Alemannen vor kniffliger Aufgabe in Wiedenbrück
In Spiel eins nach der großen Aufstiegsparty ist die Alemannia beim Rückrunden-Zweiten gefordert: Am Samstag wartet im Jahnstadion ab 14 Uhr der SC Wiedenbrück auf die Schwarz-Gelben.
Wie er das vergangene Wochenende noch genau verbracht hat, das vermag Heiner Backhaus nicht mehr so recht zu sagen: „Wenn ich feiere, dann richtig“, grinst der Trainer der Alemannia. Sofort kehrt aber die Ernsthaftigkeit in sein Gesicht zurück und er fügt an: „Die Party war schön, ist aber abgehakt. Es geht jetzt demütig Tag für Tag weiter.“ Da ist es wieder, das Wörtchen, das der Erfolgscoach am Tivoli seit Monaten – offensichtlich zu Recht – gepredigt hatte und das jetzt nicht aus den Köpfen seiner Spieler verschwinden soll. „Wir sind ab sofort der gejagte Meister und wir haben ein verdammt schweres Auswärtsspiel vor der Brust. Wir haben keine Zeit für Späßchen“, stellt Backhaus klar, bevor es die etwa 230 Kilometer zum SC Wiedenbrück geht.
Diese etwas längere Reise tritt die Tivoli-Truppe nun mit der nicht unwesentlichen Voraussetzung an, dass sie seit letzter Woche „nicht mehr unter Zugzwang“ steht, wie der Trainer es formuliert, sondern mit einer gewissen Unaufgeregtheit an die letzten Meisterschaftsspiele gehen kann. Dennoch will die Alemannia die Partie selbstredend gewinnen, will im Vergleich der beiden besten Teams der Rückrunde am längeren Hebel sitzen. „Die Mannschaft, auf die wir da treffen, hat nichts mehr mit dem Gegner aus der Hinrunde zu tun“, rekapituliert Co-Trainer Ilyas Trenz die Entwicklung der Ostwestfalen. Die kann sich nämlich sehen lassen: Nachdem das Team von Ex-Alemanne Daniel Brinkmann die Hinserie lediglich auf Platz 14 abschloss, katapultierte es sich dank überragender zweiter Saisonhälfte mit 30 Punkten aus 14 Spielen auf den sechsten Tabellenplatz. Besonders einschlagen konnte dabei Winterzugang Mats Pannewig, der vom VfL Bochum kam und sieben Scorerpunkte in neun Spielen sammelte. Mit seiner Mithilfe schlug der SCW daheim unter anderem die Spitzenteams Fortuna Köln (3:1) und Wuppertaler SV (3:0) deutlich.
Grund genug für die Alemannia, sich unabhängig des bereits Erreichten auch in Wiedenbrück „um jeden Grashalm zu prügeln“ – so verlangt es der Trainer. „Wir sind es unseren unglaublichen Fans schuldig, in jedem Spiel unser Herz auf dem Platz zu lassen. Dieses Versprechen machen die Spieler, wenn sie den Vertrag am Tivoli unterschreiben“, bekräftigt Backhaus, der gemeinsam mit Brinkmann den Pro-Lizenz-Lehrgang absolviert. Dass das Versprechen mehr als eingelöst wurde, das beweist auch ein Blick auf die Personalakte vor der Partie im Jahnstadion: Da wären zum Beispiel Bastian Müller oder Kilian Pagliuca, die am Ende einer kräftezehrenden Saison auf der letzten Rille gehen. „Bei Basti, der es mit dem Meniskus zu tun hat, mussten wir immer wieder mit Schmerzmitteln arbeiten“, berichtet Backhaus, der nun mit Blick auf das Pokalfinale sicherlich den ein oder anderen schonen wird. Aufgedrängt für die Startelf am Wochenende hat sich hingegen beispielsweise Uli Bapoh, der gegen Bocholt ein starkes Spiel gemacht hat. „Wir hoffen, ihn für 90 Minuten belasten zu können“, sagt sein Coach.
