Vor dem Spiel bei Rot-Weiß Oberhausen hat sich die personelle Situation bei der Alemannia im Vergleich zum Spiel gegen Erfurt nicht merklich gebessert. Trainer Dieter Hecking muss weiterhin auf Florian Bruns verzichten. Simon Rolfes liegt nach seiner Blinddarmoperation noch im Krankenhaus. Auch Dennis Brinkmann wird am Sonntag nach seiner Wadenverletzung fehlen. Der Allrounder in der Defensive wird erst im Laufe der kommenden Woche wieder ins Training mit der Mannschaft einsteigen. Kai Michalke hat sich nach überstandener Knöchelverletzung im Freundschaftsspiel bei Germania Teveren ein Bluterguss im Oberschenkel zugezogen und muss deshalb ebenfalls zuschauen. „Es wäre aber sowieso fraglich gewesen, ob Kai nach seiner Verletzung wieder in den Kader rückt. Ich bin jemand, der einem Spieler, wenn nicht absolute Not am Mann ist, zehn bis zwölf Trainingstage Zeit gibt, um wieder voll angreifen zu können“, sagt Dieter Hecking.
Damit ergibt sich der Kader also von allein. Und auch bei der Aufstellung wird sich Hecking wohl nicht zu großen Experimenten hinreißen lassen: „Es kann gut sein, dass die Mannschaft, die gegen Erfurt gespielt hat, am Sonntag auch so gegen Oberhausen auf dem Platz steht.“ Vorraussetzung dafür ist natürlich, dass es keine weiteren Verletzten gibt. Die Marschroute in Oberhausen ist genauso eindeutig wie die Personallage. Gegen den abstiegsbedrohten RWO soll ein Sieg her. „Wir fahren ganz klar nach Oberhausen, um zu gewinnen. Wenn wir in Führung gehen, dann haben wir auch gute Chancen, das Spiel zu gewinnen.“ Dabei kalkuliert der Coach wohl auch die Verunsicherung der Gastgeber mit ein, deren Lage er als Existenzkampf bezeichnet. Schon allein deshalb erwartet Hecking einen kampfstarken Gegner. Da heißt es Zweikämpfe annehmen und dann die spielerische Überlegenheit zum Tragen bringen. Die Devise ist klar: „Wir wollen mit einem Sieg unseren Trend fortsetzen.“
Mit der Tabelle beschäftigt sich der Trainer in diesen Tagen wenig: „Es ist ganz klar, dass meine Spieler mal einen Blick darauf werfen. Aber ich werde bestimmt nicht einen Rechenschieber in die Hand nehmen oder das Restprogramm der anderen Mannschaften angucken. Wir sind nicht in der Situation groß zu rechnen. Wir wollen wieder daran arbeiten, eine gute Ausgangsposition zu schaffen.“ Weiterhin steht Dieter Hecking aber mit beiden Beinen auf dem Boden, statt Luftschlösser zu bauen wird an der Krefelder Straße lieber konzentriert gearbeitet. Schließlich ist die eigene Situation für Jubelarien auch nicht angetan, wie Hecking unterstreicht: „Die Euphorie, die im Dezember herrschte, ist mit der jetzigen Stimmung nicht zu vergleichen. Denn da hatten wir es noch selbst in der Hand. Jetzt wollen wir alles tun, um es wieder selbst in der Hand zu haben.“
Der Trainer beschreibt die Situation so, dass auf dem Trainingsplatz sachlicher gearbeitet wird. „Vielleicht kann man hier einen Lernprozess meiner Mannschaft beobachten. Es ist in jeder Einheit eine sehr positive Aggressivität zu spüren. Es ist sehr laut und geht richtig zur Sache. Das ist ein Stimmungsbild, das es vor vier Wochen nicht gegeben hat. Aber mit einer guten Einstellung haben wir noch lange kein Spiel gewonnen.“ Dass auch Oberhausen die Punkte braucht, macht die Ausgangslage für die Alemannia nicht leichter. „Für Oberhausen geht es ums Überleben. Und auch Eugen Hach wird hoch motiviert sein, gegen Aachen zu gewinnen.