Auf der Pressekonferenz vor dem Spiel informiert der Trainer üblicherweise über die letzten Neuigkeiten aus dem Kader und Einschätzung des Gegners. Am Freitag war alles anders, denn neben Dieter Hecking hatten Willi Landgraf und Erik Meijer Platz genommen.
Nach der Information über den Wechsel Landgrafs zum FC Schalke ließ auch Erik Meijer die Bombe platzen: „Ich wechsle für die Ablösesumme von 60 Litern Bier in die dritte Mannschaft des SV Meerssen. Ich muss allerdings noch einiges aufholen, meine zukünftigen Teamkollegen haben alle schon die 100 Kilo erreicht, aber ich arbeite dran.“ Zwar hatte Landgraf versucht, seinen Kollegen dazu zu bewegen, mit ihm nach Schalke zu gehen, doch auch Meijer hat mit der Rückkehr in seinen Heimatort ganz eigene Pläne.
Am Sonntag verabschieden sich die beiden Tivoli-Helden von „ihrem“ Publikum - mit dem Aufstieg in der Tasche. „Natürlich ist es so viel schöner - man soll gehen, wenn man ganz oben steht und mit dem Aufstieg habe ich meine Zeit in Aachen perfekt gemacht“, so Meijer. „Es gibt keinen besseren Zeitpunkt!“ Der Holländer wird der Alemannia zumindest erhalten bleiben und in der neuen Saison mal im Marketing, mal im sportlichen Management reinschauen. Auch Landgraf freut sich auf die neuen Herausforderungen bei Schalke 04.
Dennoch gehen beide Spieler mit mindestens einem weinenden Auge. „Der Sonntag wird auf jeden Fall emotional - dagegen können wir uns gar nicht wehren“, so Landgraf. „Auf dem Feld sind wir zwar eiskalt, aber am Ende sind auch wir nur Menschen“, erklärt Meijer. „Die Taschentücher wollen wir aber trotzdem Zuhause lassen“, haben beide einstimmig beschlossen. Die Zimmerkameraden sind auch über das sportliche Miteinander hinaus gute Freunde geworden. „Schließlich sind wir mehr als nur Fußballer - Willi und ich können sich über viele Dinge unterhalten. Natürlich wird er mir fehlen. Wir sind wie ein altes Ehepaar.“
Neben der Freundschaft und den gemeinsamen Jahren am Tivoli teilen beide Routiniers den Wunsch, in ihrem letzten Heimspiel noch ein Tor für die Schwarz-Gelben zu schießen. Zur besonderen Freude des Trainers: „Ich erinnere mich da an eine Szene mit Willi aus dem Siegenspiel…“, scherzte Hecking nach dem Bekenntnis seines Rechtsverteidigers, gegen Freiburg als Torschütze in Erscheinung treten zu wollen. „Der Ball ist sicher immer noch unterwegs“, lacht Meijer. Beide haben Familie und Freunde zur Partie eingeladen, Willis Gäste werden sogar mit dem Mannschaftsbus in Bottrop abgeholt. Nach dem Spiel gibt es neben der offiziellen Ehrung durch den Verein mit Sicherheit einige bewegende Worte. Erik Meijer hat sich etwas für die Fans ausgedacht, das noch nicht verraten wird. Und beide vermuten eine Aktion ihrer Ehefrauen. „Die telefonieren verdächtig oft miteinander“, so Landgraf.