Ein belastendes Erlebnis ist unterdessen auch die Anreise nach Rheda-Wiedenbrück, ist es doch eine der kilometerreichsten Touren auf der Regionalliga-West-Landkarte. Dennoch werden im 3000 Zuschauer fassenden Stadion in der Rietberger Straße rund 1000 Alemannia-Fans erwartet, die sich streckentechnisch schon einmal auf die 3. Liga einstellen. Für alle Daheimgebliebenen gibt es wie immer den Alemannia-Liveticker, den Audiostream von 100,5 – DAS HITRADIO oder den SPORTTOTAL-Livestream. Mit Blick auf die Bilanz liegt die Alemannia nach 19 Duellen mit zwölf Siegen und vier Unentschieden klar vorne. Nur dreimal verlor man gegen Wiedenbrück.
Schiedsrichter der Partie des 32. Spieltags ist Kristijan Rajkovski aus Remscheid. Ihn unterstützen Fasihullah Habibi und Michael Menden.
SC Wiedenbrück : Beermann – Domröse, Böhmer, Hüning, Amedick, Brosowski (46. Karahan) – Friesen (62. Ruzgis), Ali (46. Özer), Liehr, Szeleschus (79. Kerkemeyer) – Kaptan (46. Aboagye) / Trainer: Daniel Brinkmann
Alemannia Aachen: Johnen – Winter (76. Afamefuna), Hanraths (76. Uzelac), Rumpf, Strujic – Bapoh (76. Statovci), Schwermann – Scepanik – Heinz, Töpken (76. Brasnic), Schaub (62. Heister) / Trainer: Heiner Backhaus
0:1 Heinz (25.), 0:2 Scepanik (38.), 0:3 Heinz (74.), 0:4 Heinz (78.)
Ali (30.), Brosowski (37.), Statovci (84.)
4 / 6
Kristijan Rajkovski (Hackenberg) – Fasihullah Habibi, Michael Menden
1.811 (davon ca. 1.000 aus Aachen)
16 Grad, Regen
Backhaus-Elf setzt Aufstiegsparty mit 4:0-Erfolg fort
Das war deutlich: Ein Dreierpack von Anton Heinz (25. per Elfmeter/75./78.) sowie der Treffer von Lukas Scepanik (38.) ebneten am Samstag einen starken 4:0 (2:0)-Auswärtssieg beim SC Wiedenbrück. Das Duell im Jahnstadion sahen 1811 Zuschauer.
„Die Party ist abgehakt“, hatte Alemannia-Coach Heiner Backhaus im Vorfeld des Spiels in Ostwestfalen klipp und klar angekündigt. Mit Blick auf das überzeugende Ergebnis sowie die starke Leistung seiner Schützlinge in Wiedenbrück wird er seine Aussage wohl wieder etwas revidieren müssen – denn die etwa 900 mitgereisten Fans der Schwarz-Gelben feierten ihr Meisterteam nach Abpfiff in einer Weise, die stark an die Vorwoche und die Aufstiegssause auf dem Tivoli erinnerte: Ausgelassen und befreit, genau so war die ganz in weiß gekleidete Alemannia an der Rietberger Straße über die komplette Spielzeit ebenfalls aufgetreten.
Backhaus mischte seine Startelf im Vergleich zur Niederlage gegen Bocholt auf vier Positionen durch, wie angekündigt bekamen die lädierten Kilian Pagliuca und Bastian Müller ihre Schonzeit. Dafür unter anderem in der Anfangsformation: Vincent Schaub, der damit zu seinem ersten Einsatz seit dem 4. November kam. Auch der gegen Bocholt starke Uli Bapoh spielte von Beginn an. Das Spiel brauchte bei widrigen Witterungsbedingungen unterdessen etwas, um in die Gänge zu kommen. Eine erste Duftmarke setzte Scepanik, der SCW-Keeper Luca Beermann aus etwa 30 Metern prüfte – der Torhüter der Gastgeber konnte zur Ecke abwehren (15.).
