Alemannia Aachen: K.? Wirtz – Schaps, E. Laumen – Korffmacher, F. Schmitz, Altenkamp – Junggeburth, Kaussen, J. Wesché, Fürguth, E.? Deppe
Bonner FV: u.a. Rütt (Tor) – Schümmelfelder, Lohmüller, Erdmann
1:0 Deppe, 2:0 Deppe, 3:0 Kaussen, 4:0 Kaussen, 4:1 Erdmann
(auf dem Sportplatz Tivoli)
Es liegt im Wesen des Sports, dass die eigenen Leistungen häufig mit denen der Gegner steigen und fallen. Wenn ein guter Läufer allein die Bahn durchmisst, wird er nie die glänzende Zeit erzielen, die er in hartem Kampfe mit gleichwertigen Sportsleuten erreicht. – Zu einem solchen Anspannen aller Kräfte wurde unsere Mannschaft vor einigen Wochen durch den Essener Turnerbund gezwungen; bei den folgenden Spielen, die wir hier zu sehen Gelegenheit hatten, fehlte dieser Antrieb mehr oder weniger, und deshalb waren sie ziemlich matt. Auch der Bonner Fussballverein, der am 6. Juni morgens zum Schlusspiel hier antrat, konnte unsere Elf nicht veranlassen, aus sich herauszugehen, ob aus Überfluss an Ersatzleuten oder aus Mangel an Pyramidon, sei dahingstellt. – Bei uns konnten Hennes, Walchenbach Finke und Baurmann (der noch in den Flitterwochen schwelgte) nicht mitwirken; es spielten daher [...]
In der ersten Zeit kommt Bonn, mit der schlechteren Seite spielend, wenig zur Geltung. Der Aachener Sturm ist sehr eifrig und hat auch Glück im Schuss; nachdem Deppe zweimal scharf und genau eingeschossen hat, steigt durch flottes Draufgehen von Kaussen die Torzahl auf 4, was harmlose Zuschauer zu kühnen Hoffnungen verleitet. Aber inzwischen hat sich bei einigen Bonnern der Höhenrauch verzogen; Schümmelfelder als Mittelläufer legt seinen Stürmern bequem vor; diese nutzen die Gelegenheiten gut aus, haben aber kein Glück. Ein Prachtschuss des Mittelstürmers prallt von der Querlatte ab und wird vom Halbrechten vorbeigejagt; ein anderes Mal wird auch sicherer Lage weit drüber geschossen. – Nachdem mit 4:0 gewechselt worden ist, setzt Bonns Linksaussen Erdmann einen Schuss in die rechte obere Ecke; kurz darauf rettet Altenkamp vor dem offenen Tor. Dann folgen zahlreiche Angriffe der Aachener Stürmer, deren Schüsse aber zu ungenau oder zu schwach sind, um bei Rütt Erfolg zu haben. Ausserdem stellen die Bonner Verteidiger ihre Gegner möglichst oft abseits, wodurch das Spiel zwar offen bleibt, aber auch langweilig wird. Manche Zuschauer verliessen daher den Platz, ohne das für Alemannia etwas schmeichelhafte Ergebnis 4:1 abzuwarten. Aus ihren sachkundigen Bemerkungen war zu entnehmen, dass es sich um lauter erstklassige Fussballspieler handelte, denen ein solcher "Mist" nicht "imponieren" konnte. – Weit entfernt, mich diesem Urteil anzuschliessen, muss ich allerdings zugeben, dass ich beide Mannschaften schon bedeutend besser habe spielen sehen. Der alte B.F.V., von jeher unbeständig in seiner Form, hat sich nach einer schlechten Zeit wieder in die Höhe gekrabbelt und steht in seinem Bezirk an dritter Stelle. Ich nehme an, dass er unter anderen Verhältnissen vor allem schneller und auch wohl glücklicher spielen wird. – In unserer Mannschaft versagte niemand, aber es tat sich auch keiner besonders hervor, wenn ich etwa von Schaps absehe, der wieder durchaus zuverlässig war und besonders im Anfang Laumen sehr entlastete. Schmitz suchte in der zweiten Hälfte gelegentlich einen Schuss anzubringen; das kann man nur loben. Dass Deppe ebensogut linksaussen wie rechtsaussen spielt, ist sehr erfreulich; doch sehe ich auf der linken Seite am liebsten das Dreieck Baurmann–Fürguth–Altenkamp bei der Arbeit. Wesches Kopfbälle waren diesmal gefährlicher als seine Schüsse. Die rechte Seite zeigte lobenswerten Eifer, doch fehlte es manchmal an der Genauigkeit. Im allgemeinen scheint es mir, als ob unsere Stürmer zu wenig mit den Fehlern der gegnerischen Verteidigung rechneten; es ist ja sehr anstrengend, bei jedem Angriff mitzulaufen, aber es lohnt sich doch gelegentlich mal. – Der Schiedsrichter achtete sehr gut auf abseits, weniger auf scharfes Spiel.
