„Wir müssen weiterhin Antworten liefern. Das ist nicht mit einem Spiel getan. Das Freiburg-Spiel gibt aber klar unsere Richtung vor“, erklärte Trainer Jürgen Seeberger mit Blick auf das Ligaspiel der Alemannen beim FC St. Pauli am Sonntagnachmittag. Eine geschlossene Mannschaftsleistung wie im letzten Spiel gegen Freiburg, das die Alemannia auf dem Tivoli 1:0 für sich entscheiden konnte, fordert der Coach von seinem Team. Eine läuferische und kämpferische Einstellung wie am vergangenen Sonntag müsse einfach Standard sein.
„Die Mannschaft weiß, dass sie eine schwierige Situation gemeistert hat, und das gibt natürlich Selbstvertrauen für weitere Aufgaben. Jetzt gilt es nachzulegen und einen Auswärtssieg einzufahren. Wir müssen von der Moral her den Tank vollmachen“, ließ Seeberger verlauten. Praktisch bedeutet das, besonders in den Umschaltphasen von der Offensive in die Defensive den Ball schnell zurück zu gewinnen, um dann in der Vorwärtsbewegung wieder Tempo zu machen. Die Standards seien noch verbesserungsfähig, aber an die defensive Leistung vom letzten Spiel könne angeknüpft werden. Vom Gegner St. Pauli erwartet der Coach aggressives und kämpferisches Auftreten. „St. Pauli hat bisher auswärts noch keinen Punkt geholt, zuhause aber sieben Punkte. Sie stehen jetzt unter Zugzwang, zuhause gewinnen zu müssen, umso mehr nach dem 0:3 gegen Rostock. Ich denke, dass St. Pauli gar nicht anders kann als offensiv zu spielen“, sagte Seeberger. Dass mit Ebbers, Weigelt, Gunesch und Bruns vier ehemalige Alemannen im Kader der Hamburger stehen - so viele wie in keinem anderen Team-, die heiß auf das Spiel gegen den Ex-Verein sind, ließe auf ein kampfbetontes Spiel hinweisen. Tolle Voraussetzungen werden die Alemannen bei den Hamburgern vorfinden, ist sich der Coach sicher. Ein volles Stadion und Paulis enthusiastische Fangemeinde bieten einen tollen Rahmen für das Spiel.
Gute Voraussetzungen hat der Trainer auch, was die personelle Situation seiner Mannschaft angeht. Außer Mirko Casper, der nach seinem Kreuzbandriss voraussichtlich in zwei Wochen wieder ins Mannschaftstraining einsteigt, und Faton Popova, der am Mittwoch am Kreuzband operiert wurde, kann Seeberger aus dem Vollen schöpfen. Dieser glücklichen Lage mit vielen Variationsmöglichkeiten ist sich Seeberger bewusst: „Es ist für uns von Vorteil, wenn wir eine gut besetzte Bank haben. Das hat das Spiel gegen Freiburg ja auch gezeigt, wo etwa Florian Müller oder Daniel Brinkmann nach der Einwechslung ihre Sache gut gemacht haben.“ Jeder Spieler, der sich gut präsentiert, hat die Möglichkeit, wieder aufgestellt zu werden. So etwa Markus Daun: „Auch ein Spieler wie Markus Daun, der jetzt sein erstes Spiel von Beginn an gemacht hat, hat sich nicht alleine wegen seines Tors empfohlen. Er war geduldig und hat sich professionell verhalten.“ Wie gewohnt wird sich Seeberger aber erst am Samstag nach dem Abschlusstraining auf den Kader festlegen. Zuvor absolviert die Mannschaft am Feiertag eine morgendliche Trainingseinheit.
Die Bilanz der beiden Vereine fällt relativ ausgeglichen aus. Von insgesamt 22 Partien konnte die Alemannia sechs für sich entscheiden, elf Mal trennte man sich Unentschieden und fünf Mal ging St. Pauli als Sieger vom Platz. Die Bilanz der jüngeren Vergangenheit spricht allerdings für die Schwarz-Gelben. Aus den letzten vier Partien holte die Alemannia drei Siege (ein Remis). St. Pauli konnte keines der drei letzten Heimspiele gegen Aachen gewinnen (zwei Remis).
