FC Dordrecht: van Driel – Lotsy, Bouvy – Koymann, H. Koopman, A. Kleyen – Scheffer, Sundermann, C. Kleyn, F. Koopman, Spaan
Alemannia Aachen: Laumen – Riechert, Emunds – J. Boeven, Roolf, Essers – Wolff, Leussler, Sowden, J. Wesché, H. Wollgarten
0:1 Leussler, 1:1 Koopman, 2:1 Sundermann, 2:2 Wesché, 3:2, 4:2, 5:2 Koopman
Sytsma (Rotterdam)
1.500
Wenn ich offen sein soll – und Offenheit soll ja die erste Tugend des Berichterstatters sein – muss ich gestehen dass ich lieber an Fussballreisen teilnehme, als dass ich über sie schreibe. Aber der Spielführer, der uns ja alle in der Hand hat, wills nun mal, und schliesslich sehe ich ja auch ein: wer das Vergnügen gehabt hat, soll auch was dafür tun. – Ein ganz ausserordentliches Vergnügen war in der Tat diese Reise nach Dordrecht, wie uns denn überhaupt jedes neue Zusammentreffen mit den gemütlichen Dordrechtern immer wieder zeigt, wie dankbar wir dem Zufall sein müssen, der uns Ostern 1907 zum ersten Mal mit dem D.F.C. in Berührung brachte. Diesmal war kein hoher Festtag, sondern der einfache Sonntag, an dem wir den 27. September schrieben, zum Spiel in Dordrecht bestimmt; aber unsere holländischen Gastfreunde haben es verstanden, einen rot in unserem Vereinskalender verzeichneten Feiertag daraus zu machen. – Damit es auch an uns nicht fehle, fuhren wir grösstenteils schon Samstag morgen um 7 Uhr los. Die etwa sechsstündige Fahrt verlief wie im Fluge. Wer einmal eine Reise mit Alemannia gemacht hat, wird zugeben, dass es nirgends so gemütlich zugehen kann, wie bei den Fahrten unserer Ersten. Ich verzichte auf die Aufzählung der leiblichen Genüsse, die uns auch diesmal die Opferwilligkeit einiger Mitglieder gewährte, um nicht den Neid der Zurückgebliebenen zu erwecken. – Genug, wir langten in fidelster Stimmung in Dordrecht an und wurden von Sim van der Kloet, Gonsalves, Spaan und ich weiss nicht wie viel andern D.F.C.-ern in Empfang genommen und ins Hôtel Ponsen gebracht. Als wir die labyrinthartigen, durch historische Erinnerungen geweihten Gänge dieses Hauses durchwandelten, stieg uns so manche Szene vom vergangenen Jahre lebhaft vor Augen auf. So schön wie damals konnte es diesmal unmöglich werden, denn es fehlte ja vor allem "der kleine Baurmann" und sein Beschützer Karel, der alleinige Repräsentant der Gemütlichkeit. Wir sahen die berauschende Spiegelgallerie wieder, wo wir die Holländer in die Geheimnisse des studentischen Komments eingeweiht hatten; auch das Billard war noch da, worauf s. Z. Sim und Moritz einen Kerkau beschämten und sich zuletzt ewige Freundschaft schwuren; dasselbe Billard, das damals ein gewisser kleiner Alemanne hartnäckig als sein Nachtlager ansah. – Doch es war nicht lange Zeit, den wehmütigen Bildern der Vergangenheit nachzuhängen, die Gegenwart beanspruchte gebieterisch unsere Aufmerksamkeit. Eine kurze Fahrt mit der Pferdebahn – eine Elektrische würde dem idyllischen Dordt schlecht anstehen – brachte uns zum Dampfer, der uns gen Rotterdem entführen sollte.