“ Wenn dann alles klappt, kann der Vorjahreserfolg wiederholt werden. Beim letzten Aufeinandertreffen im Niederrheinstadion in Oberhausen konnte die Alemannia gewinnen. Mit einem Doppelschlag durch Stefan Blank in der zweiten Hälfte gingen die Aachener als Sieger vom Platz. „Wir wollen, dass unsere Fans am Sonntag die Heimreise antreten und wissen: O ja, wir können uns schon auf Duisburg freuen.“ Denn dass die Fans der Alemannia in Scharen nach Oberhausen pilgern werden, weiß auch der Trainer. „Natürlich ist uns klar, was die Fans diese Saison alles geleistet haben. Wir freuen uns auch schon auf unsere Anhänger in Oberhausen. Trotzdem wird das keinen Einfluss auf die Taktik haben. Wir versuchen unser Spiel zu spielen und die drei Punkte mit nach Aachen zu nehmen.“
Rot-Weiß Oberhausen: Adler, Baciu, Cichon, Frommer, Haeldermans, Hugo, Keidel, Montero, Ouedraogo, Salifou, Tokody / Trainer: Eugen Hach
Alemannia Aachen: Fiel, Gomez, Klitzpera, Landgraf, Meijer, Noll, Plaßhenrich, Reghecampf, Schlaudraff, Sichone, Straub / Trainer: Dieter Hecking
Thomas Cichon (8.), Costa Hugo (43.), Erik Meijer (86.)
3 / 5
14 / 3
Dr. Fleischer Helmuth, Ehing Harry, Palilla
6.844 (darunter ca. 4.000 aus Aachen)
Stark bewölkt, 10°
Hätte Sergio Pinto in der 86. Minute das Siegtor für die Aachener geköpft, wäre wahrscheinlich irgendjemandem die Floskel „im Stile einer Spitzenmannschaft“ eingefallen. Nicht überragend gespielt, aber auch keine nennenswerten Chancen der Gastgeber zugelassen - und dann in der entscheidenden Szene kurz vor Schluss eiskalt zugeschlagen. Hätte, wenn und aber zählen nun mal im Fußball überhaupt nichts, also zurück in die Realität: Wohl jeder der 6844 Zuschauer im Niederrheinstadion fragte sich gegen 16.45 Uhr, wie RWO-Keeper Oliver Adler den Kopfball des eingewechselten Sergio Pinto wohl von der Linie gekratzt hatte. Die Riesenparade des Oldies rettete den Gastgebern zumindest einen Zähler, auch wenn dessen Nutzen im Abstiegskampf sich erst noch erweisen muss. Alemannias Übungsleiter Dieter Hecking grämte sich im Anschluss an die Partie nicht über die verpasste Pinto-Chance, sondern setzte bei seiner Kritik an anderer Stelle an: „Um hier drei Punkte zu holen, hätten wir zwischen der 15. und der 75. Minute mehr tun müssen.“
In der Tat verteilen sich die nennenswerten Szenen auf die Anfangs- und die Schlussviertelstunde. Jan Schlaudraff bewies schon nach wenigen Augenblicken seine atemberaubende Schnelligkeit mit dem Ball am Fuß. Sein Durchbruch über die linke Aachener Angriffsseite endete mit einem Schlenzer vor das Tor, der nicht ohne weiteres als Schuss oder Flanke zu identifizieren war. Man würde der Leihgabe aus Mönchengladbach ab und an mehr Gradlinigkeit und Kaltschnäuzigkeit vor dem Kasten wünschen. Mit dem Linksschuss von Kapitän Erik Meijer nach Ablage von Cristian Fiel endete dann das konsequente Streben in Richtung Oberhausener Tor nach rund 17 Minuten. Der Ball strich knapp am Pfosten vorbei. Von da an ging der größte Unterhaltungswert eigentlich vom bei jeder Schieds- oder Linienrichterentscheidung tobenden Eugen Hach aus, der sich stets vor oder neben der Coaching-Zone aufhielt. Nachdem schon Thomas Cichon die Widerstandsfähigkeit von Jan Schlaudraff getestet hatte und dafür zu Recht Gelb sah, schickte Hugo Costa den schnellen Offensivmann mit seiner Grätsche bis auf die Tartanbahn. Zwar wurde der Oberhausener auch verwarnt, aber für Schlaudraff reichte es nach der Pause nur noch für fünf Minuten, bis die geprellte Hüfte eine Auswechslung nötig machte. Sergio Pinto kam in die Partie. Schon recht bald nach der Halbzeit gaben beide Mannschaften das Mittelfeld fast auf, es ging zügig in Richtung gegnerisches Tor - ohne dass dabei brenzlige Szenen entstanden.