FC St. Pauli: Hain – Rothenbach, Gunesch, Eger, Weigelt – Boll, Schultz – Bruns (87. Gouiffe à Goufan), Ludwig, Hoilett (68. Brunnemann) – Ebbers (82. Schnitzler) / Trainer: Holger Stanislawski
Alemannia Aachen: Stuckmann – Polenz, Szukala, Olajengbesi (58. Lagerblom), Achenbach – Plaßhenrich, Lehmann (75. Lasnik) – Daun, Nemeth, Holtby (62. Müller) – Auer / Trainer: Jürgen Seeberger
1:0 Ludwig (2.), 1:1 Auer (33.), 2:1 Ebbers (45.), 3:1 Ebbers (46.), 3:2 Daun (60.)
Hoilett (6.), Polenz (25.), Daun (47.), Szukala (90.)
Dr. Felix Brych (München) – Markus Pflaum, Matthias Zacher
22.280 (davon ca. 1.200 aus Aachen)
Regen, 10 Grad
Die Alemannia bleibt auswärts weiter sieglos. In einer abwechslungsreichen und schnellen Partie musste sich das Team von Jürgen Seeberger beim FC St. Pauli vor ausverkauftem Haus und bei strömendem Regen mit 2:3 geschlagen geben. Drei Unachtsamkeiten in den Anfangssekunden beider Hälften und der letzten Sekunde der ersten Halbzeit besiegelten die Niederlage am Millerntor. Ausgerechnet Ex-Alemanne Marius Ebbers trug mit einem Doppelpack maßgeblich zum Sieg der Hamburger bei.
Im Vergleich zur Elf, die am vergangenen Sonntag einen Sieg gegen den SC Freiburg eingefahren hatte, nahm Trainer Jürgen Seeberger lediglich eine Veränderung vor. Statt Pekka Lagerblom lief am Millerntor wieder Innenverteidiger Lukasz Szukala auf, der zuletzt eine Gelb-Rot Sperre absitzen musste. Mit Jérôme Polenz auf rechts, Seyi Olajengbesi in der Innenverteidigung und Timo Achenbach links formierte er die Aachener Defensive vor Torwart Thorsten Stuckmann. Das Mittelfeld setzte sich aus dem Torschützen vom Freiburg-Spiel Markus Daun auf der rechten Seite, Kapitän Reiner Plaßhenrich und Matthias Lehmann in der Zentrale und Lewis Holtby über links zusammen. Vorne agierten wie bei bislang allen Partien Benny Auer und Szilárd Nemeth. Auf dem Platz liefen aber noch weitere den Aachener Fans bekannte Gesichter auf. Denn mit Marius Ebbers, Ralph Gunesch, Florian Bruns und Benjamin Weigelt standen auf Seite des FC St. Pauli gleich vier Ex-Alemannen von Beginn an auf dem Platz.
Absoluter Fehlstart - so konnte man den Auftakt der Partie vor 22.280 Zuschauern im Dauerregen bezeichnen. Schiedsrichter Dr. Felix Brych hatte das Spiel gerade erst angepfiffen, da hatte es schon geklingelt. Nach 58 Sekunden flog ein langer Ball in den Aachener Strafraum, Alexander Ludwig kam am zweiten Pfosten frei zum Abschluss und ließ Keeper Stuckmann aus sechs Metern keine Abwehrchance. St. Pauli zog sich nach dem Führungstreffer zunächst in die eigene Hälfte zurück und machte die Räume eng, doch die Seeberger-Elf hatte sich schnell wieder gefangen und kam zu den ersten Chancen. In der 14. Minute flankte Achenbach von links, Daun köpfte, Paulis Schlussmann Hain konnte die Kugel jedoch mit den Fingerspitzen noch um den linken Pfosten lenken. Aus der im Anschluss getreten Ecke von Aachenbach ergab sich eine weitere Möglichkeit für die Alemannen, doch Olajengbesi, Daun und Lehmann trafen den Kasten nicht.
Nun war Leben im Spiel. Ein Konter von Pauli in der 16. Minute lief über rechts auf David Hoillett. Seine Flanke verfehlte Marius Ebbers nur knapp, und Achenbach konnte zur Ecke klären, die Stuckmann daraufhin noch ins Tor-Aus lenkte. In der 28. Minute leitet Torschütze Ludwig Paulis nächste gefährliche Aktion ein. Seine Ecke von der rechten Seite klärte Auer zunächst mit dem Kopf, ehe Carsten Rothenbach beim zweiten Flankenversuch von Ludwig am langen Pfosten mit dem Kopf vorbeisegelte. In der 33. Minute konnten dann endlich die 1.200 mitgereisten Schwarz-Gelben nach einem mustergültigen Konter ihrer Elf jubeln. Polenz hatte den Ball in der eigenen Hälfte erkämpft und Daun angespielt, der auf Nemeth passte. Der überlief die Pauli-Kicker und legte auf Auer ab, der die Kugel nur noch zum Ausgleich einschieben musste. Ein 1:1-Pausenstand wäre verdient gewesen. Die Alemannia hatte nach der anfänglichen Unsicherheit das Spiel über weite Strecken im Griff und überzeugte spielerisch. Aber wenige Sekunden vor Abpfiff der ersten Hälfte war es Kapitän Ebbers, der die Alemannen mit einem 1:2-Rückstand in die Kabinen schickte. Fast logisch, denn Ebbers hatte schon vor dem heutigen Spiel bereist neun Mal gegen seinen Ex-Klub getroffen. So hatten es in der ersten Hälfte die ersten und letzten Sekunden für die Schwarz-Gelben in sich.
