Was macht ein Trainer, dessen Team gerade einen historischen Erfolg errungen hat, um seine Schützlinge aus der Feierlaune herauszuholen und sie ernsthaft auf das nächste Spiel vorzubereiten? Vor dieser Aufgabe steht Dieter Hecking derzeit. Die Lösung: Neue Ziele, Erwartungen und frisches Personal.
„Es ist natürlich nicht so ganz einfach, den sportlichen Alltag wieder einkehren zu lassen. Genau da liegt das Problem, das wir lösen müssen“, gesteht der Trainer ein. So war auf der Pressekonferenz vor dem Spiel von Freudetrunkenheit nach dem Aufstieg nichts zu spüren. Vorausblickend auf die kommende Saison will Hecking vermeiden, dass es bei einem schwachen Abschneiden in den restlichen Spielen und einem schlechten Start im kommenden Jahr irgendwann heißt: Alemannia seit acht Spielen ohne Sieg. Deshalb ist die Aussage des Coaches klar: „Ich erwarte von der Mannschaft, dass sie schon am Freitag wieder den Anfang findet. Das ist eine klare Forderung von mir, die ich den Jungs deutlich artikuliert habe.“
Bei Umsetzen dieser Forderung muss Hecking auf vier Spieler verzichten. Laurentiu Reghecampf ist nach seiner Roten Karte für das erste von zwei Spielen gesperrt, Reiner Plaßhenrich muss in seiner Heimatstadt nach dem fünften Gelben Karton zusehen. „Er wäre ohnehin ein Kandidat für eine Pause gewesen“, sagt Hecking. Einige Spieler hätten in den vergangenen Wochen angeschlagen und mit Schmerzen gespielt, denen jetzt die Gelegenheit gegeben werden kann, ihre Blessuren auszukurieren. Zu dieser Gruppe gehört auch Emil Noll, der am Donnerstag nach Berlin flog, um seine anhaltenden Leistenprobleme untersuchen zu lassen - beim selben Arzt, der vor der Saison auch Alex Klitzpera schnell von diesem Leiden befreite. Noll fehlt damit ebenso wie Thomas Stehle, der wegen seiner Sprunggelenksprobleme noch nicht trainieren kann.
Mindestens drei Änderungen wird es also geben. Gesucht wird also ein neuer linker Verteidiger, hier könnte sich das Debüt von Sascha Dum in der Startelf anbahnen. Im zentralen defensiven Mittelfeld sollte Matthias Heidrich erste Wahl sein, auf der rechten Seite könnte Goran Sukalo ins Team rücken. Für den Rest des Teams wünscht sich der Coach möglichst viele Typen mit der „Meijer-Mentalität“: Richtig feiern und dann wieder richtig Gas geben. „Die Einen sagen: Wir haben unser großes Ziel erreicht, lasst uns feiern. Es gibt andere Charaktere, die sagen: Wir wollen weiter gewinnen“, erzählt Hecking, der nach dem Freitagsspiel die Möglichkeit nutzen will, vor der Partie gegen Siegen am 2. Mai noch einmal einige freie Tage zu geben. So lange gilt: Bis Freitag haben alle Feierlichkeiten hinten an zu stehen.
Nicht zuletzt hat der Coach auch die zu erwartende Unterstützung durch mehr als 2000 Aachener Schlachtenbummler im Auge. „Ihnen gegenüber hat das Team eine Verpflichtung“, stellt er klar. Die Partie im Hermann-Löns-Stadion ist jedoch noch nicht ausverkauft. Restkarten sind vor Ort noch erhältlich. Der Sonderzug nach Paderborn ist allerdings restlos ausverkauft. Der Zug fährt um 14.29 Uhr am Aachener Hauptbahnhof ab und hält auch in Stolberg um 14.42 Uhr. Glasflaschen und hochprozentige alkoholische Getränke sind im Zug nicht zugelassen. Es wird darüber hinaus darum gebeten, keine 5-Liter-Partyfässer Bier mitzunehmen. Der Alkoholkonsum ist den Mitfahrenden erst ab einem Alter von 16 Jahren erlaubt. Bier und nicht alkoholische Getränke in Dosen und Kunststoffflaschen sind zugelassen. Nach Paderborn fahren zusätzlich sechs Fanbusse. Die Busse fahren am Freitag um 14 Uhr am Tivoli ab und sind ebenfalls ausverkauft.
Schiedsrichter der Begegnung ist der Student Stefan Lupp (27) aus Waldstadt, ihm assistieren Markus Häcker und Thomas Gerber.
SC Paderborn 07: Bollmann, Brinkmann, Brouwers, de Graef, Gouiffe a Gouffan (46. Erkinger), Krösche (72. Fall), Müller, Ndjeng (56. Dragusha), Schulp, Schüßler, Starke / Trainer: Jos Luhukay
Alemannia Aachen: Casper, Dum, Ebbers (56. Fiel), Heidrich, Klitzpera, Meijer, Nicht, Pinto, Schlaudraff, Sichone (46. Bruns), Sukalo / Trainer: Dieter Hecking
1:0 Bollmann (7.), 1:1 Sukalo (16.), 2:1 Ndjeng (18.), 3:1 Müller (42.)
