Testspiele - Saison 1912/1913 - 9. Spieltag - Sonntag 23.03.1913
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Spieldaten

Aufstellung

Alemannia Aachen: Hennes – Walchenbach, Emunds – X. Baurmann, J. Wesché, Janser – Vogeno, H. Wollgarten, Prillwitz, Altenkamp, Cl. Baurmann

Tore

1:0, 2:0, 2:1 Altenkamp

Zuschauer:

"beträchtlich"

23.3.1913: Werder Bremen - Alemannia Aachen 2:1

An den Ostertagen unternahm die I. ihre diesjährige grosse Reise. Bremen und Hamburg waren die Etappen und F.V. Werder und Hamburger F.C. v. 1888 die Gegner. Samstags mittags fand sich die Mannschaft am Bahnhof zusammen. Nach einer gemütlichen Fahrt, die wie üblich durch Essen, Trinken und Singen recht kurzweilig wurde, konnten wir um 10 1/2 unsere alten und neuen Bremer Freunde begrüssen. Ein Schlummertrunk in dem prächtigen altertümlichen Ratscafé beschloss den Abend und dann gings zeitig in die Falle. Am andern Morgen warteten unser beim Frühstückstisch Überraschungen unseres alten Spielers Adolph Segnitz, der sich auch bald persönlich einfand. Der Ostermorgen war der Besichtigung Bremens gewidmet. Die alte Hansestadt bietet eine Fülle von Sehenswürdigkeiten. Hervorheben will ich nur das herrliche Rathaus und das einzigartige Völker- und Handelsmuseum, aus dem unsere Leute gar nicht mehr heraus wollten. Nachmittags kam dann auch der sportliche Teil an die Reihe, vor einer beträchtlichen Zuschauermenge verloren wir gegen Werder 2:1. Nach dem Spielverlauf hätte das Resultat umgekehrt lauten müssen. In der 1. Hälfte war das Spiel ausgeglichen, während wir nach der Pause überlegen waren. Die Leser finden an anderer Stelle eine sachverständige Kritik unseres A. Segnitz, der ich nichts hinzuzufügen habe. Der Abend sah uns im Kreise einer grossen Anzahl von Werderanern mit ihren Damen. Die frostige nördliche Stimmung wich bald rheinischer Gemütlichkeit, und nur zu früh schlug die Abschiedsstunde. Unter den Klängen unseres Schlagers "Bremen ist ein schönes Städtchen – Lebe wohl auf Wiedersehn" begleiteten uns alle Anwesenden zum Bahnhof, der Zeuge eines teilweise rührenden allerseits aber herzlichen Abschieds wurde. Ich danke auch an dieser Stelle unseren Bremer Freunden für die überaus herzliche Aufnahme und hoffe, dass unsere Mitglieder es sich zur Ehre anrechnen werden, Pfingsten, wo wir Werder hier zu begrüssen hoffen, einen Teil der Dankesschuld abzutragen.

H. Wollgarten.

Fast alle Sportzeitungen haben mehr oder weniger ausführliche Berichte über dieses Spiel gebracht; ich will mich deshalb darauf beschränken, mich eingehend mit der Alemannia-Mannschaft, so wie ich sie Ostersonntag hier spielen sah, zu befassen. Ich will versuchen, ihre Mängel und ihre Vorzüge zu schildern, damit sie aus meinem Bericht, wenn möglich Nutzen ziehen möge.

Beginnen will ich mit dem gewinnbringenden Factor einer Mannschaft: der Stürmerreihe.

Die Stürmer im Felde spielen zu sehen mit Joe als Centrehalf dahinter, ist eine Freude; ihre Combination, die auf wirklichem Sichverstehen beruht, scheint vorbildlich; die Stürmer sind schnell im Erfassen von Situationen, wohin der Ball gehört.

Leider aber fehlen den Stürmern zwei Eigenschaften: sie haben keine Durchschlagskraft und kein Schussvermögen; – erstere sich anzueignen ist schwer, besonders dann, wenn die gegnerischen Backs so robust sind, wie diejenigen Werders; Schussvermögen hingegen basiert auf Fleiss und Energie; jeder Stürmer, überhaupt jeder Spieler kann schiessen lernen; an den Stürmern also liegt es, diesem grossen Mangel abzuhelfen. Zu den einzelnen Stürmern: Beide Aussen halten nicht gut Platz; beide drängen zu sehr nach innen; sie behindern dadurch den Innensturm und erleichtern den Halves und Backs der Gegner die Verteidigung.

Der Paltz der Aussenstürmer ist 1/2 Meter von der Aussenlinie entfernt; das ist eine altbewährte Regel!

Clemens litt sichtlich an seinem alten Fussleiden; er konnte keine Kurve nehmen; Vogeno war zeitweise sehr gut.

Prillwitz ist für mich schwer zu beurteilen; jedenfalls macht er den Eindruck, als ob er sich noch verbessern würde.

Altenkamp gab einen seiner berühmten Schüsse in den ersten 10 Minuten zum besten, der knapp daneben ging, er passt gut in die Stürmerreihe und wir diese sicherlich weiter heben; – Wollgarten wünschte ich mehr Temperament, weniger Fummelkram; Ballbehandlung wie früher, sehr gut, im ganzen aber drängt sein Spiel nicht genug zum feindlichen Tor.

