Alemannia Aachen: Hennes – Schaps, Walchenbach – J. Wesché, F. Schmitz, Altenkamp – E.? Deppe, Kaussen, F.? Fincke, Fürguth, Cl. Baurmann
First Vienna Wien: u.a. Pekarna (Tor) – Rumbold, Blum, Weber, Tremmel, Edelbacher, Fridthum, Reindl, Hatschi, Eckl
0:1 Tremmel, 0:2 Fridthum, 0:3 Tremmel, 0:4 Schmitz (Eigentor), 0:5 Reindl, 0:6 Blum (85.)
Dondelinger (Köln)
7.500 (auf dem Sportplatz Tivoli)
Nach langen Jahren sah ich unsere Erste wieder einmal bei der Arbeit und muss gestehen, dass ich bei Halbzeit angenehm überrascht war. Sie bot den Wienern während einer halben Stunde in gleichwertigem Spiel die Spitze, dergestalt, dass der verdiente Pausenstand sehr wohl unentschieden oder zu unserm Vorteil hätte sein können, wenn Hennes beim 2. Erfolg der Wiener nicht am Pfosten kleben geblieben wäre und die eine oder andere der zahlreichen sehr guten Gelegenheiten am Wiener Tor einen Auswerter gefunden hätte. Gegen Ende der ersten Halbzeit machten sich jedoch bereits unverkennbare Zeichen der Ermüdung bemerkbar. Nach der Pause war Alemannia erledigt; die letzte Kraft, in Aufopferung verbraucht, reichte nicht aus, eine schwere Niederlage abzuwenden.
Als Entschuldigung mag gelten, dass die Alemannia durch Beteiligung an den sportlichen Kämpfen der Vortage mehr oder minder mitgenommen waren, und dass ausserdem die Mannschaft für dieses Spiel umgestellt werden musste. Die Wiener hatten allerdings auch 3 Spiele innerhalb einer Woche hinter sich, spielten aber zum erstenmal auf ihrer Reise ohne Ersatz.
Der Spielverlauf selbst wird an anderer Stelle gebührend gewürdigt.
Hennes tat durchweg gute Arbeit, ohne jedoch seinen besonderen Tag zu haben. Er war oft unentschlossen und teilweise auch unaufmerksam; er schien zweimal völlig überrascht zu sein, das Leder hinter sich im Netz zu wissen. Gegen sein Spiel, das auch in Norddeutschland gefiel, wie ich aus persönlicher Erfahrung weiss, ist nichts einzuwenden, es sei denn, dass er den Ball etwas unbeholfen handhabt. Seine Angewohnheit, mit dem Ball den Boden zu betupfen wirkt nicht gerade erstklassig.
Walchenbach wäre ein recht guter Verteidiger, wenn er bloss über einen mittelmässigen Stoss verfügte. Da er den nicht hat, sollte er sich genauestes Zuspiel zu den Läufern zur Pflicht machen. Er nimmt gut ab und scheint ausserordentlich zähe zu sein. Im übrigen soll sein Spiel durch eine Verletzung vom Hockey-Wettspiel her beeinträchtigt gewesen sein.
Schaps gefällt mir weniger. Er ist zwar schnell, doch zu hastig. Den Ball behandelt er ungenau; sein Stoss ist auch für ihn unberechenbar. Bei seinem Alter kann er, wenn er sich redlich bemüht, alle diese Fehler wenigstens zum Teil ausmerzen.
Altenkamp zeigte in der 1. Hälfte, dass er, was Ballbehandlung und Methode anbetrifft, Alemannias z. Zt. bester Mann ist. Dabei ist er schnell, entschlossen und mutig. Taktisch ist er allen seinen Mitspielern sichtlich überlegen. In der 2. Hälfte strich er die Flagge.
