Nicht die berühmten drei Fragezeichen, sondern deren gleich vier sieht Alemannia-Coach Dieter Hecking für das Montagsspiel gegen den MSV Duisburg. Wenn sie auch nur klein sind, so bleibt dem Übungsleiter bei den Patienten Klitzpera, Meijer, Sichone und Schlaudraff immer noch ein Rest an Ungewissheit.
Alle vier konnten in der Woche nur ein reduziertes Trainingsprogramm absolvieren. Voll ins Training eingestiegen sind dagegen Kai Michalke und Dennis Brinkmann. Definitiv muss die Alemannia gegen den Tabellenzweiten ohne Florian Bruns, Thomas Hengen und Simon Rolfes auskommen. Der am Blinddarm operierte Mittelfeldspieler hat gerade erst mit dem Aufbautraining begonnen. Am Donnerstag hatte der Shootingstar der Saison Sportdirektor Jörg Schmadtke seine Entscheidung mitgeteilt, den Verein am Saisonende in jedem Fall zu verlassen. Der Weg geht in die Erste Liga, in welche Stadt genau will Rolfes am Wochenende bekannt geben. „Ich habe ein gutes Gefühl bei diesem Wechsel, denn er ist eine Bestätigung unserer guten Arbeit. Wir sind alle Realisten. Simon findet hier nun mal nicht die sportliche Perspektive wie bei einem Bundesligisten“, sagte Dieter Hecking am Freitag. Rolfes selber spricht auch davon, „sportlich den nächsten Schritt“ machen zu wollen. Natürlich läuft im Hintergrund schon auf Hochtouren die Fahndung nach einem Nachfolger für den zentralen Mittelfeldspieler, der nach seinem Wechsel aus Bremen eine so erfolgreiche Saison am Tivoli ablegte und sich so das Interesse der fast kompletten Bundesliga verdiente. „Ich habe hier ein herrliches Jahr gehabt und werde dem Verein immer für diese Plattform danken“, sagte der 23-Jährige.
Doch am Montag stehen die sportlichen Dinge im Vordergrund. „Spiele gegen den MSV waren immer spannende Duelle. Vor allem diese Partie hat seinen besonderen Reiz, weil gleich drei Akteure aus Duisburg früher einmal das Aachener Trikot getragen haben. Dazu kommt natürlich die Tabellensituation“, erklärt der Trainer. Die Rahmenbedingungen werden nahezu perfekt sein, wenn am Montag die beiden West-Klubs aufeinander treffen. Bis Freitagmittag wurden bereits 17.500 Tickets verkauft - die überdachten Steh- und Sitzplätze sowie die Blöcke M und X werden bis auf den letzten Platz gefüllt sein. Allerdings scheint das Duell im Ruhrgebiet nicht auf das maximale Interesse zu stoßen - der MSV schickte 400 Tickets wieder zurück nach Aachen. Neben dem Gästeblock muss auf dem Aachener Wall wieder eine Pufferzone eingerichtet werden, in der sich keine Zuschauer aufhalten dürfen. Mit exakt 20.632 Zuschauern wäre der Tivoli dann schon ausverkauft. Die Polizei und auch das Ordnungspersonal werden ihr Personal aufstocken, da die Partie als so genanntes Sicherheitsspiel eingeordnet wurde. Aus diesem Grund gilt im und um das Stadion Alkoholverbot.