Endlich möchte ich der Stürmerreihe etwas schnelleres Abgeben empfehlen; der Ball wandert zu langsam von Mann zu Mann; bei der guten Ballbehandlung der Stürmer würde schnelleres Passen dem Tempo und der Combination nur zu gute kommen.

Dass vor dem gegnerischen Tor zu viel combiniert wird, wird die Mannschaft selbst wissen; zweifelsohne soll Combination den Mangel an Schussvermögen verdecken, resp. ersetzen; bei der geringen Durchschlagskraft des Sturmes erscheint dieses Mittel aber völlig zwecklose.

Ich komme zur Half-Reihe. – Joe beglückwünsche ich, von ganzem Herzen, dass er sich zu einem so guten Spieler entwickelt hat!

Sein durchdachtes, ruhiges und faires Spiel hat mir mächtig imponiert! Möge er noch lange Jahre in jetziger Form für die Alemannia spielen, seinem Verein zur Freude, sich selbst und seiner Gesundheit zum Nutzen.

Janser und Xaver Baurmann fallen natürlich neben Joe ab; sie müssen aber vor allen Dingen die gegnerischen Aussenstürmer besser decken. Die Aussenstürmer zu decken, ist die wichtigste Aufgabe der Aussenhalves, hierin haben beide in Bremen gesündigt.

Besseres Zuspiel zu den Stürmern, besseres Zusammenspiel mit den Backs, müssen sich beide aneignen; durch Letzteres können sie sich ihrer Verteidigung nützlich erweisen.

An Emunds sind die Fussballjahre nicht spurlos vorübergegangen; Emunds ist etwas schwer geworden, auch hat er in gefährlichen Situationen seinen befreienden Tritt zum Teil eingebüsst.

Immerhin Emunds ist noch ein guter Spieler; ernstes Training kann ihn und wird ihn hoffentlich wieder auf die late Höhe bringen.

Wer sagt, Emunds ist zu alt??

Unsinn, ist er nicht ein Jüngling im Vergleich zu Crompton, dem berühmten englischen Back, der vor einigen Tagen das England–Schottland-Spiel für sein Land gewonnen hat?

In Emunds Partner Walchenbach steckt sicherlich ein guter Spieler; ich hätte ihn aber gern etwas systematischer spielen sehen; ich mag es nicht, wenn der Back als 4. Half funigert oder sich gar in den Sturm verirrt.

Der Back-Posten ist verantwortungsvoll genug; ein Back läuft viele Risiken ein während eines Spiels, er soll, im Interesse seiner Mannschaft nicht noch mehr auf sich nehmen, als er schon zu tragen hat.

Endlich würde ich es gern sehen, wenn die Backs das Zusammenspiel unter sich und mit ihrem Keeper mehr pflegten, als es in Bremen der Fall war.

Als ein Paar waren Emunds-Breuer in diesem Punkt weit besser.

Ich komme dann zum undankbarsten Posten auf dem Spielfeld, dem Keeper; – ganz besonders undankbar aber wird der Posten dann wenn einem, wie Hennes ein Ruf vorausgeht, der weit über West-Deutschland hinaus, verbreitet ist.

Man erwartet etwas ganz Besonderes und ist leicht geneigt, zu kritisieren.

Hennes hatte mit dem II. Tor Pech; von 10 Malen wird er einen ähnlichen Schuss 7 mal halten.

Leider hatte Hennes in diesem Spiel keine Gelegenheit den "Fisch" zu machen; das hätte ich gern gesehen, denn man sagt allgemein, dass das seine Hauptforce ist.

Nicht ganz perfekt schien mir bei Hennes das Aufnehmen der niedrigen Bälle; das muss er üben; die Hände dabei nicht zu weit vorstrecken, dann vertakelt sich der Ball zwischen Händen und Oberkörper und:

"Wenn du glaubst, du hast'en
Sitzt er schon im Kasten."

Dann möchte ich Hennes noch empfehlen, stets seine Blöcke unter den Stiefeln in Ordnung zu halten; wäre der Platz in Bremen feucht gewesen, dann hätte er und seine Mannschaft mit ihm leicht unangenehme Erfahrungen machen können.

Zum Schluss noch einige Worte über die Mannschaft: Dass es mir eine grosse Freude war, die Alemannia wieder einmal spielen zu sehen, möchte ich auch an dieser Stelle nochmals betonen. Bleibt die Mannschaft annähernd zusammen, dann erwarte ich von ihr in der nächsten Saison sehr gute Leistungen; die Mannschaft macht nicht den Eindruck, als ob sie sich Combination etc. etc. mühsam einstudiert hätte, vielmehr scheint alles "von selbst" zu gehen und gerade dieser Umstand ist es, der mich für die Zukunft der Mannschaft das Beste erhoffen lässt; – selbstverständlich muss trainiert werden und zwar ernstlich trainiert: vom Kapitän bis zum Keeper.

Disciplin und faires Spielen zeichneten die Mannschaft aus und erwarben ihr hier allgemein Sympathien; andererseits aber hätte ich der Mannschaft mehr Elasticität, mehr Temperament und grösseren Willen zum Sieg gewünscht, dann hätte sie hier nicht verloren, sondern zum mindesten das wohlverdiente unentschiedene Resultat heraus geholt.

Adolph Segnitz.

(Vereinsnachrichten des F.C. Alemannia, Aachen e.V. / April 1913)

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