Etwas weniger geschickt als sein Torwart stellte sich dann zehn Minuten später Jan-Lukas Liehr an, der bei einem Klärungsversuch den im Rückspiegel heranrauschenden Heinz übersah und diesen von den Beinen holte – Schiedsrichter Kristijan Rajkovski entschied auf Elfmeter. Der Gefoulte trat selbst an und verwandelte sicher unten links zum 0:1 (25.). Geradezu postwendend hätte die zweitbeste Mannschaft der Rückrunde beinahe ihrem Titel alle Ehre gemacht und ausgeglichen, Benjamin Friesen setzte seinen Schuss aus etwa 18 Metern allerdings über die Latte (27.). In der Folge zeigten die Tivoli-Kicker, dass sie die Marschroute ihres Trainers voll und ganz verinnerlicht hatten: Um jeden Grashalm kämpfen, unabhängig vom bereits feststehenden Aufstieg. „So ein Sieg funktioniert nicht ohne die nötige Haltung. Ich habe eine sehr gute Leistung meines Teams gesehen“, musste Backhaus nach der Partie anerkennen.
Und die Gäste machten weiter, behielten ihr hohes Pressing bei und gewannen viele Bälle in der gegnerischen Hälfte. Fabian Brosowski wusste sich auf der linken Abwehrseite gegen Heinz nur mit einem Foul zu helfen und sorgte für einen Freistoß des zu Fall gebrachten Ballakrobaten, der den Kopf von Schaub fand. Dieser bediente Scepanik, der Beermann mit einem Aufsetzer ins linke Eck überwand, 0:2 (38.). Eine Zeigerumdrehung später hätte die Alemannia fast noch vor der Pause alles klargemacht, aber Thilo Töpken vergab freistehend nach Bapoh-Zuspiel (39.). „Unser Matchplan ist voll und ganz aufgegangen, wir haben uns viele Chancen herausgespielt“, stellte Rechtsverteidiger Nils Winter fest, der ebenfalls von Anfang an auflief.
Auch in Durchgang zwei gab sich der Tabellenführer keine Blöße und ließ die zuletzt so starke Elf von Coach Daniel Brinkmann kaum zur Entfaltung kommen. Schaub verpasste die Krönung für sein Comeback nur um Zentimeter, sein Versuch nach Vorlage von Töpken ging in Minute 56 knapp rechts vorbei. Besser machte es wieder einmal Heinz, der stark über rechts durchbrach, kurz nach innen zog und einen trockenen Schuss ins lange Eck zum 0:3 abfeuerte (74.). Die Festivitäten im Gästeblock waren da schon wieder in vollem Gange. Der SCW präsentierte sich insgesamt zu ungefährlich und musste dann auch noch das vierte Gegentor an diesem Nachmittag schlucken: Marc Brasnic, Teil einer Vierfacheinwechslung von Backhaus für die Schlussviertelstunde, spielte einen Sensationspass von der linken Seite in die Schnittstelle zu Heinz, der Beermann überlupfte und den Dreierpack schnürte (78.). „Ich hoffe, dass ich meinen persönlichen Titel in dieser Saison noch holen kann“, grinste der Ballermann nach dem Spiel – mit nunmehr 19 Treffern ist er auf dem besten Wege, Torschützenkönig der Regionalliga West 2023/24 zu werden.
Seine Teamkollegen mussten nur noch einmal kurz zittern, als der zur Pause eingetauschte Phillip Aboagye einen Freistoß aus aussichtsreicher Position über das Tor drosch (89.). Etwas zuvor hatte Brasnic nach Pass von Robin Afamefuna aus spitzem Winkel das 0:5 verpasst (82.), was Trainer Backhaus am Ende herzlich egal sein konnte: „Ich ziehe den Hut vor meinen Jungs“, trat er über beide Ohren strahlend die Heimreise nach Aachen an.