„Wir sind bereit für ein schönes Spiel vor hoffentlich wieder ausverkauftem Haus. Jetzt wollen wir alles dafür tun, dass es auch ein erfolgreiches Spiel wird“, sagt Hecking. Für den Erfolg könnte im besten Fall die gleiche Elf sorgen, die am letzten Spieltag aufgelaufen ist. „Ich gehe davon aus, dass unsere medizinische Abteilung das hinbekommt. Wenn alle wieder fit sind, wäre die Aufstellung von Oberhausen eine Alternative“, sagt der Coach. Am Montag geht es für den Trainer nicht darum, blind nach vorne zu spielen. Die Alemannia wird also nicht auf Teufel komm raus auf Sieg spielen - Harakiri ist für Hecking noch nicht angesagt: „Noch ist die Zeit des Rechnens nicht gekommen. Es gilt immer noch, dass wir uns eine Position erarbeiten wollen, um an den letzten zwei, drei Spieltagen noch im Rennen zu sein.“
Den kommenden Gegner sieht Hecking selbst im Falle einer Duisburger Niederlage auf dem Tivoli im Kampf um den Aufstieg nicht mehr gefährdet. „Ich glaube nicht, dass sie noch einmal in arge Bedrängnis kommen werden, zumal die Konkurrenz noch gegeneinander antritt.“ Der Aachener Übungsleiter führt vor allem die große Konstanz der Meidericher als Grund für seine frühe Festlegung an, auch wenn er weiß, dass „mancher in Duisburg das gar nicht so gerne hört.“ Zum Beispiel Trainerkollege Norbert Meier. Der stapelt etwas tiefer und sagt: „Solange rechnerisch alles möglich ist, gibt es keine Vorentscheidungen. Natürlich geht es langsam auf die Zielgerade und die Anzahl der Spiele wird weniger. Aber auch für die Alemannia ist weiterhin alles möglich.“ Ivica Grlic, neben Jupp Ivanovic und Miro Spizak der dritte Ex-Alemanne an der Wedau, sieht das ähnlich: „Warum sollen nicht drei Westvereine aufsteigen?“ fragt er. Der Mittelfeldspieler kehrt am Montag „eigentlich mit guten Gefühlen“ an die alte Wirkungsstätte zurück. Wie der Empfang der Fans sein wird, bleibt abzuwarten. Dass die Stimmung aber bestens sein wird, daran zweifelt eigentlich niemand. Flutlichtspiele auf dem Tivoli sind halt immer noch was Besonderes - egal ob am Freitag oder am Montag.
Alemannia Aachen: Fiel, Gomez, Landgraf, Meijer, Noll, Plaßhenrich, Reghecampf, Schlaudraff, Sichone, Stehle, Straub / Trainer: Dieter Hecking
MSV Duisburg: Ahanfouf, Baelum, Bugera, Drsek, El Kasmi, Grlic, Koch, Kurth, Voss, Wolters / Trainer: Norbert Meier
Emil Noll (33.), Markus Kurth (34.), Erik Meijer (59.), Abdelaziz Ahanfouf (82.), Josef Ivanovic (89.)
4 / 5
3 / 5
Sippel Peter
20.632 (ausverkauft/darunter ca. 1.500 aus Duisburg)
bewölkt, 10°
Schon eine Stunde vor Spielbeginn vermeldete der Verein, was jeder an diesem Abend erwartet hatte: Der Tivoli ist ausverkauft. Zum zweiten Mal hintereinander waren 20.632 Zuschauer gekommen, um die Alemannia im Ligaendspurt anzufeuern. Auch rund 1500 Duisburger Anhänger waren angereist, die in ihrem Block ordentlich Stimmung machten. Gleich drei schwarz-gelbe Defensivspieler fielen am Spieltag aus. Nach dem Abschlusstraining musste Alexander Klitzpera passen, der sich die gesamte Woche mit Adduktorenproblemen herum geplagt hatte. Im Training am Freitagmittag holte sich Dennis Brinkmann einen Hexenschuss, auch Frank Paulus musste mit Rückenproblemen absagen. Also rückten die Amateure Mirko Casper und Edwin Bediako in den Kader. „Dieses Verletzungspech zieht sich wie ein roter Faden durch die Rückrunde“, sprach auch Hecking die eklatante Verletzten-Misere der Alemannen an. „Dennoch muss ich der Mannschaft ein Kompliment machen, sie hat heute 90 Minuten lang gerackert, um das Spiel zu gewinnen.“
Die erste Hälfte sah zunächst ein flottes Fußballspiel. Beide Mannschaften versuchten von Beginn an, das Heft in die Hand zu nehmen. Aachen versuchte sein Glück meist über die Außen mit Reghecampf auf rechts und dem quirligen Schlaudraff, der hinter den Spitzen agierte. Der MSV entwickelte aus der Abwehr meist Druck über den Ex-Aachener Ivo Grlic, der Bankdrücker Dirk Lottner als Kapitän vertrat.
Der Ex-Gladbacher Schlaudraff war es in der in der 16. Minute, der durch das Duisburger Mittelfeld kurvte und nur durch ein Foul von Pawel Drsek gestoppt werden konnte, der allerdings nicht den Gelben Karton für diese Aktion sah. Den anschließenden Freistoß setzte Reghecampf allerdings in die Mauer.
In den folgenden Minuten gelang es dem TSV, getragen von seinen Fans, das Spiel an sich zu reißen. Die Duisburger kamen in dieser Zeit nur durch Standards gefährlich vor das Tor von Keeper Stephan Straub. Ex-Alemanne Grlic war es dann, der mit seinem starken rechten Fuß immer wieder für Gefahr sorgte. So auch in der 20. Minute, als Ahanfouf nach einer Ecke von Grlic frei zum Kopfstoß kam, das Leder aber nicht kontrollieren konnte. Die beste Chance für die Alemannia entstand in der 26. Minute. Nach guter Kombination legte Daniel Gomez auf Cristian Fiel ab. Mit einem satten Schuss zwang er Georg Koch im Kasten des MSV zu einer Flugeinlage.
