Die weiterhin nicht rosige Personalsituation trübt ein wenig die ansonsten gute Stimmung rund um den Aachener Tivoli. Abgesehen von der Verletztenliste sieht es nämlich gut aus: Zwei Siege in Folge, die Ostertage wurden zur Entspannung genutzt, und Dieter Hecking bescheinigt seinen Profis, in den letzten 14 Tagen „sehr, sehr gut gearbeitet“ zu haben.
„Wir haben die Osterfeiertage dazu genutzt, ein bisschen abzuschalten, den Kopf ein bisschen freizukriegen, Zeit mit der Familie zu verbringen“, sagt Dieter Hecking. Nach einer Einheit am Karfreitag traf sich der Alemannia-Kader am Ostermontag wieder, um dann mit voller Kraft die Arbeit in Richtung der Begegnung gegen Rot-Weiß Erfurt wieder aufzunehmen. Der Grund zu dieser konzentrierten Gelassenheit ist klar: Der Erfolg ist zuletzt an den Tivoli zurückgekehrt. „Wir haben durch die zwei Siege, die wir jetzt hintereinander gelandet haben, eine kleine Wende eingeleitet, die von mir auch erwartet worden ist“, erklärt Hecking. Die Stimmen, die zwischenzeitlich gar von Abstiegsgefahr sprachen, hat der Coach nicht ernst genommen: „Das war nie ein Thema für mich.“ Dennoch behält der Übungsleiter den realistischen und deshalb kritischen Blick auf die Leistungen seiner Akteure. Es sei nicht immer alles Gold gewesen, was da geglänzt habe, wiederholt er seine gesammelten Eindrücke. Deshalb gilt es, weiter an der Abstimmung zu feilen. In dieser Beziehung stellt Hecking ein positives Arbeitszeugnis aus: „Die Mannschaft hat in den letzten 14 Tagen sehr, sehr gut gearbeitet. Die Siege haben den Spaß zurück ins Training gebracht.“ Merklich sei das Selbstvertrauen beim einen oder anderen seiner Kicker wieder angestiegen.
Eines hat die kurze Osterpause leider nicht bewirkt: die Beschleunigung des Heilungsprozesses bei den verletzten Spielern. Und von denen gibt es nach dem Geschmack von Dieter Hecking noch zu viele. „Da haben wir sicherlich noch ein paar Sorgenfalten“, bestätigt der Trainer. Die Liste unterteilt sich wie so oft in hundertprozentig ausfallende und mit Fragezeichen versehene Spieler. Nicht mit von der Partie werden weiterhin Dennis Brinkmann (Muskelverletzung in der Wade), Florian Bruns (Rückenverletzung) und Kai Michalke (Teileinriss des Außenbandes) sein. Sergio Pinto muss wegen seiner 5. Gelben Karte zuschauen. Mit einem dicken Fragezeichen versieht Hecking den Einsatz von Kapitän Erik Meijer (Bluterguss im Sprunggelenk) und Reiner Plaßhenrich (entzündetes Knie). Beide trainierten zwar am Mittwoch mit der Mannschaft, dennoch ist Hecking besonders bei seinem etatmäßigen Mittelstürmer skeptisch: „Eriks Sprunggelenk ist immer noch nicht ganz abgeschwollen. Er ist zwar wieder im Training, hat aber davor natürlich zweieinhalb Wochen nichts machen können. Da muss man abwägen, ob es Sinn macht, ihn zu bringen“, erläutert der Coach die Situation. Tragischerweise erhalten der Kapitän und die Mannschaft jetzt die Quittung dafür, dass sich Meijer nach der Verletzung im Hinspiel gegen Alkmaar durch die nächsten Partien quälte.
Als dramatisch bewertet Hecking die lange Verletztenliste aber dann doch nicht. Hat er doch die Gewissheit, dass der zweite Anzug passt: „Ich muss schon sagen: Die Nachrücker haben ihr Ding gemacht.“ Als Basis des Aufschwungs betrachtet Dieter Hecking die wieder gewonnene Konstanz in der Viererkette. Landgraf wieder in Form, Sichone und Klitzpera stabil und Noll von Spiel zu Spiel ein Stückchen besser - die Defensivreihe soll auch gegen Erfurt der Grundstein zu erfolgreichem Spiel werden. Und in der Vorwärtsbewegung sieht Hecking ohnehin genug Gefährlichkeit und Durchschlagskraft - egal wer letztendlich aufläuft. „Jens Scharping hat sein Tor in Saarbrücken sichtlich gut getan, und Daniel Gomez spielt seit Wochen mehr als ordentlich“, bewertet der Trainer seinen Sturm. Dazu gesellt sich der im Aufwind befindliche Jan Schlaudraff. Cristian Fiel ist nach seiner kleinen Wadenblessur aus dem Saarbrücken-Spiel ebenfalls wieder an Bord, und Laurentiu Reghecampf wird auch wieder ein Thema werden, wenn er nach seinem Bänderriss wieder mehr Spielpraxis bekommt.
