Noch ist Cheftrainer Jörg Berger weit davon entfernt von einem Endspiel zu sprechen, wenn er an das Spiel gegen den 1. FC Nürnberg am kommenden Montag denkt. "Ob es ein entscheidendes Spiel ist, werden wir aber auch erst am letzten Spieltag wissen. Nur eines ist für mich sicher. Keine Mannschaft in der 2. Liga ist so stark, dass sie die letzten fünf Spiele alle gewinnen wird."
Ziemlich deprimiert sei die Mannschaft aus Bielefeld zu-rückgekehrt. "Wir hatten uns so viel vorgenommen und uns bisher eigent-lich immer sehr gut auf bestimmte Spiele und einen bestimmten Zeit-punkt vorbereiten und konzentrieren können. Aber in Bielefeld lief einfach alles falsch." Eine schlechte Tages-form, ein starker Gegner und schon war eine auch der Höhe verdiente Niederlage perfekt. Doch wer unsere Mannschaft kennt, weiß, dass sie nach solchen Schlappen wie am letzten Montag immer eine
gewisse Trotzreaktion gezeigt hat. "In Nürnberg wird die Spannung noch ganz anders ein. Das Spiel wird emotionaler", ist sich Jörg Berger sicher, "und wir werden auch emotionaler auftreten als in Bielefeld." Dazu muss unsere Mannschaft allerdings anders agieren und Coach Berger will dies mit einer anderen Aufstellung und mit einer anderen Ausrichtung erreichen.
"Unsere Stärke ist nun mal das Spiel nach vorne, aber dafür muss man sich auch im Zweikampf entsprechend verhalten. Mangels Alternativen in der Defensive haben wir das Spiel nach vorne gesucht, aber da muss ich mir selber etwas vorwerfen. Vielleicht haben wir mit zu vielen gleichen Spielertypen im Mittelfeld gespielt." Dies soll am nächsten Montag anders werden. Doch einige personelle Fragezeichen stehen noch im Raum. Wer ist wirklich in der Verfassung einhundert Prozent Leistung zu bringen? Quido Lanzaat war es mit Sicherheit in Bielefeld nach seiner längeren Pause nicht. Jetzt ist der Verteidiger schon wieder eine Woche weiter. Alexander Klitzpera ist gerade erst wieder in das Mannschaftstraining eingestiegen und Dennis Brinkmann hat noch Probleme nach seinem Zusammenprall mit dem eigenen Torwart in der Schlussminute in Bielefeld.
Egal, wie sich die personelle Situation bis zum Spieltag entwickelt, eines steht für Jörg Berger fest: "Wir müssen konsequenter und manchmal auch rustikaler spielen. Wir haben in der Video-analyse gesehen, dass wir uns kaum gewehrt haben." So sieht das auch unser Spielführer Karlheinz Pflipsen: "Bielefeld können wir jetzt nicht mehr ändern. Wir haben uns zwei Tage geärgert, aber das ist jetzt abgehakt. Jetzt müssen wir nach vorne schauen und uns steigern, wenn wir das im Laufe der Saison geänderte Saisonziel doch noch erreichen wollen." Mit dem 1. FC Nürnberg wartet jetzt die heimstärkste Mannschaft der Liga auf die Schwarz-Gelben, ein Fakt, der nicht gerade Mut macht, auch wenn mit dem Slowaken Robert Vittek ein wichtiger Spieler wegen seiner 5. Gelben gesperrt ist. "Das ist eben eine Tatsache, unsere Lücke zwischen Heim- und Auswärtsspielen", weiß unser Kapitän, "aber um Ziele zu erreichen müssen wir uns auch da steigern. Wir wissen, dass es nicht leicht wird, aber wir werden alles versuchen."
Zum dritten Mal gegen den "Club"
Etwas ungewöhnlich, aber wahr. Bereits zum dritten Mal in dieser Spielzeit treffen die beiden Mannschaften aus Aachen und Nürnberg aufeinander. Jeder erinnert sich noch an das tolle Spiel im November letzten Jahres, als der 1. FC Nürnberg zwar mit 1:0 besiegt wurde, aber einige wenige Chaoten gegen Spielende dafür sorgten, dass nicht nur das Spiel wiederholt wurde, sondern anschließend auch Sicherheitsnetze gegen Wurfgeschosse an den Tribünen angebracht werden mussten.
Der "Club" wurde auch im Wiederholungsspiel geschlagen und Alemannia wurde Herbstmeister. An-schließend zeigte die Mannschaft von Trainer Wolfgang Wolf allerdings beständige Leistungen und mit dem 21. Spieltag wurde die Ligaspitze erklommen. Nürnbergs Trainer kann an der Noris aus dem Vollen schöpfen. 25 bisher einge-setzte Spieler sind nach Regensburg und Ahlen (jeweils 27) Rekord, zeigt aber auch, dass nach dem Abstieg aus der Ersten Liga der geplante organisatorische und personelle Umbruch noch nicht abgeschlossen ist. Nürnberg ist mit seinem teuren Kader zum Aufstieg schon fast verdammt. Ein weiteres Jahr im Ligaunterhaus kann nur mit einem bedeutend kleineren Etat gestemmt werden.
