Alemannia Aachen: Segnitz – M. Breuer, Emunds – J. Boeven, Roolf, Essers – Wolff, Leussler, H. Wollgarten, J. Wesché, A. Wesché
1:0, 2:0, 2:1 Wesché, 2:2 Roolf, 2:3 Wollgarten (77.)
(in der Radrennbahn vor dem Pferdeturm)
In Hannover hatte sich trotz der späten Stunde eine grosse Anzahl 96er zu unserem Empfang eingefunden. – Am Ostermontage bot sich uns bei allerdings wenig einladendem Wetter Gelegenheit, den Ruf Hannovers als eine der schönsten Städte Deutschlands zu prüfen und interessante Vergleiche zwischen Bremen und Hannover anzustellen. Bei schneidender Kälte begann Nachmittags das Spiel.
In unserer Mannschaft spielte heute A. Wesché Linksaussen, während C. Baurmann zusah. Ihm überlasse ich daher die Schilderung des Spielverlaufs:
Schon gleich zu Anfang mussten wir bei den gegnerischen Stürmern die alte, gefürchtete Kombination und Schnelligkeit unserer vorjährigen Gäste wiederfinden: Dasselbe scharfe, präzise Abgeben, das unverzügliche feine An- und Weiternehmen des Balles und das wirkungsvolle Täuschen und Dribbeln. All dies war dazu angetan unsere Läufer und Hinterspieler zur hellen Verzweiflung zu bringen; trotzdem sah man aber doch, dass es nicht dasselbe hilfesuchende, ratlose Hin- und Herrennen unserer Verteidiger war, wie Pfingsten des vorigen Jahres in Aachen. In der ersten Hälfte drängt Hannover schwer. Schon nach einigen Minuten muss Segnitz retten. Bald daruf kommt der Sturm der Rotweissen in schöner Manier durch und der Mittelstürmer schiesst aus circa 10 m Entfernung in die äusserste Ecke. Segnitz vermag zwar den Ball mit einem langen Satz noch eben zu berühren, kann aber an dem Tor nichts ändern. Doch auch unsere Stürmer sind nicht müssig. Wolff erhält von Leussler den Ball und geht auf und davon, knallt dann aber kurz vor dem Tor den Ball dem Torwart in die Hände. Nicht viel besser macht's J. Wesché nach einer hübschen Dreiinnenkombination. Dann ist bis zur Pause wieder Hannover Herr der Situation. Der abseitsstehende Rechtsaussen erhält den Ball (der Schiedsrichter war der Schnelligkeit des Spieles anscheinend nicht gewachsen), gibt zur Mitte und der Linksinnen schiesst aus 3 m Entfernung mit kolossaler Schärfe unserm Torwart mitten zwischen die Kniee; der Ball rollt langsam ins Netz. Das ist Breuer zuviel. Als nach dem Anstoss der feindliche Mittelstürmer, ein recht unfairer Spieler, vorkommt, schmeisst ihn "Mor" mit unnachsichtlicher Kraft, doch völlig regelrecht hin. – Freistoss. – In sehr überraschender Weise (die Pfeife des Schiedsrichters war beim besten Willen nicht zu hören) wird mit grosser Schärfe und vielem Effet geschossen. Segnitz hält, doch der Ball dreht sich aus seinen Händen und wird von ihm nur mit der äussersten Anstrengung um die Stange befördert. Noch verschiedentlich ermöglichen die Gegner unserm Keeper seine gute Form zu beweisen. Dann bringt der Pfiff des Unparteiischen die befreiende Pause mit dem Stande 2:0 für Hannover.