Bliebe noch der FC Rot-Weiß Erfurt als potenzieller Spielverderber. Tabellenvorletzter, die wenigsten Tore der Liga erzielt - wer da von einer leichten Aufgabe spricht, wird von Hecking eines Besseren belehrt. „Man muss sich doch die Tabelle nur anschauen. Da geht es um den Existenzkampf von Fußball-Profis. Die werden alles versuchen, um hier etwas mitzunehmen.“ Dem will Mittelfeldspieler Simon Rolfes entgegenwirken: „Wir müssen denen von Anfang an klarmachen, dass hier nichts zu holen ist, nicht mal ein Pünktchen.“ Genau dieses eine Pünktchen dürften die Thüringer aber anstreben, noch lieber würden sie wohl den 1:0-Hinspielsieg wiederholen. Unter dem neuen Trainer Jan Kocian, der seit Ende Februar im Amt ist, gab es immerhin zwei Siege aus drei Spielen. Der ehemalige Assistent von Willi Reimann und Ewald Lienen in Frankfurt und Köln ist sich der Situation seines Teams bewusst: „Für uns sind alle Spiele Endspiele. Und genau mit dieser Marschroute laufen wir auch am Tivoli auf.“
Über 15.000 Eintrittskarten waren am Mittwochmittag bereits für das Flutlichtspiel am Freitagabend verkauft, die Alemannia rechnet mit dem Besuch von rund 17.500 Zuschauern. Die überdachten Stehplatzränge sind bereits ausverkauft. Ein würdiger Rahmen, um aus der eingeleiteten Trendwende vielleicht eine richtige zu machen.
Alemannia Aachen: Fiel, Gomez, Klitzpera, Landgraf, Meijer, Noll, Plaßhenrich, Reghecampf, Schlaudraff, Sichone, Straub / Trainer: Dieter Hecking
FC Rot-Weiß Erfurt: Barletta, Bürger, Hebestreit, Keller, Kreuz, Onwuzuruike, Richter, Schnetzler, Tiganj, Traub, Twardzik, Twardzik / Trainer: Rene Müller
1:0 Erik Meijer (2.), 2:0 Erik Meijer (36.), 3:0 Daniel Gomez (39.), 4:0 Erik Meijer (44.), 5:0 Cristian Fiel (47.), 5:1 Andreas Richter (90.)
Stephan Keller (29.), Stephan Keller (33.), Cristian Fiel (47.), Alexander Schnetzler (70.), Ivan Petrovic (71.)
6 / 3
0 / 3
Schalk Georg, Vogler, Kampka
20.962 (ausverkauft, davon ca. 600 Fans aus Erfurt)
sonnig, 15°
Hochzufrieden verließen die Zuschauer nach der Partie gegen Rot-Weiß Erfurt den ausverkauften Tivoli. Die Alemannia hatte mit einer sehr engagierten Leistung die Thüringer mit 5:1 vom Platz gefegt und konnte so an die letzten beiden erfolgreichen Spiele anknüpfen. Zu keiner Zeit stand der Sieg der Hecking-Elf in Frage. Vor 20.962 Zuschauern versuchten die Alemannen von Beginn an die Partie zu gestalten. Die Zweikämpfe wurden aggressiv angenommen und die Erfurter wurden schon im Mittelfeld attackiert.
Dass diese Marschroute schon nach 81 Sekunden Minuten belohnt wurde, freute besonders den Torschützen Erik Meijer. „So frei bin ich noch nie im Strafraum zum Kopfball gekommen, mein Gegenspieler war wohl eine Pommes holen“, scherzte der Kapitän, der seinen Einsatz eigentlich nur der Oberschenkelverhärtung von Jens Scharping zu verdanken hatte. Überhaupt wurde die Aachener Anfangsformation kurzfristig durcheinander gewirbelt. Mittelfeldspieler Simon Rolfes klagte in der Nacht vor dem Spiel über starke Bauchschmerzen. Statt zum Abschlusstraining ging es zum Arzt. Diagnose: Blinddarmentzündung, Rolfes wurde noch am Nachmittag operiert. Der Shooting-Star hat den Eingriff gut überstanden und muss wohl noch einige Tage im Krankenhaus bleiben. Für ihn rückte Cristian Fiel ins defensive Mittelfeld. Jan Schlaudraff übernahm die Rolle hinter den Spitzen Erik Meijer, Daniel Gomez und Laurentiu Reghcampf, der erstmals nach seinem Bänderriss wieder in der Startelf auftauchte. Der „Zwang“, den Kapitän einzusetzen, machte sich für die Alemannia wie gesagt, schon in der zweiten Minute voll bezahlt. Nach einer perfekt geschlagenen Flanke von Laurentiu Reghecampf netzte der Niederländer mit einem sehenswerten Kopfball in die rechte Ecke ein.
