Frank Biel, Mitarbeiter des Fanprojekts Zwickau, kann einige Anekdoten über die ehemalige Spielstätte und vergangene Ereignisse des ostdeutschen Traditionsvereins, der es 1976 sogar bis ins Halbfinale des Europokals der Pokalsieger schaffte, ehe er durch den späteren Sieger RSC Anderlecht aus dem Wettbewerb ausschied, erzählen. Das Sportforum „Sojus 31“, unsere zweite Station, diente für ein paar Jahre als Übergangsstadion. Dritte Station sind die Räume des Fanprojekts Zwickau, in dem die Jugendlichen noch Tischtennis und Billard spielen können. Die Partie FSV Zwickau gegen Preußen Münster findet im vor ein paar Monaten fertiggestellten und 10.000 Zuschauer/innen fassenden neuen Stadion statt. Es ist ein wahrer Abstiegskrimi, denn es tritt der Drittletzte beim Vorletzten der Tabelle an. Das Spiel wird mit einer rot-weißen Konfetti-Choreo der heimischen Fans eröffnet, doch zu ihrem Leidwesen setzt sich der Gast aus Westfalen am Ende aufgrund eines verwandelten Foulelfmeters mit 0:1 durch.

Nach sechs Stunden Heimfahrt erreichen wir am späten Abend Aachen und ein kontrastreiches, interessantes und teilweise nachdenkliches Wochenende neigt sich dem Ende zu. Da aber auch das Miteinander und der Spaß nicht zu kurz kamen, ist die einhellige Meinung der teilnehmenden Jugendlichen: „So eine Fahrt müssen wir unbedingt noch einmal machen!“

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