Und das sollte so bleiben: Die ersten Sekunden der zweiten Hälfte glichen Anfang und Ende von Halbzeit 1, in denen die Schwarz-Gelben bereits geschlafen hatten. Rothenbach bediente von der rechten Seite Ebbers, und Stuckmann musste bereits in der 46. Minute zum dritten Mal hinter sich greifen. Beim 1:3 sollte es aber nicht bleiben, denn die Alemannen gaben sich trotz zwei Toren Rückstand nicht auf. In der 60. Minute brachte Keeper Matze Hain Lewis Holtby im Strafraum zu Fall. Schiedsrichter Byrch entschied zu recht auf Elfmeter. Daun legte sich die Kugel auf den Elfmeterpunkt und verwandelte sicher im rechten Eck.
Nach dem Anschlusstreffer nahm Seebgerger nach der verletzungsbedingten Auswechslung von Olajengbesi in Minute 58 (wurde durch Lagerblom ersetzt) nun auch Holtby vom Platz, für den Müller ins Spiel kam. In der 75. Minute die dritte Auswechslung: Andreas Lasnik für Matthias Lehmann. St. Pauli suchte in den letzten 20 Minuten laut angepeitscht von mehr als 20.000 Anhängern die Entscheidung. Die Kiez-Kicker hatten zahlreiche Kontermöglichkeiten, schossen aus allen Lagen auf Stuckmanns Kasten, waren aber nicht zwingend genug. Die letzten Minuten waren von Hektik und Spannung geprägt. Die 86. Minute: Daun flankte auf den freistehenden Nemeth, doch Hain konnte dessen Kopfball mit einer Glanzparade entschärfen. Die anschließende Ecke der Alemannia kam wieder gefährlich vors Tor von Hain, der erneut den Ausgleich verhinderte und den Ball sicher fing. In der 90. Minute musste Lukasz Szukala mit einer glatten Roten Karte vom Feld - sehr harte Entscheidung von Schiri Brych nach einer Grätsche, die nicht mal von hinten war. Alemannia muss trotz engagierter Leistung ohne Punkte die Heimreise aus Hamburg antreten.
"Ich kann der Mannschaft nicht viel vorwerfen - außer die Unachtsamkeiten bei den Gegentoren." Jürgen Seeberger hatte eigentlich einen guten Auswärts-Vortrag seiner Elf gesehen. Wären da nicht die "Ränder" der Halbzeiten gewesen. "Wir haben die Gegentore zu sehr unglücklichen Zeitpunkten bekommen", konstatierte auch Sportdirektor Jörg Schmadtke, der mit Einsatz und Leidenschaft des Teams einverstanden war. "Wir haben die Konsequenz vor den Toren vermissen lassen. Da reden wir über ganz andere Dinge als vor dem Freiburg-Spiel", so der Manager. Mit seinen Toren 10 und 11 gegen die Alemannia avancierte Marius Ebbers zum Mann des Tages. "Das ist schon ein bisschen unheimlich. Meine Quote gegen die Alemannia liegt mittlerweile so bei zwei Toren pro Spiel. Aber was soll ich machen? Ich kann die Dinger ja nicht absichtlich daneben schießen", so der Ex-Alemanne, der zugab, dass "es heute für mich ein besonderes Spiel war, keine Frage". Besonders das erste Ebbers-Tor kurz vor der Pause wurmte Seeberger: "Das war sehr ärgerlich und darf uns nicht passieren. Die Mannschaft ist nach dem 0:1 eigentlich gut zurückgekommen", so der Coach, der sich nach der Pause ärgern musste, dass "wir uns in der 46. Minute gleich auskontern lassen." Einer hatte am Sonntag die Nase voll: Paulis Teamchef Holger Stanislawski. "Ich kann meine Spieler nicht mehr sehen, deshalb habe ich ihnen zwei Tage frei gegeben", sagte "Stani" mit einem breiten Grinsen.