In der Folgezeit dominierten die Kicker vom Tivoli eindeutig die Partie. Erfurt hatte keine Chance ein Spiel aufzubauen. In der 35. Minute spielte der Aachener Kapitän nach einem Freistoß von Fiel wieder die Hauptrolle. Nach dem scharf geschossenen Freistoß flog die Kugel an seinen Hinterkopf, von wo aus sie unaufhaltsam über die Linie trudelte. Auch bei den nächsten beiden Toren hatte der sympathische Mittelstürmer seine „Finger“ im Spiel. Nach einem tollen Pass von Jan Schlaudraff, der mit einem guten Spiel seine beste Saisonleistung zeigte, flankte Meijer zielgenau in den Fünf-Meter-Raum, wo Daniel Gomez nur noch den Fuß hinhalten musste. Vier Minuten später wurde der Vorbereiter wieder zum Vollstrecker. Nach einer Reghecampf-Ecke musste die Nummer 11 am kurzen Pfosten nur den Kopf hinhalten. Der Ball tippte kurz vor der Linie auf, so dass der Erfurter Keeper Twardzik schon wieder geschlagen war. Mit diesem Treffer erhöhte Meijer seine Torkonto auf insgesamt sieben.
Rot-Weiß Erfurt tat aber auch alles, um das schöne Offensivspiel der Aachener nicht zu behindern. Keinen einzigen Torschuss konnte die Elf von Coach Jan Kocian in den ersten 45 Minuten verbuchen. „Wir haben es heute der Alemannia zu leicht gemacht“, analysierte ein sichtlich zerknirschter Jan Kocian. Dazu kam, dass Keller mit zwei gelben Karten sein Team dann auch personell schwächte. Zunächst bekam er wegen „Haltens“ den Gelben Karton, und nur vier Minuten später holte er den freistehenden Schlaudraff als letzter Mann von den Beinen. Folgerichtig sah der Abwehrspieler die „Ampelkarte“ und wurde zum Duschen geschickt.
Nach der Pause versuchten die Schwarz-Gelben keinesfalls das Ergebnis zu verwalten. Das Spiel auf ein Tor ging genauso weiter wie es in der ersten Hälfte geendet hatte. Jetzt durfte sich auch Cristian Fiel offiziell in die Torschützenliste eintragen. Nach einem schönen Spielzug über die rechte Seite nahm er einen Abpraller mit der Brust an und zog aus gut zwanzig Metern ab. Sein Schuss konnte von den Erfurtern noch abgeblockt werden, aber gegen den Nachschuss war die Hintermannschaft machtlos. Der Ball schlug ins linke Eck ein (47.).
Mit diesem erneuten früher Dämpfer war den Thüringern schon kurz nach der Pause jegliche Motivation genommen. Die Alemannia bestimmte ganz klar das Spielgeschehen, ohne sich dabei zu verausgaben. Mit Engagement und geschicktem Forchecking wurden die Bälle im Mittelfeld erobert und die Erfurter in ihrer eigenen Hälfte eingeschnürt. Wie beim Handball standen alle Feldspieler in der Erfurter Hälfte und der Ball wurde ruhig hin und her gepasst, bevor dann der gefährliche Pass in die Tiefe kam.
Fiel hatte alleine drei Möglichkeiten (58., 62. und 72.) den Spielstand zu erhöhen. Nach 57. Minuten schonte Hecking die angeschlagenen Meijer und Plaßhenrich und brachte Petrovic und Stehle. Später durfte noch Chris Iwelumo für Daniel Gomez ran. Kurz vor Abpfiff ärgerte sich Stefan Straub dann noch schwarz. Der über 90 Minuten „arbeitslose“ Keeper wurde durch einen Kopfball von Richter dann noch geschlagen. Trotz des Gegentors zeigte die Alemannia eine solide Leistung und hielt zu Recht die drei Punkte am Tivoli. Mit dem Sieg kletterten die Schwarz-Gelben vorübergehend auf den vierten Platz in der Tabelle.
Fazit: Die Alemannia hat sich mit drei Siegen in Serie wieder zurückgemeldet. Der Weg Heckings, mit konzentrierter Arbeit auf dem Trainingsplatz die Wende zu schaffen, scheint sich trotz einer langen Verletztenliste auszuzahlen. So hält sich der Trainer auch nicht lange mit dem Jubeln auf. „5:1 gewonnen. Jetzt zählt für uns nur Oberhausen. Schönes Wochenende. Danke.“, verabschiedete sich Hecking von den Journalisten.