Die größte Chance für die Gastgeber hatte der eben erst eingewechselte Keita nach rund einer Stunde, als er einen Kopfball ein gutes Stück am Tor vorbei setzte. Fünf Minuten später kratzte ein Noll-Kopfball nach Ecke von Reghecampf den Außenpfosten. Erst jetzt begann die zweite Halbzeit richtig. Wiederum Emil Noll scheiterte in der 73. Minute an Adler, Moses Sichone konnte den Abpraller nicht mehr erreichen. Alassane Ouedraogo, nach 70 Minuten eingewechselt, strebte kurz darauf allein dem Aachener Tor entgegen. Stephan Straub konnte sich beim Oberhausener Platzwart bedanken, dass er überhaupt nicht eingreifen musste. Der Stürmer strauchelte, krabbelte und stürzte letztlich auf den holprigen Rasen. Was amüsant aussah, war wohl ernster, denn nur fünf Minuten nach seiner Einwechslung musste Ouedraogo schon wieder verletzt runter.
Die Zielgerade des Spiels gehörte komplett der Alemannia. Iwelumo für Gomez und Scharping für Fiel waren die Maßnahmen des Trainergespanns, um doch noch die drei Punkte mit zum Tivoli zu nehmen. Der lange Schotte machte zunächst bei einem Meijer-Kopfball keine gute Figur, als er mehr oder weniger im Weg stand. Sekunden später trat Iwelumo auf ungewohnter halblinker Position als Flankengeber in Aktion und rückte Sergio Pinto - ebenfalls in ungewohnter Mittelstürmerposition - in den Blickpunkt. Der nicht eben als Kopfballungeheuer bekannte Pinto machte alles richtig, ließ den Ball über die Stirn in die untere Ecke rutschen und war wohl selbst in Gedanken schon auf dem Jubellauf in Richtung Kanalkurve, als Oliver Adler seine Pranken ausfuhr und den 4000 mitgereisten und lautstark anfeuernden Aachener Fans die Party verdarb. Seine ganze Wut legte Pinto in der Schlussminute dann noch in einen Freistoß aus 20 Metern, aber der stramme Schuss landete genau in den Armen von Adler. Ein finaler Kopfball von Erik Meijer ging am Tor vorbei.
„In der letzten Viertelstunde haben wir drei, vier dicke Chancen gehabt, da hätte ich mir natürlich gewünscht, dass da mal einer reinfällt“, meinte Hecking zum Endspurt seines Teams. „Am Schluss haben wir das englische System ausgepackt, mit Chris Iwelumo und mir vorne drin. Davor hatte ich das Gefühl, dass im entscheidenden Moment der Ball nicht angekommen ist“, resümierte Erik Meijer. Schließlich machte sogar RWO-Coach Eugen Hach auf Optimismus, obwohl die Gastgeber im Abstiegskampf dringend einen Sieg gebraucht hätten. „Vielleicht war das der Punkt, den wir wegen unseres schlechten Torverhältnisses extra holen mussten. Wir sind jetzt mit unseren Gedanken schon in Essen“, sagte Hach. Für alle enttäuschten Fans hatte Stephan Straub die passende Botschaft parat: „Es ist noch nichts verloren.“