„Am schönsten wäre es natürlich, wenn wir uns mit einen Sieg verabschieden könnten“, sagt der Neu-Schalker Landgraf. „Mal sehen ob die Freiburger da mitspielen.“ Womit wir bei der sportlichen Seite des 33. Spieltags wären. „Es wird personelle Veränderungen geben“, kündigt Hecking an. Reghecampf und Heidrich sind nach ihren Sperren wieder da, Schlaudraff und Noll fehlen weiterhin. Bei Moses Sichone (Sprunggelenk) sind die alten Probleme wieder aufgetreten, möglicherweise beendet der Sambier die Saison zur Sicherheit vorzeitig. „Ich freue mich auf das Spiel“, sagt Hecking, der den Spagat zwischen würdevollem Abschied für seine Routiniers und sportlich ernsthafter Veranstaltung schaffen will. Für die Freiburger ist der Aufstieg theoretisch noch möglich, die Gäste werden also nichts zu verschenken haben. Bei 5 Punkten Rückstand müsste allerdings schon ein mittelgroßes Fußballwunder geschehen, um den SCF noch in die Erste Liga zu spülen. Den ersten Auswärtssieg 2006 haben die Breisgauer in der vergangenen Woche in Rostock zumindest schon geschafft. Alemannia wird das Team von Volker Finke also mit Sicherheit nicht unterschätzen.
Alemannia Aachen: Dum, Ebbers, Fiel (46. Rösler), Klitzpera, Koen, Landgraf (66. Sukalo), Meijer (84. Bruns), Pinto, Plaßhenrich, Stehle, Straub / Trainer: Dieter Hecking
SC Freiburg: , Matmour / Trainer: Volker Finke
0:1 Coulibaly (33.)
Fiel (2.), Dum (44.), Bührer (57.), Meijer (65.), Antar (67.), Hansen (77.)
3 / 7
Babak Rafati, Bippen, Preuß
21.452 (davon ca. 500 Freiburg-Fans)
sonnig, 22 Grad
Eigentlich wollten sich Erik Meijer und Willi Landgraf wie das ganze Team mit einem Heimsieg vom Aufstiegs-Publikum verabschieden. Leider misslang der Plan. Mit 0:1 unterlag die Alemannia dem SC Freiburg. Die gleichzeitige Heimniederlage des VfL Bochum hält unser Team im Rennen um die Meisterschaft.
Beim Warmmachen trugen die Spieler spezielle T-Shirts, die Erik Meijer spendiert hatte: „I did it my way“ stand darauf sowie auf dem Rücken die Vereine des Holländers. Meijer selbst trug das Shirt von Willi Landgraf mit einem Foto der beiden: „Kampfgraf trifft Fußballgott“. Vereinzelt waren sogar schon die neuen „Danke Erik“ und „Danke Willi“-Schals im Publikum zu sehen.
Zum Spiel: Dieter Hecking musste den gesperrten Jan Schlaudraff sowie Emil Noll, Kristian Nicht, Moses Sichone und Laurentiu Reghecampf ersetzen. Nicht und Sichone beenden die Saison mit der Behandlung alter Blessuren, um fit in den Urlaub gehen zu können. Reghecampf ist erkrankt. So besetzten Thomas Stehle und Alex Klitzpera die Innenverteidigung zwischen Landgraf und Sascha Dum. Davor agierte wie gewohnt Reiner Plaßhenrich, flankiert von Sergio Pinto und Erwin Koen. Cristian Fiel, Erik Meijer und Marius Ebbers bildeten das Offensiv-Trio.
Ein Schrägschuss von Erwin Koen bildete die erste nennenswerte Torszene der Partie. Der Ball ging am langen Pfosten vorbei (17.). Freiburg brachte sein bekannt gefälliges Kurzpassspiel an und kombinierte recht gefällig. Besonders die rechte Seite mit Ibertsberger und Matmour sorgte für Schwung und bereitete folgerichtig die Gäste-Führung vor. Matmour brachte den Ball aus vollem Lauf flach vor das Aachener Tor. Coulibaly streckte sich gewaltig und tickte das Leder mit der Fußspitze vor Alex Klitzpera und Stephan Straub über die Linie (33.). Bei einem Flachschuss von Riether hielt Straub sicher, auf der anderen Seite setzte Erwin Koen einen Freistoß mit dem Halbzeitpfiff über das Tor. Fazit der ersten 45 Minuten: Die Alemannen tauchten viel zu selten gefährlich vor Walke auf, fanden zu selten den Abschluss.