Ich füge noch folende Kritik bei, die unser lieber Hennes mir zusandte:
Aus unserer Mannschaft tat jeder seine Pflicht, ohne besonders aufzufallen. Deppe muss unbedingt Laufen trainieren, wenn er in der kommenden Spielzeit seinen Ligaläufern gewachsen sein will. Fürguth einer der zähesten und eifrigsten, wird sein Spiel noch wirkungsvoller gestalten, sobald er schiessen kann. Was nutzt ein wunderschönes Spiel, wenn der Schuss fehlt? Drum, mein liebes Fritzchen, einmal mehr zum Schiess- als zum Tanztraining erscheinen. Hast Du "mein lieber Joe" denn das vorbildlich schöne Stoppen verlernt? In den Sommermonaten wirst Du, vereint mit Deinem Sprössling, ja auf der Branderheide genug Gelegenheit finden, Dir die alte Technik wieder anzuknobeln. Auf Kaussen baue ich am meisten, vorausgesetzt, dass er für uns weiter spielen wird. Es fehlt ja noch an der nötigen Feinheit, aber durch seine Energie wird er neben Finke das Kind schon schaukeln. Junggeburth gibt sich sehr viel Mühe, ist jedoch für schwere Spiele noch zu schwach. Unsere Kanone Schmitz ist und bleibt unser Arbeitspferd, das augenblicklich auch nicht zu ersetzen ist. Nur möche ich ihm empfehlen, sich ein flaches Zuspiel anzugewöhnen; denn für unsere Stürmer – sie sind eben noch keine Extraklasse – ist es furchtbar schwer, hohe Bälle richtig zu behandeln. Korffmacher ist gut, wenn er das gefährliche Arbeiten mit seinen Storchbeinen unterlässt. Er würde weniger hinfallen und seine Flanke umsomehr in Schach halten. Altenkamp, der "mathematische" Feinspieler, spielt sich auf seinem neuen Posten gut ein, m. E. die richtigste Stelle, die er besetzen kann. Nur darf er nicht in den einen üblen Stürmerfehler verfahllen, sich einen Quadratmeter Spielfeld zu mieten. Schaps, des öfteren unser Schmerzenskind, ist ebenfalls gut, wenn er richtig angreift. Für die nächste Spielzeit schaffe ich mir eine Luftbüchse mit Pfefferkörner an, die ihn zum richtigen Angreifen bringen wird. Laumen verdient für dieses Spiel das Prädikat "gut". Warum nicht immer so? Legt er das Zögern und "Würmchentreten" wie letzten Sonntag ab, wird er ein erstklassiger Verteidiger sein. Wirtz ist sehr gut; nur das Arbeiten mit den Füssen ist gefährlich, was er in der nächsten Spielzeit sicher ablegen wird.
Nun, meine lieben Kameraden, treten wir den Sommerschlaf an, um mit gesunden und ausgeruhten Gliedern im Herbst wieder auf der Höhe zu sein. Bringen wir unserer Alemannia in der nächsten Spielzeit noch bessere Erfolge heim, bin ich sicher, dass wir im übernächsten Jahre in die Rheingau-Liga aufsteigen. Grundbedingung: "Nicht mehr reden, sondern spielen." – Auf Wiedersehen und angenehme Ruhe.
(Vereinszeitung des Aachener Turn- u. Sportvereins Alemannia 1847 / Nr. 7; Juli 1920)
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