Auswärts nur gut mitspielen reiche nicht für die 2. Liga, so lautete das erste Statement von Cheftrainer Jörg Berger bei der Abschluss-PK am Mittwoch zum Spiel beim VfB Lübeck. Nach dem "Befreiungsschlag" am letzten Spieltag gegen den MSV Duisburg, als nicht nur das Spiel und drei wichtige Punkte gewonnen wurden, sondern den Fans auch eine sehr gute Leistung geboten wurde, bleibt die Tat-sache, dass die Schwarz-Gelben auswärts bisher in dieser Spielzeit noch nicht gewinnen konnten. "Wir müssen einmal länger zu Null stehen", lautete dann auch eine der Forderungen unseres Trainers an die Mann-schaft. "Wenn der Gegner wie in Cottbus, Erfurt oder Fürth aber immer gleich mit der ersten Chance im Spiel ein Tor macht, wird es schwer für uns unser Konzept durchzuziehen."
Die Schwächen aus den letzten Auswärtspartien wurden aufgearbeitet, auch das Spiel gegen Duisburg noch einmal genau per Video analysiert, nicht "um uns an der Leistung zu ergötzen, sondern um zu sehen, was auf eigenem Platz besser funktioniert. Wir müssen aus dem MSV-Spiel etwas mitnehmen." So fordert Jörg Berger von seiner Mannschaft am Freitag, dass sie kompakt steht, kompromisslos spielt und erfolgreicher im Abwehrverhalten ist. Wichtig wird es an der Lohmühle - und nicht nur dort - sein, die Abwehrleistung zu stabilisieren. "Für Torchancen sind wir auch auswärts immer gut, Tore haben wir immer gemacht", nährt der Coach die Hoffnung auf einen erfolgreichen Freitagabend.
Da lediglich Eric van der Luer ausfällt - er befindet sich nach seiner Sprung-gelenksverletzung weiter im Aufbautraining - steht in Lübeck dasselbe Personal zur Verfügung wie gegen den MSV. Für die Aufstellung gibt es allerdings zwei Gedankengänge für Jörg Berger. "Entweder vertrauen wir auf die erfolgreiche Mannschaft vom Spiel gegen Duisburg, oder wir stellen uns robuster in der Defensive. Genauer lässt sich Trainer Berger nicht in die Karten schauen. Nach einigen Höhen und Tiefen scheint sich aber langsam eine Stammformation zu bilden. Nach dem kommenden Spiel wird wohl eine Tendenz zu erkennen sein, welches die stärkste Besetzung in dieser Saison sein wird.
Wie schon im letzten Jahr hält Jörg Berger für den VfB Lübeck und seinen Trainer Dieter Hecking viele Komplimente parat. Sein ehemaliger Spieler aus Kasseler Zeiten habe aus dem Auf-steiger des Vorjahres einen stabilen Zweitligisten gemacht. Lübeck sei ein Beispiel dafür, wie man mit Konzept und Ruhe im Umfeld aus der Regionalliga als Aufsteiger einen guten Weg nehmen kann. Der VfB ist in der aktuellen Tabelle ein wenig besser platziert als die Alemannia, doch auch in diesem Jahr bewahrheitet sich, dass der Abstand zwischen Oben und Unten so gering ist, dass alle Spiele in der 2. Bundesliga völlig offen sind.
Das bestätigte auch heute Kai Michalke, der nach seinen ersten Eindrücken in der neuen Liga die Leistungsdichte für viel größer hält als in der 1. Liga. "Deshalb ist es wichtig für uns, den Anschluss nach oben zu halten, um nicht immer wieder nach unten schauen zu müssen. Deshalb müssen wir in Lübeck ganz anders auftreten als zuletzt auswärts." Viele Gespräche habe man in den letzten "zwei turbulenten Wochen" geführt, auch innerhalb der Mannschaft. "Jetzt müssen wir auch einmal das umsetzen, was wir uns vorgenommen haben", nimmt sich der Mittelfeldspieler selbst und seine Mannschaftskameraden in die Pflicht. "Wir wollen einen frühen Rückstand vermeiden, möglichst ganz ohne Gegentor bleiben. Denn nach oben kommt man nur, wenn man auch auswärts gewinnt."