Nach der Halbzeit schickte Hecking Sascha Rösler für Fiel ins Rennen, um der Offensive mehr Impulse zu geben. Doch zunächst musste Stephan Straub sein Können zeigen, um einen Rechtsschuss von Antar mit einer Hand zu entschärfen. Gegenüber Alex Walke hatte Probleme mit einem Schuss von Erwin Koen, Ebbers stocherte vergeblich nach dem abgeprallten Ball.
In der 67. Minute erhob sich das Stadion erstmals von den Sitzen, um eine Zweitliga-Legende zu verabschieden. Willi Landgraf verließ unter ohrenbetäubendem Applaus das Feld. Jeder einzelne Alemanne verabschiedete den Routinier, der sich gerührt bei den Fans bedankte. Goran Sukalo kam und übernahm die Position im rechten Mittelfeld, Pinto rückte nach hinten. Immer wieder brachte „Pinte“ jetzt hohe Bälle in den Freiburger Strafraum, doch zu selten entstand daraus Torgefahr. Und Freiburg blieb selbst gefährlich: Coulibaly tauchte frei vor Straub auf, der mit einer Fußabwehr klärte und sich beim anschließenden Getümmel auf die Abwehrbeine seiner Vorderleute verlassen konnte.
Wenig später gab es zum zweiten Mal stehende Ovationen: Erik Meijer verließ das Spielfeld. Kurz bildete das Team einen Kreis wie zur Einschwörung vor dem Spiel. Wie sein Freund Willi Landgraf wurde auch Meijer frenetisch bejubelt. Kurz vor dem Abpfiff bot sich der Alemannia eine letzte gute Chance. Sergio Pinto lief in zentraler Position 17 Meter vor dem Tor zum Freistoß an, Walke war jedoch auf dem Posten. Durch den Sieg und die gleichzeitigen Niederlage von Cottbus hat Freiburg am letzten Spieltag sogar noch eine Aufstiegschance. „Es macht Spaß, wenn wir dann wenigstens noch fragen können, wie es auf den anderen Plätzen steht. Aber ein echtes Endspiel ist es nicht, weil wir es nicht selbst in der Hand haben“, so Coach Volker Finke, der zufrieden mit seinem jungen Team war. Dieter Hecking vermisste dagegen die Entschlossenheit in den Angriffsbemühungen. „Wir waren nicht zwingend genug“, kommentierte er.
Trotz der Niederlage wurde nach dem Spiel gefeiert - Abschied von Erik und Willi und der letzte Heim-Auftritt der Aufstiegssaison. „Der Abschied fällt schwer, denn hier war ich zuhause. Ich hatte einige Vereine, aber Aachen wird einen ganz speziellen Platz behalten“, sagte Erik Meijer sichtlich gerührt nach mehreren Ehrenrunden. „Ich werde das alles hier aufsaugen und nie mehr vergessen“, sagte Willi Landgraf. Vom Verein erhielt Landgraf einen Koffer für seine „Reise“ nach Schalke, Meijer eine Aktentasche für den Start im Alemannia-Management. „Ich hoffe, dass wir euch demnächst beide in Aachen haben“, verlieh Präsident Horst Heinrichs der Hoffnung Ausdruck, den Rekordspieler nach dem Intermezzo auf Schalke zurück nach Aachen holen zu können. Die Dauerkarten für die kommende Saison hat Willi jedenfalls schon beantragt. „Ich werde so oft es geht da sein“, versprach er.
Im eigenen Abschied dachte Meijer auch an Florian Bruns, der die Alemannia nach zwei Jahren verlässt. „Ihr seid fantastisch“, rief „Flo“ den Fans zu. Fast alle der 21.452 Zuschauer bleiben noch lange auf ihren Plätzen und feierten Mannschaft, Trainer und Manager - ein historisches Jahr auf dem Tivoli ging zu Ende, die Saison tut es erst am kommenden Sonntag in Burghausen.