Aufregung in der 28. Minute: Straub schoss nach einer Rückgabe von Moses Sichone im eigenen Sechzehner Markus Kurth an. Den hoch abprallenden Ball konnte Straub zwar abwehren, knickte beim Aufprall aber mit dem linken Knöchel um. Nach einer minutenlangen Behandlungspause musste der Keeper, der sichtlich Schmerzen hatte vom Platz getragen werden. Für ihn kam Kristian Nicht in die Partie, der in seinem ersten Profieinsatz einen sehr sicheren Eindruck machte. „Kristian hat ja in den vergangenen Wochen einige Male bei den Amateuren gespielt, um Spielpraxis zu sammeln. Wir haben heute gesehen, dass wir eine Nummer 2 haben, auf die wir uns hundertprozentig verlassen können“, lobte Dieter Hecking nach dem Spiel. „Es hat einfach Spaß gemacht“, berichtete Nicht im Anschluss an seine blitzsaubere Partie. Gleich beim ersten Einsatz musste Nicht folgerichtig Sonderschichten einlegen, weil jeder Fernsehsender ein Interview mit dem „Langen“ wollte. Erste Diagnose bei Straub: Innenbandverletzung.
Bis zur Pause war das Spiel danach sehr hektisch und geprägt von vielen Nicklichkeiten. Schiedsrichter Peter Sippel hatte alle Hände voll zu tun, das nun sehr kampfbetonte Spiel zu leiten. Weiterhin versteckte sich keine Mannschaft in der Defensive. Der MSV bekam kurz vor der Pause durch Ahanfouf die Gelegenheit in Führung zu gehen, doch der Marokkaner verfehlte das Tor nur knapp.
Nach der Pause bestimmen die Duisburger zunehmend das Spielgeschehen. Wieder vergab jedoch Ahanfouf gute Möglichkeiten. In der 51. Minute rettet Nicht in allerhöchster Not vor dem Stürmer. Auch in der 59. Minute muss sich der Jung-Keeper mächtig ins Zeug legen. Ein Querschläger fiel dem MSV-Spieler direkt vor die Füße - der fackelte nicht lange und zog volley ab, scheiterte jedoch am Aachener Schlussmann. In der Folgezeit entwickelte der MSV immer mehr Druck, und die Alemannia konnte sich nur selten aus der Umklammerung befreien. In der 77. Minute kam der eingewechselte Sergio Pinto nach einer schönen Kombination zum Schuss, doch MSV-Torwart Koch tauchte reaktionsstark ab und lenkte das Leder ins Toraus. Der größte Aufreger vor dem Würselener Wall war ein schöner Kopfball von Meijer, den Koch mit der Schulter wohl gerade noch von der Linie kratzen konnte. Eine enge Entscheidung, die Fans forderten lautstark ein Tor. „In dieser Szene kann man meiner Meinung nach nicht auf Tor entscheiden, auch wenn es nur um Zentimeter ging“, analysierte Hecking fair.
In der Schlussphase versuchen die Aachener immer wieder mit hohen Bällen Erik Meijer anzuspielen. Der Niederländer gewann auch die meisten Luft-Duelle, doch fanden die Bälle meist keinen Abnehmer. Der Aachener Kapitän lieferte sich jedenfalls über 90 Minuten kernige Duelle mit Gegenspieler Pawel Drsek, die hart, aber stets fair waren. Am Ende besannen sich auch die Gäste darauf, einen Punkt mitzunehmen. „Nachdem wir gleich nach der Pause die besseren Chancen hatten, das Tor aber leider nicht gemacht haben, war klar, dass Aachen kommen würde. Da muss man mit dem Punkt zufrieden sein“, bilanzierte Norbert Meier, der mit seinem Team den Tivoli als Tabellenführer verließ. Dieter Hecking wollte nach dem zweiten 0:0 in Folge die Saison freilich noch nicht abhaken. „Weder 1860, noch Frankfurt oder Fürth werden all ihre restlichen Spiele gewinnen. Für uns gilt es weiter, von Spiel zu Spiel zu denken.“ Und bis zur nächsten Herausforderung für die Alemannen bleibt wahrlich nicht viel Zeit - am Freitag geht es zu Rot-Weiß Essen. Besonders die medizinische Abteilung der Alemannia wird bis dahin viel zu tun haben.