Ein Vergnügen eig'ner Art
Ist doch eine Wasserfahrt,
besonders für uns Anwohner der Wohn- und Paubach-Gefilde. Selbst ein neidischer Regen vermochte uns die Freude nicht zu trüben; ein gutes Bier sorgte dafür, dass die Fahrt nicht ganz zu Wasser wurde. – Unsere Landung vollzog sich ohne Unfall. Der erste Mensch, der uns in Rotterdam auffiel, war der Schiedsrichter Bram, ein dolles Huhn. Von den anderen Sehenswürdigkeiten der holländischen Hafenstadt bekamen wir wenig mit, da die Stunden zu knapp und der Ansichtskarten zuviele waren. Nachdem wir dann noch Goedhart, den uns von Aachen her noch wohl bekannten ehemaligen Vorsitzenden, getroffen hatten, traten wir die Rückfahrt an, die bei angenehmsten Wetter herrlich verlief. Die Anfahrt an der langgestreckten, in tausend Lichtern glänzenden Strand von Dordrecht war wohl das Schönste der ganzen Reise. – Nach dem Abendessen holten wir die Nachzügler H. Essers und Joe Wesché ab und setzten uns zu einem Dämmerschoppen im Hôtel Ponsen zusammen. Zeitig ging alles ins Bett, bis auf eine kleine Korona, in der man von Holländern Sim, Staal, Gonsalves und den Schiedsrichter sah, während von deutscher Seite als Repräsentanten H. Essers, J. Weindorf u. a. vorhanden waren. In gemütlicher Sitzung wartet man den 25jährigen Geburtstag des Schiedsrichters Bram ab, dem zu Ehren dann einige Pullen "Selterswasser" stiegen. Dann ermöglichte uns die fürsorgliche Umsicht eines löblichen Dordrechter Magistrats, der seinen Bürgern die Wohltaten einer Polizeistunde nicht vorenthält, eine verhältnismässig frühe Vereinigung mit Morpheus. So endete der erste und, wenn ich mir ein Urteil erlauben darf, schönste Tag unserer Dordrechter Reise. Natürlich bin ich weit davon entfernt, mit diesem Urteil dem zweiten Tage Abbruch zu tun, dem die Liebenswürdigkeit unserer Gäste sich selbst zu übertreffen drohte. Des Morgens zeigte uns eine lustige Spazierfahrt die freundliche Stadt und ihre vielen Kanäle im hellstem Sonnenlichte. Als wir nachmittags den schönen Platz des D.F.C. – auf dem aber leider das Gras nicht geschnitten war – betraten, harrten etwa 1000 Zuschauer unser. D.F.C. stellte meiner Ansicht nach die stärkste Mannschaft, die er jemals gegen Alemannia hervorgebracht hat.
Bei uns fehlte M. Breuer, während beim D.F.C. Beuwkes und P. Koopmann nicht mitwirkten. Wie weit dieser Ersatz auf beiden Seiten das Spiel beeinflusst haben mag, wage ich nicht zu entscheiden.
Dordrecht wählt, nach derselben Taktik wie in Aachen, zunächst die Seite gegen Sonne und Wind. Wir sind infolgedessen einige Augenblicke überlegen und bekommen sogar die Führung, als Leussler einen vom Torwächter schlecht abgewährten Ball zu fassen kriegt und einschiesst. Minuten später überläuft F. Koopmann unsere Verteidigung, die zu weit vorgegangen ist, und gleicht aus. In der nächsten Minute ist Dordrecht wieder vor unserm Tor: ein fein plazierter Schuss Sundermanns aus etwa 7 m geht, die Stange streichend, ins Netz. Wir atmen auf, als Joe bald nachher einige Gegner umgeht und prachtvoll einsendet. Doch ist im weiteren Verlaufe der ersten Hälfte Holland wieder tonangebend; unsere schwere Verteidigung kommt gegen das genaue, schnelle Zusammenspiel Dordrechts nur zeitweise auf, und 2 weitere Tore sind das wohlverdiente Resultat der schneidigen Angriffe D.F.Cs – Dass auch unsere Stürmer verschiedentlich gut vorkamen, aber vor dem Tore nichts erreichten, muss ich der Vollständigkeit halber erwähnen.