Trainer und Mannschaft der Schwarz-Gelben freuen sich auf das jetzt dritte Spiel gegen den "Club", auch wenn die Atmosphäre vielleicht etwas heißer sein wird als normal. Noch einmal Kalla Pflipsen: "Emotionen sind nebensächlich. Entscheidend sind Wille und Einstellung. Wir müssen einfach versuchen, selbst nach vorne zu spielen und zu punkten." Und Jörg Berger: "Ich finde es gut, wenn Spannung da ist, wenn Emotionen da sind. Ich spiele doch lieber vor vielen Zuschauern als vor einem Geist."
Bilanz
Mit Erfolgen im Frankenstadion sieht es mager aus für die Schwarz-Gelben. Aktuell stehen zwei Niederlagen in der Statistik, im April bzw. Dezember 2000 gab es eine 3:1 und eine 6:1-Niederlage in Nürnberg. Da erinnert sich der Fan doch viel lieber an die Bundesligasaison 1968/69, als die Alemannia am ersten Spieltag beim amtierenden Deutschen Meister mit ihrem Trainer Max Merkel mit 4:1 Toren gewann. Dreifacher Torschütze war damals der wieselflinke Hans-Gerd Klostermann, heute immer noch ein gern gesehener Gast am Tivoli. Welcher Alemanne kann dieses Kunststück am Montag wiederholen?
1. FC Nürnberg: Schäfer - S. Müller (46. Kiessling), Sanneh, Wolf, Wiblishauser - Slovak (78. Stehle), Larsen (46. Stefulj), Nikl, Mintal - Ciric, Krzynowek / Trainer: Wolfgang Wolf
Alemannia Aachen: Blank, Brinkmann, Grlic, Klitzpera, Krontiris, Landgraf, Lanzaat, Meijer, Paulus, Pflipsen, Straub / Trainer: Jörg Berger
1:0 Marek Nikl (54.), 2:0 Samuel Slovak (71.), 3:0 Marek Mintal (92.)
Willi Landgraf (8.), Sasa Ciric (57.), Stefan Blank (58.), Samuel Slovak (74.), George Mbwando (87.)
9 / 5
4 / 3
Thorsten Kinhöfer
20.829 (davon ca. 200 aus Aachen)
leicht bewölkt, 12°
Vier Veränderungen hatte Cheftrainer Jörg Berger nach der Pleite in Bielefeld vorgenommen. Alexander Klitzpera rückte wieder in die Abwehrkette neben Quido Lanzaat und auf den Außenbahnen im Mittelfeld spielten rechts Frank Paulus und links Dennis Brinkmann, die Kai Michalke und Cristian Fiel verdrängten. Im Angriff setzte Jörg Berger diesmal wieder auf Emmanuel Krontiris, Daniel Gomez nahm zunächst nur auf der Bank Platz. Die Mannschaft stand also etwas defensiver ausgerichtet auf dem Platz und spielte noch einmal genau in der Formation, die in der Hinrunde die meisten Punkte geholt hatte.
Das Spiel begann auch gut und unsere Mannschaft stand zu Beginn des Spiels sehr kompakt und ließ den favorisierten Bundesliga-absteiger kaum zur Entfaltung kommen. Dann kam aber Schlüsselszene Nummer 1. Willi Landgraf bekam einen Pass nicht richtig unter Kontrolle und wurde auf dem Weg zum eigenen Tor von Jacek Krzynowek hart attackiert. Unser Abwehrspieler verlor den Ball und riss im Fallen seinen Gegenspieler mit zu Boden. Rote Karte in der 8. Minute für die Gäste, so hatten sich das die Nürnberger gewünscht.
Doch dem Gastgeber fiel nicht viel ein gegen eine jetzt nur noch in Defensive stehende Alemannia. Das Konzept mit Kontern zum Erfolg zu kommen, war natürlich kaum noch umzusetzen, doch die neun verbliebenen Feldspieler versuchten tapfer, die Nürnberger Angriffe anzuwehren. Lediglich zweimal brannte es vor dem Aachener Tor, doch ein Kopfball von Mintal klatschte an die Latte (19.) und einen Schuss von Ciric konnte Stephan Straub noch so gerade an den Pfosten lenken (39.). Kurz vor der Pause sahen knapp zwanzigtausend Zuschauer Schlüsselszene Nummer 2. Mit einem tollen Pass wurde Stefan Blank freigespielt, der alleine auf den Torwart der Gastgeber zulaufen konnte, doch Schiedsrichterassistent Thorsten Schiffner aus Konstanz wollte ein Abseits gesehen haben. Eine offensichtliche Fehlentscheidung, was auch später die TV-Bilder beweisen konnten.
So wurde es nichts mit der Führung für die Schwarz-Gelben und torlos wurde die Seiten gewechselt. Ein Eckball von Slovak brachte dann in der 2. Halbzeit die Gastgeber auf die Sieger-straße. In der Mitte sprang Nikl am höchsten und setzte das Leder mit dem Kopf in die Maschen. Die endgültige Entscheidung in einem Spiel, in dem die Schwarz-Gelben seit der 8. Minute keine wirkliche Siegeschance mehr hatten, fiel in der 71. Minute durch Slovak. Dann ließ Schiedsrichter Kinhöfer auch noch nachspielen und in der 92. Minute machte Mintal nach einem Konter das 3:0.
Mit jetzt vier Punkten Rückstand auf den dritten Tabellenplatz kann das nächste Spiel gegen den VfL Osnabrück befreit angegangen werden. Die Chancen auf einen Aufstiegsplatz sind auf ein Minimum gesunken, doch wer die Schwarz-Gelben kennt, weiß, dass auch in dieser Saison bis zur letzten Patrone gekämpft wird.