Alemannia Aachen: Wirtz – M. Breuer, Riechert – J. Boeven, Roolf, X. Baurmann – Emunds, Essers, J. Wesché, Cl. Baurmann, Altenkamp
Sytsma (Rotterdam)
Bruchstück zur Osterreise unserer ersten Mannschaft.
"In medias res!" forder der Lehrer seine Schüler auf, wenn er sie nach Ostern vor sich versammelt sieht. Herr Oberlehrer Emunds denkt gewiss nicht anders, wenn er durch Zurückhaltung seines einleitenden Artikels über die Osterreise unserer ersten Mannschaft zur Befolgung obigen Ausspruchs zwingt. Seine Stunde ist scheinbar noch nicht gekommen, die meine aber wohl, und zwar Ostersonntagnachmittag 2 Uhr, die Zeit, wo "man wieder für sein Geld arbeiten musste" oder sollte, was Jupp Essers!? Von starkem Wind und scharfer Sonne unterstüzt hielt Hercules uns gefangen. Wenn unsere Stürmer auch ab und zu in der Utrechter Hälfte des Spielfeldes herumwurschtelten, so war das immer nur von kurzer Dauer, nur augenblicksweise konnte unsere Verteidigung sich mit Nichtstuen beschäftigen. Dass wir bis zur Pause keinen Erfolg erringen konnten, ist uns bei den damals obwaltenden Witterungsverhältnissen noch zu verzeihen. Um so schwerer jedoch muss der Vorwurf ausfallen, zu dem der Verlauf der zweiten Spielhälfte berechtigt, wo wir doch mit Wind und Sonne im Rücken ebenfalls stark von Utrecht bedrängt auch nicht allzu oft das feindliche Tor in Gefahr brachten. Sonderbar! Nicht ein einziger Stürmer vermochte die Gelegenheit zu zentern, schiessen oder dribbeln auszunutzen. Es wollte nun einmal nicht fluppen!
Daaaa stellte fest der Jules
Kein' Preis vom dicken Küll
O nein! er treffend sprach,
Worin viel Wahrheit lag:
"Sie! – Du! – gibst doch zu,
Dass der Altenkamp gut ist,
Wenn er nicht schlecht ist". –
Drei Minuten nach halb vier,
Jünny trank gerad' kein Bier.
Solche wichtige Momente
Hält man fest auf Pergamente!
(Das war das)
Dass unser Gegner bei der zeitweise recht starken Belagerung unseres Tores auch nicht einen Erfolg erzielen konnte, spricht nicht allzugut für sein Können; hier muss ich allerdings betonen: Unsere Verteidigung war auf der Hut. Dass hierbei Herm. Riechert einen seiner Gegner innerhalb des Strafraums regelwidrig hinwirft, kann vorkommen, und der Sieg Utrechts mit 1:0 resultiert aus dem dieserhalb gegebenen Elfmeter.
Wie schlapp es zeit- und stellenweise bei uns aussah, will ich verschweigen; dass eine holländische Zeitung (N.K.C.) Montagsmorgens in aller Frühe schon raunte, unsere Stürmerreihe hätte keine Ahnung von Taktik und sein noch nicht zweite Klasse, hatte ich nicht erwartet. Die ev. Verwendung unserer rechten Stürmer als Verteidiger bezw. Läufer war bei der Bedrängnis ausgeschlossen. Spielerisch haben wir uns in Utrecht nicht von der besten Seite gezeigt, "moralisch haben wir ja doch gewonnen" nicht wahr Dicker!? "Oh, wir hatten eine Mannschaft stehen": [...]