Schmitz hielt allein auf der Aachener Seite sein robustes, wirkungsvolles und überaus nützliches Spiel ungeschwächt durch. Sein Können steht auf der Mitte zwischen dem unseres lieben, allzu früh dahingegangenen Willi Rolf und dem Joe Wesches in seiner besten Zeit; er übertrifft jedoch bei an ausdauernder Zähigkeit.
Joe Wesche hat das langjährige Aussetzen mehr geschadet als irgend einem andern. Hoffen wir, dass er nach und nach seine alte Technik und Beweglichkeit wiedererlangt.
Die Stürmerreihe hat sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Am besten gefiel Fürguth als vorwärtsdrängende, unermüdliche Kraft. Er bedient seinen Aussen mit grossem Geschick, und es ist geradezu ein Jammer, dass einem so tüchtigen Feldspieler anscheinend auch das geringste Schussvermögen versagt ist. Sollte er diesem Überlstand nicht bis zu einem gewissen Grade durch fleissigsten Üben abhelfen können? Wie dem auch sei, der Mann gehört in die Stürmerreihe, in der er und Clemens Baurmann am besten abschnitten. Von letzterem weiss man seit Jahren, dass ihm nur ein bischen mehr Draufgängertum zum erstklassigen Fussballer fehlt. Auch klebt er leider zu sehr an der Schablone, sonst hätte er bald einsehen müssen, dass der Wiener Verteidigung gegenüber nur promptes Zuspiel helfen konnte. Statt dessen liess er sich einige Dutzend Male in der äussersten linken Spielfeldecke abmurksen.
Finke war durch eine Fussverletzung behindert und konnte so nichts von seiner mir vielerseits gerühmten Spieltüchtigkeit zeigen. Manchmal hatte ich das Empfinden, dass er zu eigenmächtigem Spiel neige.
Von der rechten Flanke ist nicht viel Lobenswertes zu sagen. Kaussen ist zu ungenau, Deppe zu langsam. Beiden fehlt das Feuer, ohne das die Fackel des Erfolgs nun einmal nicht angezündert werden kann.
Einige Worte noch über die Wiener Spieler im allgemeinen, denn kaum einer von ihnen ragte aus dieser gleichmässigen, hervorragenden Elf augenfällig heraus. Ballbehandlung und Zuspiel schienen schlechterdings unüberbietbar, auch die Taktik nicht, wennschon man über die unmittelbar vor dem feindlichen Tor angewandte Methode geteilter Meinung sein kann. Man müsste schon wieder einmal englische Berufsspieler bei der Arbeit sehen, um sich zu vergewissern, ob das Spiel der Wiener wirklich Fussball-Gipfelkunst ist, für die wir sie alle gehalten haben. Ihr Spiel war kräftig, im allgemeinen fair und nicht übermässig schnell. Hennes gingen sie, anscheinend grundsätzlich nicht zuleibe. In der ersten Hälfte übertrieben sie bewusst das Zusammenspiel zu dem Behufe, unsere Leute zunächst gründlich abzuhetzen um sie dann um so gründlicher abzuschlachten. Der Erfolg blieb nicht aus, wie die Erfahrung lehrte.
Ein Vergleich drängt sich hier auf: Das Spiel Alemannia gegen Bradford City 0:3 im Jahre 1908. Es ist nicht anzunehmen, dass die Spielstärke der damals gerade in die I. Liga aufgerückten und in den folgenden Jahren dort recht erfolgreichen Engländer geringer war als die heutige der Wiener. Auf die um 50 v. H. geringere Packung lege ich weniger Wert, doch scheint es mir wichtig, daran zu erinnern, dass wir das damals das sehr schwere Spiel bis zum Schlusspfiff mit ungebrochener Kraft durchhielten. Ich überlasse es dem Spielausschuss hierüber vergleichende Betrachtungen anzustellen und nachzuprüfen, ob an das Wiener Spiel mit demselben Ernst herangegangen wurde, wie an die grossen Spiele der damaligen Zeit.
