Fr, 12. Februar 2016

"Kein Mann für eine Nacht"

Die Kolumne von Sascha Theisen zum RWO-Spiel

„Liebe Marie, ich bin kein Mann für eine Nacht! Liebe Marie, das habe ich noch nie gemacht! Liebe Marie, es muss die wahre Liebe sein!“ Wer die vergangene Woche in Köln verbracht hat, konnte sich diesen an dieser Stelle kurzerhand entdialektisierten Worten kaum entziehen. Und um es gleich mal vorweg zu nehmen: Ich bin durchaus ein großer Freund des Kölner Karneval und schaue daher ein bisschen wehmütig auf die vergangenen Tage zurück – auf Tage, an denen man sorglos und Arm in Arm mit Damen unter ihren nichts preisgebenden gelben Perücken auf Tischen stehen konnte und Zeilen wie eben die von jener Marie in die Kölner Südstadt-Kneipe der jeweiligen Wahl schmettern konnte. Ich war wahlweise als Axl Rose, Björn Borg oder Rocky Balboa am Start und hatte meinen Spaß.

Aber natürlich sind auch solche Tage nie ganz fußball-, nie ganz alemannia-frei. Denn wohnst Du in Köln, haste halt manchmal Pech – vor allem was die Musik angeht. Schließlich gibt es hier kaum ein Lied, das ohne einen Treueschwur auf die rot-weißen Farben auskommt. Die Verquickung von kölscher Lebenslust mit kölschem Fußball ist längst legendär und wird von seinen Protagonisten mit einer beneidenswerten Inbrunst gelebt. Ob Du nun ein Spiel im Stadion verfolgst oder in Deiner Kneipe – der Unterschied zwischen Karnevalssitzung und Fußballspiel ist wohlwollend ausgedrückt fließend, wenn der örtliche Fußballclub spielt. Da sind starke Nerven gefragt, wenn es Dir egal ist, wie es ausgeht. Das volkstümliche Rahmenprogramm rund um ihre Spiele braucht man so ganz und gar nicht, egal wie gerne man am Ende den Straßenkarneval mag, der aber eben bekanntlich am Aschermittwoch nach fünf Tagen des närrischen Deliriums vorbei sein sollte.

Wie auch immer – jedenfalls holt Dich dieses emotionale Massaker ein, wenn Du eigentlich selbst frohen Mutes in besagter Kneipe mit besagter und verführerischer gelber Perücke im Arm und Björn-Borg-Frisur auf dem Kopf feierst und als vorbildlicher Familienvater allen Maries dieser Welt eben in die Notizblöcke grölst, dass DU kein Mann für eine Nacht bist. Es trifft Dich hart, wenn in diesen Momenten plötzlich genau das über die Lautsprecher hämmert, was sie in Köln viel zu ehrfürchtig „die Hymne“ nennen. Nur maximal vordergründig getarnt als Karnevalslied handelt es sich hier um nicht mehr und weniger als um das inoffizielle Vereinslied des örtlichen Vereins. Und das löst das aus, was Du nur schwer verkraften kannst, wenn Du kein Mann für eine Nacht bist: Nahezu alle Anwesenden erstarren andächtig, legen ihre Hand aufs Herz wie mexikanische Nationalspieler vor dem Finale der Mittelamerika-Meisterschaft und singen von einem „Jeföhl, dat verbingk“, gefolgt vom schier unerträglichen Choral „FC Kölle“. In diesen Momenten brennt die Kneipe und Du musst unweigerlich selbst „dat Jeföhl“ haben, dass hier irgendetwas ganz gehörig falsch läuft. Schließlich bist Du nicht alleine hier und von den drei Leuten mit denen Du unterwegs bist, ist einer Fan der Frankfurter Eintracht, einer vom FC St. Pauli und einer von gar nichts. Und wenn Du Dich jetzt so umguckst, bist Du tatsächlich der einzige, der stur und ungehorsam an einem Pfeiler lehnt und sich einigermaßen gestenreich dem Text verweigert. Deine Kumpel indes pfeifen auf die Eintracht und auf ihr sonst ach so großartiges Pauli und schunkeln in großer Runde mit und schreien raus, dass sie „durch et Fuer“ gehen würden, dass sie „zesamme immer stark“ sind und überhaupt: „durch dick un durch dünn“ gehen.

Spätestens jetzt weißt Du, dass Du die Jungs genau an diesen Moment hier erinnern wirst, wenn ihr Verein demnächst im Abstiegs oder Aufstiegskampf um scheinbar alles spielt und sie erzählen, wie sehr ihnen das den Schlaf raubt. Und Du denkst noch, wenn es einen Fußballgott gibt, dann steigen Frankfurt und Pauli im Sommer ab. Das wäre nicht mehr als gerecht – keine Frage. Oder doch nicht? Denn Köln wäre eben nicht Köln, wenn nicht sie, sondern viel mehr ich derjenige wäre, der in dieser Hymnen-Veranstaltung negativ auffällt. Die Frau mit der gelben Perücke kommt nach der Arie zu mir rüber, lächelt mich mit ihrem besten Lächeln an und fragt, warum ich denn nicht mit gesungen hätte. Ich schaue ihre Perücke an und denke, dass es irgendwie kein Zufall sein kann, dass die gelb und nicht rot ist. Ich schaue ihr tief in die Augen und antworte so gelassen, wie es eben geht: „Mädchen! Ich bin kein Mann für eine Nacht! Das habe ich noch nie gemacht“ Und dann lasse ich sie stehen, bestelle mir noch ein Kölsch, trinke es aus und fahre mit dem Taxi nach Hause. Denn eins ist nicht verhandelbar, weder hier noch anderswo: Es muss die wahre Liebe sein! Immer!

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