Hätte mir jetzt einer gesagt, dass Alemannia heute noch gewinnen würde, so hätte ich ihm offen ins Gesicht hineingelacht, hätte allerdings schon kurz nach Wiederanfang mein Unrecht einsehen müssen. Das war beinahe nicht mehr die Stürmerreihe der ersten 45 Minuten, die in der zweiten Hälfte für Aachen spielte: Wolff war noch bedeutend schneller, Leussler nahm keine Rücksicht mehr auf seinen wunden Knöchel, den er vorhin sichtlich geschont hatte. Wollgarten stand nicht mehr müssig in der Mitte des Feldes, Joe begann ordentlich aufzutauen und Albert ging an den Mann. Der Erfolg liess dann auch nicht lange auf sich warten. Eine wohlabgewogene Flanke von Wolff nimmt Joe sicher, und mit Wucht getreten sitzt der Ball im Netz. Alemannia fasst Mut, die Verteidigung Hannovers kommt in Atem. Ein Vorstoss des linken Flügels zwingt den rechten rot-weissen Verteidiger zu einer Ecke. Von Joe getreten landet der Ball im Gedränge. Roolf tritt kräftig durch und unter brausendem Jubel fällt das ausgleichende Tor. Die Gegner arbeiten hastiger und ihr Sturm sitzt wieder in unserer Hälfte. Ein kurzes Gewühl vor unserem Goal, ein Pfiff des Schiedsrichters, ein Schuss und der Ball sitzt; der Punkt wird nicht gegeben; weshalb weiss keiner. Dann sind die Schwarz-gelben wieder vorne. Nach schönem Zusammenspiel schneidet Wollgarten haarscharf den feindlichen Back und schiesst einen tadellosen Effetball hoch in die äusserste Ecke. Bis zum Schluss sind noch 13 Minuten, die Aufregung wird immer grösser und Hannover immer gefährlicher. Ein Ball streift die Stange, einer wird von Segnitz mit aller Mühe gehalten, zwei weitere gehen rechts und links neben das Tor, doch verhindert der Schlusspfiff einen zählbaren Erfolg. Alemannia atmet auf als das hipp-hipp-hurra die streitenden Parteien trennt.
Alemannia: Unsere Stürmer waren, wie gesagt, in der zweiten Hälfte so gut, wie sie in der ersten Hälfte schlecht waren. Liess die Kombination auch etwas zu wünschen übrig, so war doch die Schnelligkeit, besonders der rechten Flanke, grösser als gewöhnlich. Die Läufer hatten harte Arbeit und mussten sich speziell in der ersten Zeit arg von den Gegnern an der Nase herumführen lassen. Das besserte sich aber zusehends, als sie einmal die Kniffe der feindlichen Stürmer kennen gelernt hatten. Unsere Hinterspieler mussten heute "mächtig ins Zeug""; denn mit dem alleinigen Auf-den-Ball-spielen war es heute nicht getan. Dass darunter dei Feinheit des Spieles in der ersten Hälfte litt, kann nicht Wunder nehmnen. Im übrigen waren die beiden mit unserm Keeper der beste Teil der Mannschaft, wie mir auch von hannoverscher Seite versichert wurde.
Hannover: Die Stärke der Gegner liegt in ihrer Stürmerreihe. Ihr Lob ist bereits genügend gesungen, sodass ein Weiteres sich von selbst erübrigt. Nicht ganz so gut, wenn auch sicher nicht schlecht sind die Läufer; Wolff und Leussler waren sie sehr häufig nicht gewachsen. Die Hinterspieler sind sicher, doch fehlt es ihnen an Schnelligkeit. Ein Urteil über den Torwart masse ich mir nicht an, da die drei unhaltbaren Bälle nicht auf irgendwelche Unfähigkeit schliessen lassen.
Nach dem Spiel waren wir bei Hannover 96 zu Gaste beim Abendessen und beim nachfolgenden Kommers gedachte der Vorsitzende, Herr Staacke, wiederholt der Reise Hannovers nach Aachen, die, wie er meinte, allen Teilnehmern unvergesslich sein würde. Wir können unsererseits heute versichern, dass unsere Gastgeber alles getan haben, uns den Aufenthalt in der Leinestadt zu verschönern. Wir sind Hannover für den tadellosen Abend, der einen famosen offiziellen Abschluss unserer Osterfahrt bildete, vielen Dank schuldig. – Die siebenstündige Rückfahrt war, da wir keine Sitzplätze kriegen konnten, weniger vergnüglich. Trotzdem verliess uns der Humor nicht, und wir kamen mit dem befriedigenden Bewusstsein an, Alemannia und Aachen würdig vertreten zu haben.
(Nachrichtenblatt d. F.C. Alemannia, No. 9 / 1. Mai 1908)
Diese Seite nutzt Cookies für Google-Analytics. Sie können Cookies akzeptieren oder ablehnen und Ihre Entscheidung jederzeit ändern.