Alemannia Aachen: Wirtz – M. Breuer, Riechert – J. Boeven, Roolf, Essers – Wolff, H. Wollgarten, J. Wesché, Rex, Altenkamp
FV Holstein Kiel: u.a. Friese (Tor) – Borck
1:0 Altenkamp, 1:1, 1:2, 1:3, 1:4, 1:5 (46.), 1:6 (90.)
(auf dem Sportplatz Tivoli)
Nachdem Holstein zuerst wegen des in Köln stattfindenden Endspiels um die deutsche Meisterschaft kein anderes Spiel austragen wollte, entschlossen sich unsere Kieler Freunde doch dazu, uns am 2. Feiertage das von Neujahr her schuldige Rückspiel zu liefern. Sie werden diesen Entschluss nicht bereut haben, denn die Mannschaft machte hier einen durchaus frischen Eindruck. Der Angriff ging sogar weit mehr aus sich heraus, als am Tage vorher, wo ihm die ungeheure Aufregung der Spieler viel verdarb.
[...] sollten unsere Farben gegen den neu aufgegangenen Stern, wie eine Zeitung Holstein nennt, vertreten. Wir eröffnen das Spiel und schon nach einigen Minuten kann Altenkamp einen Eckball schön einköpfen. Wir erfreuen uns jedoch des Vorsprunges nicht lange, denn eine schneller Angriff der rechten Flanke bringt Kiel den Ausgleich. Der gegnerische Angriff spielt vorzüglich zusammen und hält unsere Verteidigung ständig in Atem. Nach einer längeren Pause fallen kurz nacheinander 3 weitere Tore für Kiel. An diesen Erfolgen war hauptsächlich die famose rechte Flanke beteiligt, die zu halten Essers auch nicht den geringsten Versuch macht. Der jetzt vorgenommene Platztausch zwischen Essers und Wollgarten erweist sich als zweckmässig, wenn auch Kiel bis zur Pause glatt überlegen bleibt. Nach Halbzeit erzielt der Gegner vom Abstoss ab durch einen groben Fehler von Roolf das 5. Tor. Damit ist Holsteins Kunst einstweilen zu Ende. Unsere viel versprechende linke Flanke arbeitet sich immer wieder durch und gibt durch eine Menge schöner Flanken den Innenstürmern Gelegenheit, unsere Torzahl zu erhöhen. Diese machen aber hiervon keinen oder schlechten Gebrauch. Verschiedene sichere Bälle werden drüber geschossen und das, was zwischen die Pfosten gelenkt wird, hält der glänzend spielende Torwächter Froese. Unsere Ueberlegenheit ist jetzt ebenso ausgeprägt wie Holsteins in der ersten Hälfte, aber die zählbaren Erfolge bleiben aus. In der letzten Minute bringt ein Durchbruch von Kiels Halbrechtem, bei dem Wollgarten und Riechert den Ball verfehlen, dem Gegner das 6. Tor.
In der Holstein-Elf war heute die Stürmerreihe das Beste. Das brillante Dreiinnenspiel erinnerte mich lebhaft und wehmütig an unser Stürmerspiel vor 2 und 3 Jahren. Der Rechtsaussen Borck der in Köln glatt versagt hatte, war hier einfach nicht zu halten. Die eigentlichen Glanzpunkte der Mannschaft, die Aussenläufer, traten hier nicht hervor, weil rechts für den besten Spieler Lehnhardt Ersatz spielte, und links unsere schwache rechte Flanke den Läufer gar nicht zur Herausgabe seines ganzen Könnens zwingen konnte.
Wer unsere I. in der 2. Serie der Ligaspiele öfter gesehen hat, wird mit mir der Ansicht sein, dass sie diesmal durchweg unter Form spielte. Mir gefiel nur die linke Flanke. Wesche hielt den Ball viel zu lange und machte einen schrecklich langsamen Eindruck. Roolf deckte wieder mal miserabel. Besonders auffallend war das unsichere Spiel unserer Verteidiger, die ich in dieser Spielzeit noch nie so schlecht gesehen habe. Alles in allem liess das Spiel unserer Leute auf eine starke Saisonmüdigkeit schliessen.
Abends vereinigte uns ein gemeinsames Abendessen mit unseren sympathischen norddeutschen Gästen, wobei die üblichen Worte seitens der Herren Möller und Emunds gewechselt wurden. Das Beisammensein fand einen würdigen Abschluss durch eine fidele Sitzung im Bierstübel, bei der der waschechte Berliner Borck der viel gerühmten Schweigsamkeit seiner Vaterstadtbewohner alle Ehre machte.
(Nachrichtenblatt d. F.C. Alemannia, No. 11 / 1. Juni 1910)
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