Fr, 6. März 2015

"Keine Laufkundschaft!"

Die Kolumne von Sascha Theisen zum Spiel gegen Wiedenbrück

Vor ein paar Jahren saß ich einmal in einer Talkshow des Fernsehsenders Center TV und versuchte mich in einer illustren Runde von selbst ernannten Fußballexperten, die aus skrupellosen Spielerberatern und Vertretern des regionalen Boulevard bestand, daran, über Fußball zu sprechen. Das ging damals nicht immer gut. Denn ich sagte Sätze wie „Carl-Zeiss Jena ist keine Laufkundschaft!“ oder „1860 München wird noch eine gute Rolle spielen!“ – Schlüsselreize der allgemein gültigen Fußballersprache und Grund genug für meine Kumpels, mich seit der Ausstrahlung der Sendung ausdauernd mit diesen Sätzen nach alter Väter Sitte zu verarschen. So muss ich mir seitdem auf dem Fußballplatz bei meinen immer weniger werdenden Auftritten als Freizeitkicker regelmäßig anhören, dass „ein Sascha Theisen beileibe keine Laufkundschaft sei“. Wer den Spott hat...

Neben diesen verbalen Entgleisungen hatte ich aber damals auch meine guten Momente – nämlich als ich leidenschaftlich dafür eintrat, dass die Kommerzialisierung des Fußballs diesem auf Dauer schadet und dass viel zu viele Dinge komplett am Fan, der als Kunde ja eigentlich König sein sollte, vorbei entschieden würden. So gut ich mich aber in meiner Haut damals auch fühlte, so sehr wurde ich auf der anderen Seite von den übrigen Talk-Gästen belächelt. Der Boulevard bezeichnete mich debil lächelnd als „unbelehrbaren Sozialromantiker“ und der findige Spielerberater, der zuvor die hübsche Maskenbildnerin zu sich nach Hause eingeladen hatte, sprach im Zusammenhang mit mir „vom kleinen Mann“, der nicht wüsste, wo der Hase lang liefe.

So weit, so gut oder besser gesagt: so lange her! In dieser Woche musste ich aber das ein oder andere Mal an diesen bitteren Nachmittag in den großen Fußballsesseln des Spartensenders denken. Denn so wie es aussieht, habe nicht ich, sondern haben die anderen das Spielchen gewonnen. Kostprobe des Untergangs: Die FIFA bestimmt nach unerträglicher Gutsherrenart, wann die Fußball-WM in einem Land stattfinden wird, das Menschenrechte mit Füßen tritt, wenn dort Stadien oder Pressezentren gebaut werden. Offiziell möchte das niemand, verhindert wird es aber auch nicht! Doch wäre es nur das: Präsidenten von Bundesligisten regen fröhlich an, dass doch eine einmalige 1000-Euro-Spende ihrer Mitglieder eine gute Sache sei. Wie sonst wolle man denn mithalten mit Vereinen, die mal eben 30 Millionen in die Hand nehmen, um sich auf Rechtsaußen zu verstärken. Da muss schon auch mal der sozialromantische Fan ran.

Weltfremd, wer das anprangert! Denn so läuft das Geschäft eben nun mal. Das Ganze funktioniert halt über all die  Millionen, die dann auch über fragwürdige Märkte rein geholt werden müssen.Oder anders gesagt: Je schneller man sich damit abfindet, dass Leidenschaft, Tradition und Enthusiasmus nur die Blödheit des kleinen Mannes sind, mit der man eben wunderbar verdienen kann, desto schneller findet man sich zurecht! Man kann ja auch weg bleiben.

Ich bleibe nicht weg! Auch wenn mich das alles zunehmend ankotzt! Außerdem ist es da, wo ich hingehe, gerade mal ein bisschen anders. Und auch wenn ich weiß, dass Alemannia wieder mitten in diesen Sog hinein geraten wird, wenn es weiter so gut läuft, versuche ich mich täglich daran zu erinnern, die momentane Phase am Tivoli möglichst ausgiebig zu genießen. Sozialromantisch ausgedrückt passiert hier nämlich gerade das: Ein No-Name-Trainer, mit einem ehemaligen Mannschaftskapitän an seiner Seite, stellt sich ein Team zusammen, das namentlich vor der Saison kein Spielerberater und auch kein Boulevard-Schmierfink kannte. Sie begeistern mit diesen Jungs die Massen. Sie begeistern sie so sehr, dass sie sogar in der vierten Liga – am Rande des scheinbar Unwichtigen also – ein ganzes Stadion damit füllen. Es schaut wenigstens von außen so aus, als würde eine Mannschaft gemeinsam für ein Ziel einstehen und sich sogar das ein oder andere Mal bewusst darüber sein, was alleine das schon für all die gebeutelten Fans da draußen auf den Rängen bedeutet. Yep – das ist der Fußball, den ich als meinen bezeichnen würde.

Wie ein Treppenwitz des Schicksals mutet es da an, dass der ärgste Konkurrent in der Tabelle die Zweitvertretung des Champions League Aspiranten vom Niederrhein ist – eine Mannschaft also, die nicht vor Zuschauern, sondern vor Spielerberatern spielt.

Und so kommt man als Sozialromatiker – der man nun mal ist – nicht umher, aus dieser Saison den ultimativen Battle zwischen der neuen und der alten Welt zu machen.

Sollen Sie mich doch belächeln! Ich mag Alemannia derzeit, weil sie so wunderbar anders ist! So anders als Wolfsburg, Leverkusen oder Leipzig. Ich mag Alemannia derzeit, weil Millionen-Transfers oder Europapokal-Teilnahmen weit weg sind und nur die fußballerische Wahrheit der Regionalliga zählt.

Und: Ich könnte heulen, wenn ich daran denke, was passiert, wenn dieser großartige Trend anhält und diese wunderbare Mannschaft weiter gewinnt. Wo soll das nur hinführen? Scheiß Sozialromantik!

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