Einmischen statt wegsehen! – Mit dieser Aufforderung am Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus erinnerte die DFL Deutsche Fußball Liga mit ihren Klubs und allen Fußballfans am vergangenen Wochenende an die Opfer dieser Diktatur. Anlässlich dieses Erinnerungstages möchten wir an dieser Stelle besonders an die Mitglieder der Alemannia erinnern, die dem Nationalsozialismus zum Opfer fielen. Neben den zahlreichen Toten, Verwundeten und Vermissten des Weltkrieges zählten hierzu die jüdischen Mitglieder des Vereins, die in den Konzentrationslagern ermordet wurden.
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten hatte 1933 sehr schnell Auswirkungen auf den Sport. Zur Gleichschaltung wurden „linientreue“ Vereinsführer in allen Sportvereinen installiert. Seit April 1933 waren für den DFB „Angehörige der jüdischen Rasse in führenden Stellungen der Verbandsinstanzen und Vereine nicht tragbar“. Eine gesetztliche Vorschrift zum Ausschluss von Juden aus Sportvereinen gab es zu diesem Zeitpunkt (anders als bei der Deutschen Turnerschaft, die im Mai 1933 die „Vollarisierung“ der Turnvereine beschloss) nicht – auch aufgrund möglicher ausländischer Boykotte der OlympischenSpiele 1936. Vielmehr handelten viele Vereine beim Ausschluss jüdischer Mitglieder in „vorauseilendem Gehorsam“. Auch bei der Alemannia wurde der von Politik und Reichssportführer von Tschammer und Osten vorgegebene Kurs durch
„Vereinsführer“ Dr. Peter Müller vorangetrieben. Nachdem bereits Stürmer Max Salomon im April1933 den Verein verlassen hatte, tauchten in der Ausgabe Mai/September 1933 der Vereinszeitung die Namen weiterer jüdischer Mitglieder unter „Abmeldungen“ und „Streichungen“ auf, unter ihnen etwa die später im Konzentrationslager ermordeten Robert Salomon und Josef Keusch.
Betroffen war auch das langjährige Mitglied Erich André, der die erste Fußballmannschaft viele Jahre als Betreuer und Mitglied des Fußballausschusses begleitete. Im Bericht des Ausschusses über die Spielzeit 1932/33 heißt es: „Es fanden 47 Sitzungen statt, von welchen André 41, das heißt ausnahmslos alle bis zu seinem durch die heutige Lage bedingten Fernbleiben besuchte.“ Auch André kam später im Konzentrationslager zu Tode.
Zu den wichtigsten und bekanntesten Spielern der Alemannia gehörte bis 1933 Max Salomon, der 1924 als 18-Jähriger den Sprung in die erste Mannschaft geschafft hatte. Fast ein Jahrzehnt gehörte er zu den herausragenden Spielerpersönlichkeiten der Schwarz-Gelben. Mit wahrscheinlich mehr als 80 Treffern in rund 140 Meisterschaftsspielen gehört er zu den erfolgreichsten Torschützen der Vereinsgeschichte. Durch seine gute Ballbehandlung konnte der meist als Halblinker oder Mittelstürmer eingesetzte Angreifer aber vor allem als Torvorbereiter glänzen. Beim Rheinbezirksendspiel 1931, einem der größten Erfolge der Vorkriegszeit, gab Salomon die Vorlage zum entscheidenden 3:2 durch Josef Wicke. Am 19. März 1933 bestritt Max Salomon im Rheinbezirksendspiel gegen Sülz 07 sein letztes Pflichtspiel für die Alemannia. Einige Monate später meldete die Vereinszeitung in einem Bericht zur sportlichen Situation lapidar: „Salomon trat infolge der Zeitrichtung ab.“ Der Jude Salomon war vor dem nationalsozialistischen Terror nach Brüssel geflohen. Bei einem späteren Besuch seiner Heimatstadt Aachen wurde er wegen „Rassenschande“ verhaftet, man verurteilte ihn wegen eines Verhältnisses mit einer „arischen“ Frau. Später zog Salomon von Brüssel nach Frankreich, wo er bei Kriegsausbruch aufgrund seiner deutschen Staatsbürgerschaft interniert wurde. Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen in Frankreich 1940 blieb er aufgrund seines jüdischen Glaubens weiterhin interniert. Am 4. September 1942 wurde Max Salomon schließlich in einem Zug nach Auschwitz deportiert. Ob er dort jemals ankam oder an anderer Stelle zu Zwangsarbeit herangezogen wurde, ist bis heute ebenso unbekannt wie die genauen Umstände seines Todes. Offiziell gilt Max Salomon als vermisst.
Insgesamt sind die Namen von fünf im Konzentrationslager ermordeten Alemannia-Mitgliedern bekannt: Erich André, Josef Keusch, Fritz Moses, Max Salomon, Robert Salomon. Möglicherweise starben noch weitere Alemannen im Holocaust. Das ehrende Andenken an sie darf ebenso wenig in Vergessenheit geraten wie die Verbrechen, denen sie zum Opfer fielen.
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