Unser Team fährt also optimistisch in den hohen Norden. Am Freitag ab 19 Uhr werden wir alle dann sehen, ob es reicht. Kompakt stehen, als Mannschaft konzentriert spielen, das sind die Vorgaben. Und wenn alles gut geht, dann steht vielleicht am Ende der erste Auswärtssieg in der Tabelle.
VfB Lübeck: Wehlmann - Groth, Boy, Hasse, Türkmen - Plaßhenrich (71 Adzic), Mbidzo, Zandi - Bärwolf, Würll, Achenbach (55. Schanda) / Trainer: Dieter Hecking
Alemannia Aachen: Blank, Brinkmann, Grlic, Klitzpera, Krontiris, Landgraf, Lanzaat, Meijer, Paulus, Pflipsen, Straub / Trainer: Jörg Berger
1:0 Ferydoon Zandi (13.), 1:1 Stefan Blank (19.), 1:2 Emmanuel Krontiris (24.), 1:3 Dennis Brinkmann (31.), 1:4 Emmanuel Krontiris (50.), 2:4 Ferydoon Zandi (63.), 2:5 George Mbwando (71.), 2:6 Ferydoon Zandi (77.)
Emmanuel Krontiris (13.), Daniel Bärwolf (60.)
Felix Brych
6.700 (davon 200 aus Aachen)
Lediglich eine Änderung hatte Cheftrainer Jörg Berger nach dem Spiel gegen Duisburg vorgenommen. Für Kai Michalke spielte auf der linken Seite Dennis Brinkmann, es war die vermutete defensivere Variante (s. Vorbericht). Trainer und Mannschaft hatten sich vor allem vorgenommen, nicht zu schnell in Rückstand zu geraten, möglichst ganz ohne Gegentor zu bleiben. Es war ein Vorsatz, der nicht lange hielt. Bereits nach vier Minuten traf Torwart Stephan Straub, sowieso ohne gute Erinnerungen an das letzte Gastspiel in Lübeck, einen Rückpass nicht richtig und der VfB kam schnell wieder in Ballbesitz und in eine 3:2-Überzahl-Situation. Ein Pass auf den rechten Flügel und Patrick Würll war alleine durch. Doch Keeper Stephan Straub konnte seinen Patzer ausbügeln und mit dem Knie zur Ecke abwehren. Die ganze Szene trug nicht zur Sicherheit der Alemannia bei.
Zahlreiche Ballverluste bereits im Mittelfeld prägten das Spiel unserer Mannschaft und so konnte der Gastgeber Druck aufbauen und das Spiel überlegen gestalten. In der 13. Minute waren dann alle guten Vorsätze schon Makulatur. Reiner Plaßhenrich konnte sich kurz hinter der Mittellinie vom attackierenden Frank Paulus absetzen, sah, dass Aachen eine Abseitsfalle aufbauen wollte und schlenzte den Ball lang Richtung Strafraum. Quido Lanzaat schaute verdutzt zum SR-Assistenten, der aber die Fahne - wohl zurecht - unten ließ und so war Ferydoon Zandi frei durch. Stephan Straub wollte zwar den Winkel verkürzen bzw. Zandi entgegen gehen, doch der in der letzten Saison noch vom SC Freiburg ausgeliehene Stürmer nahm den Ball so geschickt an, dass er nach zwei schnellen Ballkontakten das Leder über unsere Keeper ins Tor heben konnte.
Die Führung war zu diesem Zeitpunkt verdient, doch wer jetzt gehofft (Lübeck) oder befürchtet (Aachen) hatte, dass wieder alle Dämme brechen, sah sich getäuscht. Emmanuel Krontiris schlug die erste Ecke für die Gäste lang hinten in den Strafraum, Quido Lanzaat gewann das Kopfballduell und so flog der Ball wieder quer zum Tor an den Fünfmeterraum. Dort stieg Stefan Blank am höchsten und köpfte Richtung Tor. Torwart
Carsten Wehlmann konnte nur abklatschen und Stefan Blank drückte die Kugel im Nachsetzen mit dem Knie unter die Latte. Der Rettungsversuch mit der Hand auf der Torlinie von Ibrahim Türkmen war vergebens. Und Alemannia blieb dran, der Gastgeber wurde immer unsicherer und die Schwarz-Gelben zeigten sich ungeheuer spielstark in der Offensive. Nur fünf Minuten später legte Erik Meijer aus dem Mittelfeld auf rechten Flügel heraus, wo sich Karlheinz Pflipsen gelöst hatte. Der dribbelte ein paar Schritte und flankte lang auf Erik Meijer zurück, der direkt mit dem Kopf in die Mitte ablegte, wo Emmanuel Krontiris den Ball aus der Luft nahm, drin. Ein tolles Tor nach einem wunderschönen Angriff.