Etwa aufkommendes moralisches Minus hatte Gottlob nur bis zum anderen Tage Lebenfrist, wo gegen 2 3/4 Uhr holl. Zeit von ungefähr 25.000 Zuschauern lebhaft begrüsst All-England in dunkler Hose und weissem Hemd und Het Nederlandsche Elftal in weisser Hose und Orange Jersey den wunderbaren Rasenplatz betraten. Bald wäre uns das grossartige Schauspiel Holland – England dadurch gegangen; nicht allzu leicht konnten wir in den Besitz von Eintrittskarten gelangen. "Alle Karten verkauft" schrieb Utrecht, mithin blieb uns nichts anderes übrig, als Montagmorgen zum Geschäftsführer des Niederländischen Fussballbundes hinauszufahren und das mit 13 Mann mit und ohne ff. Crawatten. Herr Hijlkemar nicht zu Hause, also Carlos Krauss und ich no het terrain, während die anderen Truppen unter Befürchtungen wie "dat mit die Billeter, dat fluppt denen ens nit" uns halbwegs auf dem Dam gegen 12 Uhr erwarten sollten. Mahlzeit 12 Uhr! 2 Uhr; denn so leicht gelangten wir nicht zwischen Dampfbahnen, Automobilen, Droschken, Kinderwagen ohne Kinder aber mit Gurken und Apfelsinen ausgefüllt, und tausenden von Menschen hindurch zu Herrn Hijlkemar, den wir garnicht kannten. Wir hatten uns glücklich soweit durchgearbeitet, dass wir sahen: Verschlossen war ads Tor und nur Pöbel stand davor. Na! Abwarten, ohne Tee zu trinken. Wie lange wir gestanden haben, kann ich nicht beurteilen. Denn es gab so viel Interessantes zu sehen, vor allem mit welcher Mühe zwei greise römische Mausoleumswächter die Sprengung des Eisentores zu vereiteln suchten, dass die Zeit kein Maß mehr hatte. Mit einem Male öffneten sich die Tore und nicht allzu knapp war die Freude der rennenden Mengen, die sich mit solcher Hast auf die Tribünen stürzten, das eine einfiel und vier Zuschauer verletzte. Als Vertreter der Intelligenz gelang es uns Herrn Hijlkemar ausfindig zu machen, aber Herr Hijlkemar kümmerte die ganze Intelligenz nicht, er hatte keine Zeit, sprach's und verschwand. An der von hunderten Menschen bestürmten Kasse gelangten wir dennoch für 1,05 fl. in den Besitz von Karten und nun hiess es im Trab nach A'dam zum Dam und die Zunft- und Zechgenossen holen. In die Stadt hinein zu kommen war jetzt noch schwieriger als umgekehrt, weil ungefähr eine Stunde vor Beginn des Spieles die Tausende von Mensche zum Platze wanderten. Dat mit die Billeter, dat fluppte, dat mit dat Zurückkommen fluppte und dat mit dat Kuckenkönnen, dat fluppte auch, also fluppte alles. Wir sahen ein überaus faires schnelles Spiel, indem zuerst Holland drängte, alsbald aber England mehr aufkam, worauf bis zum Ende ein offenes, ausgeglichenes Spiel Platz griff. Die grossen hageren Engländer waren technisch besser als die kleinen stämmigen Holländer. Das Publikum (25.000 Mann) war mit Leib und Seele beim Spiel. Ohrenbetäubender Lärm, wenn ein Holländer den Ball auch nur berührte, Totenstille, wenn die Engländer im Besitze des Balles waren, und nicht wie bei uns in ähnlichem Falle schöne Dialektkosenamen. "Es ist doch gut, wenn man ein paar Worte holländisch kann". Weiteres nächstens.