Starke (15.), de Graef (24.), Gouiffe a Gouffan (28.), Dum (33.), Heidrich (34.), Schlaudraff (37.), Heidrich (54.), Klitzpera (55.)
4 / 1
Stefan Lupp, Thomas Gerber, Markus Häcker
8.836 (davon ca. 2.200 aus Aachen)
heiter, 14 Grad
Böses Erwachen nach der großen Feier: Alemannia hat am Freitagabend in Paderborn mit 1:3 verloren und dabei eine über weite Strecken enttäuschende Leistung abgeliefert. Jan Schlaudraff und Matthias Heidrich wurden des Feldes verwiesen.
„Zum ersten Mal in dieser Saison bin ich enttäuscht von der Mannschaft“, sagte Trainer Dieter Hecking nach der Partie. Bereits in der Anfangsphase sah sich seine Elf, die auf einigen Positionen verändert war, starken Szenen des Gegners gegenüber. Zuerst stand René Müller im Fünfmeterraum ziemlich frei und verpasste, dann prüfte Krösche Nicht mit einem Fernschuss. Die anschließende Ecke führte zur Paderborner Führung. Bollmann kam frei zum Kopfball, Casper konnte auf der Linie nichts mehr retten (8.). Nur eine Minute später war Schulp allein auf weiter Flur, Alex Klitzpera rettete in letzter Sekunde.
Die Schnelligkeit von Jan Schlaudraff brachte den Aufsteiger zurück ins Spiel. Er kam einen Tick vor Keeper Starke an den Ball, der den Aachener Stürmer auf der Strafraumlinie zu Fall brachte und mit Gelb gut bedient war. Den fälligen Elfmeter verwandelte Goran Sukalo traumhaft sicher (15.). Leider konnten sich die Schwarz-Gelben nicht lange über den Gleichstand freuen. Kristian Nicht machte den ersten gravierenden Fehler, als er einen Fernschuss von Ndjeng durch die Hände gleiten ließ (18.). Die Alemannen blieben zu diesem Zeitpunkt trotz einiger Wackler in der Defensive dennoch im Spiel. Sergio Pinto prüfte Starke per Freistoß, Sukalo setzte einen Kopfball nach Pinto-Ecke knapp über das Tor.
Als sich die Nickligkeiten häüften und Schiedsrichter Lupp mit vielen Gelben Karten durchgriff, gingen Jan Schlaudraff die Nerven durch. Als schon abgepfiffen war, holte er Müller von den Beinen und sah die Rote Karte. Es wurde hektisch, und auch Moses Sichone konnte sich dem nicht entziehen. Ballverlust an der Mittellinie, schneller Konter, und Müller musste den quer gelegten Ball nur noch zum 3:1 über die Linie drücken (42.). Kurz vor dem Pausenpfiff verdiente sich auch Gouiffe à Goufan mit einem rüden Foul die Gelb-Rote Karte. Lupp traute sich aber nicht, den Mittelfeldspieler ebenfalls vom Platz zu stellen.
Zur Pause brachte Hecking den schnellen Florian Bruns für Sichone. Nach wenigen Minuten schwächte sich die Alemannia wiederum selbst. Der bereits verwarnte Matze Heidrich ging im Mittelfeld zu rustikal zu Werke, Lupp zückte die Gelb-Rote Karte (53.). Hecking reagierte prompt und brachte Cristian Fiel für Marius Ebbers. Paradoxerweise gelang es dem Team, mit Neun gegen Elf die Partie zu beruhigen. Von den Paderbornern war nicht mehr viel zu sehen, lediglich kurz vor Schluss kam Müller zur einzig nennenswerten Szene nach der Pause. „Wir hätten den Ball viel schneller laufen lassen müssen“, kritisierte Coach Jos Luhukay, der sich ansonsten über den endgültig perfekten Klassenerhalt freuen konnte.
Alles andere als Freude herrschte auf Aachener Seite. „Das war indiskutabel“, meinte Sportdirektor Jörg Schmadtke. „Es waren über 2000 Aachener hier, dem hätte die Mannschaft Rechnung tragen müssen.“ Nicht viel anders äußerte sich Hecking: „Das war keine Leistung, die ich akzeptieren kann. Wir haben gefeiert, aber Arbeit ist Arbeit.“ Kapitän Erik Meijer schüttelte ebenfalls den Kopf über die eigene Leistung, fand aber auch kritische Worte an der Leistung des Unparteiischen. „Er hat genauso wenig überzeugt wie wir. Aber das ist keine Entschuldigung für unser schlechtes Auftreten.“