Wir sind nicht nennenswert weiter gekommen in den letzten 10–12 Jahren. Man blättere die Vereinszeitung zurück bis in jene Jahre, und man wird dort manche Aufstellung finden gegen die die heutige Erste kaum Aussicht auf Sieg haben würde. Diese Feststellung scheint mir sehr wichtig zu sein, wichtiger aber ist es, ihren Gründen nachzugehen. Ich schätze das Durchschnittsalter unserer Ersten auf 28 Jahre, ein bedenklich hohes Alter zumal, wenn, wie man mir versichert, vollwertiger Nachwuchs z. Zt. nicht vorhanden ist.
Ich gebe zu, dass bei diesen Erwägungen die durch den langen Krieg verursachten schweren Schädigungen des Spielbetriebes, die erklärlicherweise bis heute noch nicht beseitigt werden konnten, mit in Ansatz zu bringen sind. Ich gebe hier der Hoffnung Ausdruck, dass die Verschmelzung Alemannias mit dem A.T.V. im Vorjahre, die eine wesentlich breitere sportliche Unterlage schuf – der vornehmlichste Grund für die Vereinigung wie ich annehme – einen neuen, glücklichen Abschnitt unseres Vereinslebens einleitete, und dass die Früchte in absehbarer Zeit gepflückt werden können.
Denn seine Zeit will jedes Ding.
Der Spielverlauf ist kurz folgender:
Der W-Linksaussen bringt den Ball schön vor, tritt ihn aber über die Torlinie aus; der Abstoss gelangt zu Deppe, welcher flankt; Fürguth köpft ohne Erfolg. Wie bleiben im Vorteil. Deppe und Baurmann geben häufig schön vors Tor, aber was die Verteidiger, ausserordentlich schnelle Spieler, nicht erreichen, fängt der Torwart mit unerschütterlicher Ruhe und blendender Sicherheit. Er steht immer dort, wohin der Ball kommt. Vereinzelte Durchbrüche des Wiener Sturmes wehren Schaps und Walchenbach sicher ab. Hennes hat nichts zu tun. 15 Minuten verstreichen. Da legt der Linksaussen, wie er es meist tut, seinem Innenstürmer den Ball vor, dieser schiebt ihn zur Mitte, und schon wird das Leder (wohl zu unerwartet für Hennes) in die linke untere Ecke geschossen. 1 Minute später tritt Schaps einem Stürmer den Ball gegen den Leib, der Wiener setzt nach und schon "hängt" Nr. 2 in derselben Ecke. Von jetzt ab ging das Zusammenspiel ganz in die Brüche. Finke gibt einige schöne Einzelleistungen zum besten; im übrigen hat man alle Augen voll zu tun, um das wunderbare Zuspiel der Wiener Läufer und Stürmer zu bestaunen. Dass bis zur Pause das Ergebnis sich nicht ändert, haben wir Hennes zu verdanken, der einige schwierige Schüsse zu der minösen Ecke liegend hält.
Nach der Pause wird Wien noch überlegener. Wesche ist schon abgekämpft, und auch die Stürmer lassen merklich nach, bei denen besonders die rechte Flanke, die sich jetzt gar nicht mehr versteht, beschäftigt wird. Nach 10 Minuten wird eine Flanke der Wiener von rechts kommend verwechselt (3. Tor). 1 Minute später fügt Schmitz, der sich übrigens aufopferte, ein Selbsttor hinzu, unsere Hoffnungen auf den Gefrierpunkt herabsetzend. Dann schiesst Wiens langer Mittelläufer ein sehr weites Tor und Nr. 6 fällt nach einem Eckstoss. Noch einmal versucht unsere Mannschaft das Ehrentor zu erringen: in mächtigem Anstoss drängen wir vor; Schmitz und Altenkamp rücken zum Sturm auf, Finke kommt allein durch, steht 7 m vor dem Torwart und ..... schiesst drüber, und Hoffnung gibts nicht mehr.
(Vereinszeitung des Aachener Turn- u. Sportvereins Alemannia 1847 / Nr. 8; August 1920)
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