(Joseph Boeven; Nachrichtenblatt d. F.C. Alemannia, No. 9 / 1. Mai 1911)
Die Osterreise unserer ersten Mannschaft
In der vorletzten Nummer unserer Zeitung bekomme ich vom Spielführer einen auf den Hut, weil ich noch immer nichts über die Reise der Ersten nach Holland geschrieben habe. Der Vorwurf ist berechtigt; doch: audiatur et altera pars, sagt der bei Joseph Boeven anscheinend mit Recht so beliebte Lateiner. Ich hatte vor, den Bericht in Versen abzufassen, und Reimen ist, wie sogar Joseph zugeben wird, nicht immer ganz einfach und schmerzlos (dieses besonders für den Leser nicht). Schon der Anfang machte Schwierigkeiten. Zwar gelangen mir einige ganz hübsche Eingangsakkorde, wie:
Zum internationalen Spiel
Fuhr Alemannia ins holländische Revier
oder:
Am Samstag fuhren dreizehn Mann
Von Aachen fast bis Amsterdam,
oder:
Um vier Uhr melden sich die Elf
Bei Joseph Boeven all' zur Stell;
(man bemerke das Lebhafte der Erzählung, in einfacher Weise durch Anwendung des Präsens erreicht).
Oder auch im gemütlichen Erzählerton:
Am Ostersamstag Nachmittag
Da traten an wir uns're Fahrt
Aber alle genügten meinem durch Schillers Schulausgaben verwöhnten Geschmack nicht; ich las verzweifelt einige unserer früherern poetischen Spielberichte durch, und bald spürte ich die Wirkung:
Mit kräftigem Hipp, hipp, hurrah!
Ging auf die Fahrt Alemannia.
Leider entsprach diesem prosodisch tadellosen, einfachen und geschmacklosen Beginn die Fortsetzung durchaus nicht. Pegasus schien schon allerhand durchgemacht zu haben, als ich ihn ins Joch zwingen wollte. Da ich ausserdem das Reimlexikon verlegt hatte und vor lauter Skandieren in Gehirnkrämpfen zu verfallen drohte, nahm ich einen Dichterurlaub von 14 Tagen. Inzwischen erschien die genannte Nummer unserer Zeitung; ich las sie und kehrte reumütig zur Prosa zurück. Und somit hebe ich an:
Wie bei unserer ersten grossen Reise im Jahre 1907 war Holland diesmal unser Jagdgebiet, während wir in den dazwischen liegenden Jahren im eigenen Lande geblieben waren. Jede unserer grossen Fahrten hat irgend etwa besonderes: Die nach Hamburg und Kiel (1909/10) war die weiteste und interessanteste; die nach Bremen und Hannover (1908) die erfolgreichste; die nach Frankfurt und Cassel (1909) die nasseste (deshalb hatten wir auch Schwimm mitgenommen), und die nach Nymwegen und Dordtrecht (1907) die gemütlichste. Die Vergleiche mit dieser unserer Jungfernreise drängten sich natürlich in Fülle auf. Mag immerhin die Erinnerung an die erste Hollandfahrt durch die Jahre vergoldet erscheinen, – der Eindruck, den das holländische Strassenleben, die naive Sprache, die reichhaltigen Frühstücke, damals auf unsere unverwöhnten Augen, Ohren und Magen machte, konnte diesmal nicht übertroffen werden. – Doch auch die jetzige Tour hatte ihre Vorzüge. Die Menge der "Liebesgaben" machte das Mitnehmen einer Futterkiste unumgänglich, und die Angst vor dem Zoll bot den willkommenen Vorwand, noch vor der Grenze alles anzubrechen, damit in den materiellen Genüssen der Geist nicht ersticke, hatten Boeven und Breuer ein sauberes Heftlein herausgegeben, das Festordnung, Fremdenführer und Volkslieder umfasste. So feierte denn nach der Wahl eines Chorführers Polyhymnia blendende Triumphe.
Nach der Ankunft in Utrecht war das Verlangen nach einem Dämmerschoppen allgemein. Wir genehmigten denn auch diverse und bereiteten uns so passend auf den "Budenzauber" vor, der nachher im Hôtel in der üblichen Weise vonstatten ging, und durch das Auftreten des Wirts nur unwesentlich beeinträchtigt wurde.
