Drei Niederlagen in Folge, ein emotionales Fantreffen am Montagabend - die Ausgangssituation vor dem Auswärtsspiel beim 1. FSV Mainz 05 könnte wahrlich komfortabler sein. Doch Jürgen Seeberger lässt keine Alibis gelten. „Unabhängig von irgendwelchen Zielsetzungen oder dem Potenzial, das man glaubt zu haben, erwarten wir einfach, dass jeder die nötige Energie bereitstellt, um in Mainz zu bestehen“, so der Coach.
Im Rückblick sieht Seeberger das Treffen mit den rund 300 Anhängern am Montagabend positiv. „Natürlich kann ich mir Schöneres vorstellen. Aber das Wichtigste ist doch, dass man im Dialog bleibt und aufeinander zugeht. Außerdem zeigt so ein Abend, wie hoch die Identifikation der Menschen hier mit ihrem Verein ist“, sagt der Trainer, dem der couragierte Auftritt seiner Spieler vor den Fans gefallen hat. „Natürlich würde ich mir das auch auf dem Platz wünschen, diese Entschlossenheit, sich nicht in sein Schicksal zu ergeben“, sagt der 43-Jährige: „Das ist auch eine Frage des Stolzes.“
In der Woche wurde der gesamte Kader über die „Verabredung“ informiert, die mit den Fans getroffen wurde. Mehr Leidenschaft, mehr Kampf, so lautet das einfache Motto. „Wir haben Wert darauf gelegt, dass auch der Rest der Mannschaft über die Ankündigungen des Kapitäns informiert wurde, wie wir in das Spiel gehen wollen“, erklärt Manager Andreas Bornemann, der gleichzeitig vor einem Überspannen des Bogens warnt: „Es nutzt uns nichts, wenn wir nach 15 Minuten nur noch mit neuen Leuten auf dem Platz stehen. Die Jungs sollen engagiert und mit heißem Herzen spielen, aber mit kühlem Kopf.“
Mit welcher Formation das geschehen wird, lässt Seeberger noch offen. Eine Veränderung wird es mit Sicherheit geben. Top-Torjäger Benny Auer fehlt bei seinem Ex-Klub wegen der fünften Gelben Karte. „Daran müssen wir uns nicht lange aufhalten. Ein Spieler ist gesperrt, also spielt der Nächste“, sagt Seeberger lapidar, der möglicherweise Hervé Oussalé seine erste Bewährungschance von Beginn an geben wird. Ob der Winter-Zugang dabei auf seinen Landsmann Aristide Bancé treffen wird, ist noch unklar. Der FSV-Stürmer aus Burkina-Faso ist angeschlagen. Auch der Einsatz des zweiten Angreifers Srdjan Baljak (Infekt) steht noch auf der Kippe. Unabhängig vom Einsatz der beiden warnt Seeberger vor der physischen Stärke der Mainzer: „Freiburg pflegt eher die feine Klinge. Die Mainzer treten dafür mit viel Power auf, gewinnen viele zweite Bälle und schlagen unheimlich viele Flanken. Da kommt Arbeit auf uns zu. Deshalb ist es umso wichtiger, selbst in die Tiefe zu kommen und Mainz in der Defensive zu fordern.“ Markus Feulner, der in der Woche seinen Wechseln nach Dortmund bekannt gab, hält Seeberger zudem „für den besten Mittelfeldspieler der Liga“.
Die Partie wird geleitet vom 42-jährigen Georg Schalk aus Augsburg. Er wird unterstützt von Thomas Färber und Lothar Ostheimer.
1. FSV Mainz 05: Wache (20. Wetklo) – Hoogland, Bungert, Noveski, Löw – Karhan, Feulner, Pekovic (59. Amri), Soto (46. Borja) – Bancé, Buckley / Trainer: Jörn Andersen
Alemannia Aachen: Stuckmann – Polenz (77. Szukala), Casper, Olajengbesi, Achenbach – Brinkmann, Lehmann, Fiel, Holtby – Oussalé (74. Özgen), Nemeth (87. Milchraum) / Trainer: Jürgen Seeberger
0:1 Brinkmann (30.), 0:2 Brinkmann (44.), 1:2 Amri (69.), 1:3 Özgen (75.), 1:4 Holtby (84.)
Polenz (53.)
Georg Schalk (Augsburg) – Thomas Färber, Lothar Ostheimer
19.400 (davon ca. 1.200 aus Aachen)
heiter bis wolkig, 7 Grad
Stuckmann hält Foulelfmeter von Karhan (90+3.)
Die Alemannia hat den Abwärtstrend eindrucksvoll gestoppt und sich beim 1. FSV Mainz 05 nach einer engagierten Vorstellung mit 4:1 durchgesetzt. Mit einem Doppelschlag (30., 44.) brachte Daniel Brinkmann die Schwarz-Gelben in der ersten Halbzeit in Führung. Obwohl Chadli Amri den Gastgeber nach dem Seitenwechsel noch einmal ins Spiel zurück brachte (69.), geriet der Sieg nicht mehr in Gefahr: Der eingewechselte Abdul Özgen erhöhte auf 3:1 (75.), sechs Minuten vor dem Ende markierte Lewis Holtby den vierten Treffer. Den tollen Erfolg rundete Keeper Thorsten Stuckmann in der Schlussminute ab, der einen von Miroslav Karhan getretenen Strafstoß parierte.