Es kam aber noch besser. Nach einer guten halben Stunde schlug Stefan Blank einen langen und genauen Flügelwechsel auf Willi Landgraf. Unser Oldie konnte direkt auf Frank Paulus weiterleiten, der so in eine ähnliche Position wie sein Kapitän zuvor kam. Auch jetzt sahen die Fans eine Flanke aus vollem Lauf, diesmal flach in den Strafraum, genau in den Lauf von Kalla Pflipsen. Der verpasste zwar den Ball, doch hinten war auch noch Dennis Brinkmann mitgelaufen und Dennis hatte keine Mühe zum dritten Tor einzunetzen. Mit diesem Resultat ging es in die Kabinen, der frühe Rückstand hatte unsere Mannschaft nicht verunsichert. Im Gegenteil, aufgeweckt und gewitzt hatte sie nach vorne gespielt und damit den Gegner, der wohl schon leichtes Spiel zu haben glaubte, völlig überrascht.
Für Willi Landgraf, der kurz vor der Pause fast einen Strafstoß verursachte hatte, brachte Trainer Berger in der Halbzeit den Ex-Lübecker George Mbwando und von seiner Mannschaft forderte er, nicht nachzulassen. Tat sie nicht. Der erste gefährliche Angriff in der zweiten Hälfte brachte das nächste Tor. Ivica Grlic trieb den Ball durch Mittelfeld, setzte zum Doppelpass mit Kalla Pflipsen an, doch auch "Emu" Krontiris (unter der Beobachtung von DFB-Trainer Horst Hrubesch) war frei und mit einem ebenso schönen wie einfachen Pass durch unseren Kapitän war die gesamte Abwehr der Norddeutschen ausgespielt. Abgezockt wie ein "Alter" ließ sich unser junger Stürmer die Chance nicht entgehen und Emu erzielte sein zweites Tor in diesem Spiel. War das die Entscheidung? Wer unsere Mannschaft kennt, weiß die Antwort. Jan Schanda schoss Alexander Klitzpera den Ball in den Bauch, eine abwehrende Bewegung mit dem Arm interpretierte Schiedsrichter Brych als absichtliches Handspiel und gab Ferydoon Zandi die Gelegenheit per Strafstoß auf 2:4 zu verkürzen.
Doch unsere Mannschaft ließ sich jetzt nicht mehr nervös machen und nutzte das "Alles oder Nichts" Spiel der Gastgeber. Der gerade eingewechselte Kai Michalke sah eine erneute Lücke in der Lübecker Abwehr und spielte steil auf den durchgebrochenen Kalla Pflipsen. Keeper Carsten Wehlmann eilte zwar aus seinem Strafraum, doch bevor er abwehren konnte, hatte Karlheinz Pflipsen das Leder bereits auf den mitgelaufenen George
Mbwando herausgespielt, der so mit dem Ball ins leere Tor laufen konnte. Das war die Entscheidung, denn auch das dritte Tor von Ferydoon Zandi in der 77. Minute konnte den ersten Auswärtssieg der Saison nicht mehr gefährden. Beide Mannschaften hatten auch in der Schlussphase noch weitere Torgelegenheiten, doch acht Tore waren wohl genug. Zum ersten Mal wieder seit dem Spiel im Karlsruher Wildpark am 21.02. dieses Jahres durften die mitgereisten Fans auch auswärts noch einmal mit ihrer Mannschaft jubeln. Die Leistung aus dem Spiel gegen Duisburg wurde bestätigt, zumindest was die Spielfreude und Offensivkraft angeht, am Rest muss man noch weiter arbeiten. Denn eines ist klar: Nicht immer wird man ein Spiel gewinnen, obwohl der Gegner drei Tore geschossen hat.
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