Dem Ostersonntagmorgen verlieh wie immer der "Bronk" durch die Stadt – Mütze im Nacken, Hände in den Hosentaschen – ein besonderes Gepräge. Utrecht ist eine typische holländische Mittelstadt: saubere Häuser in dunkelroten Ziegeln, zackige Türme, wohlgepflegte Alleen; auch das Wasser fehlt nicht. Unser Trupp erregte in dem stillen Ort allerhand Aufsehen; einem kleinen Bürschlein fiel sogar vor Staunen ein voller Milchtopf aus der Hand. Wie mag er später, als die "Spannung" vorbei war, die fremden Fussballspieler verwünscht haben!
Nachdem wir das Mittagessen durch stramme Haltung ersetzt hatten und Willy durch Zufall merkte, dass wir in Utrecht waren, konnten wir beruhigt zum Hercules-Platz hinausfahren. Dort spielte sich das Drama ab, dass Boeven uns beschrieben hat.
Nach dem anregend verlaufenen Abendessen versuchte unser Schiedsrichter Bram Sytsma einen kleinen Commers zu verlanlassen. Aber wir waren eben nicht in Dordtrecht; und so waren wir weiter nicht böse, als uns gegen 10 Uhr der Zug nach Amsterdam entführte. Unter Führung von Carl Krauss entdeckten wir bald unser Quartier und unternahmen dann einen gemütlichen Bummel durch die "auf 376.000 Pfählen stehende holländische Hauptstadt". –
Wie der nächste Vormittag ganz von der Sorge um Eintrittskarten für England – Holland ausgefüllt wurde, hat Jupp treffend veranschaulicht. Wir sind ihm und Carlos für die Ergatterung der Karten zu grossem Dank verpflichtet; als wir nach dem Spiel, in der gewaltigen Menschenmasse eingekeilt, Schritt für Schritt gegen Amsterdam vorrückten; als wir später die vielen Tausende an uns vorbeiziehen liessen, da merkten wir erst recht, wie bedauerlich es gewesen wäre, wenn wir das ganze Schauspiel versäumt hätten.
Andererseits hatten wir von Amsterdam selbst bisher noch wenig gesehen. Und jetzt, nach dreistündigem Stehen in drangvoll fürchterlicher Enge, beschränkte sich unsere Genussfähigkeit rein auf das Materielle. Der Abend verlief bei Bierkonzert und holländischen Schnäpsen ziemlich onbelangriyk bis wir ins Quartier kamen, wo es dann bei Heringen und Mostrich wieder recht lebendig wurde.
Dir Rückreise am Dienstag Morgen zeigte uns zunächst einen Teil des Amsterdamer Hafens mit überseeischen Dampfern; dann folgte stundenlang die bekannte holländische Landschaft: Getreidefelder, Moore, Windmühlen, träge Wasserläufe. Anfangs ganz anziehend, verlieren diese Bilder bei etwa 6 stündiger Fahrt allmählich doch den Reiz. In Maastricht, wo wir umsteigen wollten, eine angenehme Ueberraschung: der Anschluss ist weg! Moritz fährt bis Simpelfeld und geht von da zu Fuss; wir andern ziehen es vor, unseren Aufenthalt in Holland noch um 2 Stunden zu verlängern, wenn auch die Korrespondenz im Geschäft zu Bergen anschwillt. Amsterdam und Maastricht! Ich übergehe die boshaften Bemerkungen, die der unfreiwillige Besuch der kleinen Maasstadt lautwerden liessn. Aber als wir dann abends wieder in der Kette sassen und die Erinnerungen an manche schöne Szene aufstiegen, da war auch diese Qual vergessen, und mancher der Zurückgebliebenen wird bei Jülls und Jünnys Abenteuer heimlich geschworen haben: Nächstes Mal sind wir auch dabei!
(Josef Emunds; Nachrichtenblatt d. F.C. Alemannia, No. 11 / 1. Juni 1911)
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