Nach den enttäuschenden Spielen in den letzten Wochen krempelte Jürgen Seeberger seine Startformation auf einigen Positionen um. Vor Keeper Thorsten Stuckmann verteidigte die neu formierte Viererkette um Jerômé Polenz, Mirko Casper, Seyi Olajengbesi und Timo Achenbach. Im zentralen Mittelfeld kehrte Matthias Lehmann an die Seite von Cristian Fiel zurück, Lewis Holtby und Daniel Brinkmann bekleideten die Außenpositionen. Da Benny Auer bei seinem Ex-Klub auf Grund seiner Gelb-Sperre zum Zusehen verdammt war, kam Hervé Oussale zu seinem ersten Einsatz von Anfang an. Zusammen mit Szilárd Nemeth bildete er das Sturmduo.
Mehr Leidenschaft und mehr Kampf hatte Jürgen Seeberger im Vorfeld der Partie gefordert - und die Schwarz-Gelben folgten der Anweisung ihres Trainers umgehend. Immer wieder stemmten sich die Alemannen gegen den Mainzer Powerfußball, und das war in den meisten Fällen von Erfolg gekrönt. Mit dem ersten flüssig vorgetragenen Angriff kamen die Hausherren aber doch zu ihrer ersten guten Möglichkeit: Der stramme Schuss von Markus Feulner verfehlte das Aachener Tor um rund einen Meter (6.). Während es für Keeper Thorsten Stuckmann weiter ruhig zuging, hatten seine Vorderleute alle Hände mit den agilen Mainzer Offensivkräften zu tun. In der 14. Minute blockte Jerômé Polenz den Schuss von Milorad Pekovic, kurze Zeit später klärte Timo Achenbach vor dem einschussbereiten Aristide Bancé.
Als nach rund 20 Minuten FSV-Keeper Dimo Wache den Platz verletzt verlassen musste und Ersatzmann Christian Wetklo ins Spiel kam, drehte sich die Partie - zu Gunsten der Alemannia. Denn der neue Mainzer Schlussmann setzte sich zehn Minuten nach seiner Einwechslung unfreiwillig in Szene: Einen Rückpass spielte Wetklo genau in die Füße von Hervé Oussale, der nicht lange fackelte und den Keeper mit einem harten Schuss prüfte. Den ließ Wetklo zur Seite abprallen, wo Daniel Brinkmann lauerte und zur Führung abstaubte (30.). Die Reaktion der Hausherren dauerte exakt 60 Sekunden: Nach einer Hereingabe von Elkin Soto köpfte Bancé genau in die Arme von Thorsten Stuckmann. Nur drei Minuten später stand Aachens Schlussmann erneut im Mittelpunkt, als er einen Feulner-Schuss aus kürzester Distanz entschärfte.
Die Alemannen lauerten in dieser Phase des Spiels auf Kontermöglichkeiten, und Lewis Holtby sollte eine davon in der 38. Minute erhalten: Den Schuss des Youngsters konnte Wetklo mit letzter Kraft an den Pfosten lenken. Die Schlussphase der ersten Hälfte gehörte den Schwarz-Gelben und wieder stand das Duell Wetklo-Brinkmann im Mittelpunkt: Nach einem mustergültigen Pass von Nemeth legte Aachens Mittelfeldallrounder den Ball im Rutschen am Keeper der Rheinhessen vorbei, so dass es mit einem komfortablen 2:0-Vorsprung in die Kabine ging (44.). Mit Wut im Bauch kamen die Mainzer aus der Kabine, doch erst nach 54 Minuten konnte sich der Gastgeber in Szene setzen: Bance hatte sich bei einer Feulner-Flanke im Rücken von Seyi Olajengbesi weggeschlichen. Der anschließende Kopfball des Angreifers traf, zum Glück für die Schwarz-Gelben, nur den Pfosten.
Im Anschluss folgte die stärkste Phase der Seeberger-Elf: Daniel Brinkmann hatte sich auf dem rechten Flügel in Flankenposition gedribbelt und suchte am langen Pfosten Lewis Holtby. Der nahm das Leder volley und nur dank eines starken Reflexes konnte Wetklo den dritten Gegentreffer verhindern (62.). Für die Vorentscheidung hätte auch der zweifache Torschütze nach dem anschließenden Eckball sorgen können: Brinkmann kam in aussichtsreicher Position frei zum Schuss, doch wieder blieb der Mainzer Schlussmann Sieger. Dass Wetklo sein Team nach einem mustergültigen Aachener Konter, wieder abgeschlossen von Brinkmann, weiter im Rennen hielt, schien seine Vorderleute zu motivieren: Ein langer Einwurf von Miroslav Karhan landete über Umwegen bei Chadli Amri, der das Leder aus sechs Metern über die Line drückte (69.).
Das große Zittern in den Reihen der Schwarz-Gelben währte keine fünf Minuten, da Jürgen Seeberger ein glückliches Händchen bewies. Abdul Özgen war gerade 20 Sekunden auf dem Feld, als Szilárd Nemeth den Angreifer frei spielte und der mit seinem ersten Kontakt Wetklo überwand - 3:1. In der 80. Minute versuchte Feulner den alten Abstand herzustellen, doch Thorsten Stuckmann gewann das Duell mit dem Mainzer Mittelfeldmotor. Auf der Gegenseite zeigte Lewis Holtby, wie man es richtig macht: Mit einem trockenen Schuss ins lange Eck sorgte Aachens Jüngster für die Entscheidung. In der Nachspielzeit erhielt auch Thorsten Stuckmann noch einmal die Chance, sich auszuzeichnen: Schiedsrichter Georg Schalk entschied nach dem Einsatz von Lehmann auf Strafstoß, Aachens Keeper ahnte jedoch die Ecke und parierte den Schuss von Mirolsav Karhan. Das war die letzte Szene in einem denkwürdigen Spiel, dass die Alemannia dank einer gehörigen Portion Leidenschaft mit 4:1 für sich entscheiden konnte.