Gänzlich verändert war demgegenüber der Charakter der zweiten Hälfte. Obwohl mit der schlechtern Seite spielend, war Alemannia durchaus nicht mehr unterlegen; zahlreichen Angriffen versagte nur die rühmlichst bekannte Schussunsicherheit den Erfolg. Die Verteidigung vermochte jetzt den feindlichen Sturm grösstenteils zu halten; nur einmal konnte F. Koopmann, als er zu spät angegriffen wurde, scharf und unhaltbar schiessen. So endete das interessante durchaus faire Spiel mit dem gleichen Resultate wie in Aachen 5:2. Dordrecht hat den Sieg, vor allem durch sein glänzendes Spiel in der ersten Hälfte wohl verdient. Die Mannschaft ist uns immer noch glatt überlegen, zunächst durch ihr flaches und genaues, dabei aber doch schnell nach vorne drängendes Zusammenspiel, vor allem aber durch das Schussvermögen der Innenstürmer. Jeder der drei schiesst mit beiden Füssen aus jeder Lage, unheimlich scharf. – Und solange wir uns darin nicht wenigstens etwas verbessern, müssen wir auf den Gedanken, Dordrechts Spielstärke jemals zu erreichen, dauernd verzichten.
Nach einer kurzen Rast im Hôtel warf die Abschiedsstimmung bereits ihre Schatten voraus: Jean Wesché und Jupp B. mussten uns noch nachmittags verlassen. Wir brachten sie zur Bahn und entliessen sie, denen die Pflicht so jäh das Vergnügen abschnitt, mit donnerndem Hipp, Hipp, Hurrah !
Dann setzten wir uns zu dem vom D.F.C. angebotenen Abendessen nieder, das etwa 30 Holländer und Deutsche vereinigte. Sim van der Kloet und unser Vorsitzender Hubert Essers sprachen namens der beiden Vereine und lobten ihre guten Beziehungen, denen sie lange Fortdauer wünschten. Beide präsidierten dann gemeinsam den nun folgenden Kommers, bei dem die Verbrüderung zwischen D.F.C. und Alemannia ihren Höhepunkt erreichte. Von all dem Erwähnungswerten hebe ich dabei nur einen wohlgelungenen Pappenheimer hervor, der das Entzücken unserer holländischen Freunde hervorrief, und der übrigens auch nicht von Pappe war. Ungetrübt rollten die Gambrino geweihten Stunden dahin, und, ohne aus der Rolle zu fallen, rollten auch wir schliesslich der Falle zu.
Ich mache eine Pause zum Atemholen: D.F.C. hat diesmal wieder das Menschenmögliche an Aufmerksamkeit gegen uns getan, und wir sind recht tief bei ihm in die Kreide geraten. Ob wir je im Stande sein werden, unsere Schuld, besonders an persönlichen Liebenswürdigkeiten, womit wir förmlich überschüttet wurden, wenigstens in etwa abzutragen, das hängt weniger von der Gesamtheit unseres Vereins, als von dem einzelnen Mitgliede ab. Unsere Dankbarkeit, so gut sie auch immerhin gemeint sein mag, hat meist einen zu offiziellen Anstrich, der sie unvorteilhaft von der herzlichen Freundlichkeit unserer Dordrechter Freunde abhebt. – Nehmen wir uns immerhin vor, beim nächsten Besuche D.F.Cs. in Aachen das Unsere zu tun.
Am Montag Morgen ein herzlicher Abschied, dann "vertrek onzer gasten", wie das D.F.C.-Blatt sagt, in alle Richtungen der Windrose. H. Wollgarten, H. Oslender, T. Paulus und J. Weindorf fuhren mit Sim und Gonsalves zum Haag; der grössere Teil kehrte zurück nach Aachen. Am besten hat es augenscheinlich Wolff in Dordt gefallen; er war als Erster da und war jetzt bei unserer Abreise noch nicht zum Aufsteh'n zu bewegen.
Le roi est mort, vive le roi! Unsere diesjährige Reise nach Holland ist vorbei; freuen wir uns auf die nächste. Für's erste aber rufen wir dem D.F.C. ein herzliches, auf baldiges Wiederseh'n in Aachen zu.
(Nachrichtenblatt d. F.C. Alemannia, No. 20 / 16. Oktober 1908)
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